Die Tage danach

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Ich entschuldige mich für die lange Pause, die Uni und der Plotbunny einer anderen Geschichte haben mich fest im Griff. Im Laufe der Woche hole ich weiter nach. Weist mich gerne darauf hin, wenn ich es wieder vergesse!  

Camille wachte am nächsten Morgen von Geschirrklappern auf. Dass die Fotowand gegenüber ihres Bettes fehlte, bemerkte sie als erstes und erst danach, dass sie überhaupt nicht in ihrem eigenem Bett lag. Sie befand sich auf einem Sofa und blickte auf einen Fernseher. Nach kurzem Überlegen fielen ihr die Geschehnisse von gestern auch wieder ein. Die junge Ärztin musste auf Romans Couch im Wohnzimmer eingeschlafen sein, nachdem er sie wegen des Regens zu sich eingeladen und dann einen Film mit ihr angesehen hatte, jedenfalls bis sie vom Schlaf übermannt worden war.

Roman betrat gerade das Wohnzimmer und blickte Camille entgegen, die sich aufgesetzt hatte. ,,Ich wollte dich gerade aufwecken, aber wenn du eh schon wach bist, kann ich mir das sparen. Ich habe Frühstück vorbereitet. Also, wenn du möchtest", ihm war eingefallen, dass sie vielleicht bei sich zu Hause essen wollte und das ganze etwas unüberlegt war. Zum Glück beantwortete Camille seine indirekte Frage mit einem ,,Ja". In der Küche angekommen, setzten sich beide an den Tisch und bedienten sich. Roman hatte Brötchen hingestellt, schließlich war Sonntag, aber es befanden sich auch Müsli und Obst auf dem Tisch, falls Camille mehr Lust darauf hatte. Er war gerade dabei, sich sein Brötchen zu schmieren, als sein Gegenüber ihn fragte, warum er ein so großes Haus ganz für sich allein hatte. ,,Vorher hat Nastassja noch hier gewohnt und jetzt habe ich es behalten, damit Familie und Freunde nicht im Hotel schlafen müssen, wenn sie mich besuchen." ,,Das klingt logisch, aber ist es nicht etwas einsam, wenn du die ganze Zeit allein hier bist?" ,,Jule und Erik sind ziemlich oft hier oder ich bei ihnen, also bin ich eigentlich ziemlich selten wirklich allein." Danach herrschte Stille, die jedoch nicht unangenehm war. Sie waren mit Essen beschäftigt und jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Camille unterbrach die Stille, nachdem sie ihr Müsli ausgelöffelt hatte: ,,Liegen meine Sachen noch oben?" ,,Ich habe sie nur über die Heizung gehängt, also ja." Darauf ging sie hoch und zog wieder ihre Sportbekleidung an. Diese war zwar etwas steif vom Regen, aber sobald sie zu Hause war, konnte sie ja in frische Kleidung wechseln. Roman räumte währenddessen den Tisch ab, weil auch er sein Brötchen aufgegessen hatte. Pünktlich als er fertig war, stand sein Gast im Türrahmen und fragte ihn, ob das Angebot mit dem nach Hause fahren noch stand. Natürlich galt dieses noch, was dazu führte, dass sie wenige Minuten später nebeneinander im Auto saßen.
,,Dein Vater hat dir gestern Abend geschrieben, als du schon geschlafen hast und gefragt, wo du bist. Ich habe ihm geantwortet, dass du wegen des Regens bei mir bist. Ich hoffe, das war okay?" Die Veranstaltung, auf der Michael Zorc gewesen war, musste ziemlich lange gedauert haben, wenn er ihr erst so spät schrieb. ,,Absolut, ich wollte ihn eigentlich zuerst anrufen, aber dann fiel mir ein, dass er bei irgendeinem Event war und ich ihn da wahrscheinlich nicht stören sollte." Die Fahrt zum Haus der Zorcs dauerte nicht lange und so waren sie nach kurzer Zeit angekommen. Camille bedankte sich noch für das Frühstück und ging dann ins Haus. Roman fuhr weiter zum Training, wo er schon von Julian erwartet wurde: ,,Für deine Verhältnisse bist du ziemlich spät dran. Selbst Auba ist schon da." Sein Mitspieler und Freund kannte ihn ziemlich gut und wusste, dass Roman normalerweise darauf achtete, einer der ersten zu sein. Später als Auba zu erscheinen hieß, dass er und Camille wohl doch länger gefrühstückt hatten als gedacht. ,,Dir auch einen guten Morgen, Jule. Ich hab' Camille noch nach Hause gefahren." Eigentlich wollte er das nicht in der Kabine vor der Mannschaft sagen und warten, bis er mal mit Julian und Erik allein war, aber jetzt war es schon zu spät dafür. Julian schaute ihn verwundert an und wartete, bis Roman umgezogen war.
Während sie sich warm liefen, klärte der Torwart seinen jüngeren Kollegen auf: ,,Camille war gestern Abend joggen und wurde vom Regen überrascht. Sie hat mich dann angerufen, weil sie keinen anderen erreichen konnte. Dann stellte sich heraus, dass sie zwei Straßen entfernt war, also hab' ich sie zu mir eingeladen, um auf das Ende des Regens zu warten. Als sie ankam, war sie schon komplett durchnässt, also gab ich ihr Sachen von mir. Der Regen hörte nicht auf, also haben wir einen Film angefangen, wo sie dann in der Mitte eingeschlafen ist. Heute Morgen haben wir dann zusammen gegessen und ich habe sie nach Hause gefahren." Roman hatte das herunter gespult und musste jetzt erstmal wieder regelmäßig atmen, um nicht unter Seitenstechen zu leiden. Julian hingegen dachte nach. Camille hatte Roman freiwillig angesprochen und die Initiative ging im ersten Moment von ihr aus. Vorher war es nahezu immer Roman gewesen, der ein Gespräch begann und am Leben hielt. Diese Wendung freute ihn, auch wenn sein Freund schlussendlich dafür gesorgt hatte, dass Camille bei ihm blieb und Zeit mit ihm verbrachte. Als Julian zu einer Antwort ansetzte, schickte der Trainer sie zu den verschiedenen Stationen, wodurch Roman Richtung Tor gehen musste und er auf dem Spielfeld blieb.

