Es war immer der gleiche Weg, den ich lief und immer an der selben Stelle begegnete er mir. Jung war er bestimmt nicht mehr und doch ging er mit seinem Hund spazieren, Tag für Tag.
Dieser hingegen hatte seine beste Zeit lange hinter sich und auch heute schien er müde, fast erschöpft.Ich wusste nicht einmal wie die beiden hießen und doch gehörten sie zur Routine, zum Ablauf.
"Tag", ich nickte kurz.
Er schaute mich an, nickte zurück und wir setzten unseren Weg fort. Er vermutlich weiter in Richtung Wald, ich nach Hause.
Ich dachte nie darüber nach, wo er lebte, was er tat, oder was er von mir dachte, ob er mich erkannte.
Auch am nächsten Tag war es wieder das Lilienfeld an dem ich vorbei lief.
Und wieder nickten wir uns zu, so war es seit ich klein war.
Am nächsten Tag dann kam ich erschöpft aus der Schule, es regnete leicht und ich fröstelte.
Diesmal sah ich nur einen Schatten der mir entgegen kam. Und es blieb dabei, er lief alleine. Und das erste Mal verstand ich, was es bedeutete alt zu werden und jemanden zu verlieren.
Und als er schließlich neben mir war, schaute ich ihm in die Augen und beugte mich ein wenig vor, hielt meinen Kopf unten und machte das Nicken so länger.
Er verstand. Er sah, dass ich den Schmerz in seinen Augen warnahm, dass ich verstand warum er nun scheinbar grundlos seine Route ablief. Dass ich seinen Hund würdigte.
Auch die Zeit danach kam er wieder, ein halbes Jahr lang spürte ich seine Trauer, bis an diesen einen Tag. An diesem Tag kam er nicht. Am nächsten dann wieder, doch er schaute erschöpft aus.
Und unser Nicken am Lilienfeld wurde seltener.
Wöchentlich, schließlich kaum noch.
Und irgendwann kam er gar nicht mehr und als ich das realisierte nickte ich resignierend.
Es war ein regnerischer Tag als ich, eine Lilie in der Hand, den Friedhof betrat.
Ich legte die Blume ab und eine einzelne Träne verließ mein Auge.Ich wusste, er hatte seinen Frieden gefunden und ich lächelte.
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𝚖𝚘𝚘𝚗𝚕𝚒𝚐𝚑𝚝 𝚝𝚑𝚘𝚞𝚐𝚑𝚝𝚜 𝚒𝚗 𝚕𝚘𝚗𝚎𝚕𝚢 𝚗𝚒𝚐𝚑𝚝𝚜
Short Storylate thoughts // skizzen (kurzgeschichtenartig)