Camille hatte sich geduscht, einen medizinischen Artikel gelesen und dann etwas zum Mittag gekocht. Nach dem Essen und dem Abwasch fuhr sie in die Klinik und zog sich dort ihre Arbeitskleidung an. Die junge Ärztin war heute für die Spätschicht auf Station und eine anschließende Bereitschaft eingeteilt. Sie würde sich zuerst einmal die Patientenakten ansehen, um zu erfahren, was sie erwartete und dann die anstehenden Untersuchungen und Behandlungen durchführen. Wegen des guten Wetters am Vortag waren einige neue Patienten hinzugekommen, wobei es sich bei den meisten um Knochenbrüche handelte, die in den nächsten Tagen operiert werden würden oder schon behandelt waren. Die Unfallchirurgie hatte in diesem Fall nicht so viel zu tun wie andere Abteilungen, bei denen Hitzeschläge und andere Kreislaufprobleme landeten, die von dem warmen Wetter verursacht wurden.
In ihrem Praxisjahr und während ihrer Zeit als Assistenzärztin hatte sie diese Abteilungen immer als langweilig empfunden und sich dann für die Unfallchirurgie mit ihren verschiedenen Facetten entschieden, da sie von der Präzision des Operierens und den immer wieder neuen Herausforderungen fasziniert war. Diese Begeisterung hielt immer noch an und führte dazu, dass sie kein Problem damit hatte, stundenlang im OP zu stehen und das Innere von Menschen wieder ,,zusammenzuflicken".
Mittlerweile hatte sich auch die Situation mit ihren Kollegen im Klinikum verbessert. Camille redete in den Pausen mit den Assistenzärzten und gab auch ab und zu einige Informationen zu ihrer Person preis. Nur einer von den ,,Assis" der Unfallchirurgie war an Fußball interessiert und stellte ihr manchmal dazu Fragen, die Camille, so gut wie sie konnte, versuchte zu beantworten. Über die Gespräche hatte sie erfahren, dass zwei der vier verheiratet waren (nicht miteinander) und die älteste von ihnen einen zweijährigen Sohn hatte. Tatsächlich waren alle älter als Camille, weil sie das deutsche Schulsystem und das Medizinstudium im normalen Tempo bestritten und nicht wie Camille abgekürzt hatten. Sie erzählte ihnen von ihrer Zeit in Boston und verglichen dann gemeinsam die Ausbildung in Deutschland und den USA. Ihre älteren Kollegen respektierten sie trotzdem auch als Vorgesetzte, wenn sie diese Aufgabe übernehmen musste, weil der Oberarzt nicht anwesend war. Dies kam in letzter Zeit aber eher selten vor.
Die Nacht zum Montag war weniger friedlich als der Sonntagnachmittag, sodass Camille kaum zum Schlafen kam, da sie ständig in die Notaufnahme gerufen wurde. Es kamen immer wieder Unfälle an, die zum Glück meist glimpflich ausgegangen waren. Jedenfalls bis 03.30 Uhr ein schwerverletzter Autofahrer eingeliefert wurde, den ein LKW Fahrer übersehen hatte. Camille wurde sofort in den OP gerufen, da sie ein Polytrauma mit mehreren inneren Blutungen vermuteten, die keine Voruntersuchungen erlaubten. Die Operation dauerte fast sechs Stunden, da sie immer wieder Blutungen stillen und dann nach deren Ursache suchen mussten, um diese dann zu beseitigen. Wenn der Patient den Tag und die Nacht überlebte, hatte er unglaubliches Glück und die Ärzte grandiose Arbeit geleistet.

Grandiose Arbeit wollte auch die Dortmunder Mannschaft am Dienstag gegen Real Madrid leisten, weshalb sie sich zum Training versammelte, als Camille gerade das Klinikum verließ. Am Vormittag würde es eher locker sein, bevor am Nachmittag dann das Abschlusstraining für den darauffolgenden Tag stattfand, bei dem sie noch einmal alles geben wollten. Auf Real schon in der Vorrunde zu treffen war kein leichtes Los, aber sie konnten es sich nicht aussuchen und mussten nun das beste daraus machen. In der Mittagspause fragte Julian nach, ob Roman noch etwas von Camille gehört hatte, was dieser verneinen musste. Er konnte sich aber denken, dass sie nach der Bereitschaft nach Hause gefahren und in ihr Bett gefallen war, um zu schlafen.
Nach der Pause wurde der Torwart noch einmal richtig von Teddy getriezt, der ihn auf Ronaldo und Kollegen vorbereiten und sensibilisieren wollte. Zum Abschluss rief Tuchel sie noch einmal zu einem kleinem Spiel zusammen, bevor er seine Spieler dann duschen und nach Hause schickte. Dort würden sie nur ihre Sachen holen, um dann zum Teamhotel zu fahren, in dem sie die Nacht vor den Heimspielen üblicherweise verbrachten. Roman fragte sich immer noch, warum sie nicht alle in ihren jeweiligen Wohnungen und Häusern schlafen konnten und sich dann einfach sehr früh am nächsten Morgen trafen. Eine wirklich zufriedenstellende Antwort hatte er bisher nicht erhalten; die plausibelste bisher war, dass sie so das Zuspätkommen der üblichen Verdächtigen größtenteils vermeiden konnten. Er hatte also seine Tasche geholt und war zum Hotel gefahren, wo er noch ein wenig Zeit mit Julian verbrachte, bevor er schlafen ging.
Das Spiel am nächsten Tag begann zunächst wie erhofft, verlief dann aber ähnlich einer Achterbahnfahrt. Roman rettete sie in der zweiten Minuten vor einem ersten Tor durch Ronaldo, musste sich 15 Minuten später aber geschlagen geben, als dieser zum 0:1 traf. Der BVB dirigierte zwar das Spiel, aber das Tor zum Ausgleich wollte erst einmal nicht fallen. Während dieser Dominanz warteten die Madrilenen auf Konter, damit sie ihr erstes Tor in ähnlicher Form wiederholen konnten. Nach genug vergebenen Chancen schob Auba den Ball kurz vor der Pause endlich über die Linie. Die Freude wäre aber nur von kurzer Dauer gewesen, hätte man Ronaldos Tor nicht für Abseits erklärt.
Auch in der zweiten Halbzeit dominierte der BVB zu Beginn, jedoch steigerte sich Real und Varane schoss in der 68. Minute das 2:1. Die Dortmunder versuchten dann immer wieder den Ausgleich zu erzielen, aber auch heute wollte der Ball einfach nicht ins Tor. Zum Glück gelang es Andre in der 87. Minute doch noch den Ball zu versenken und so konnten sie noch einen Punkt aus der Partie mitnehmen. Bei der anfänglichen Überlegenheit wäre ein Sieg natürlich schöner gewesen, aber sie hatten aus der Situation das Beste gemacht und mussten jetzt das Rückspiel abwarten, welches erst in zwei Monaten stattfinden würde. Zwei Monate, in denen viel passieren konnte...

Doktorspiele (Roman Bürki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt