13. Kapitel: Sarah

260 18 10
                                    


Samstag, 08. August

Es war mir gar nicht aufgefallen, dass es bereits wieder dämmerte und der nächste scheinbar unschuldige Tag im perfekten Paradies begann.

Die ersten Sonnenstrahlen züngelten über den Horizont und bedeckten die einzigartige Fauna und Flora mit ihrer Wärme. Während ich so nach draußen starrte und die Landschaft gerade so an mir vorbeizog, trafen auch mich die ersten Strahlen und obwohl ich eigentlich Wärme und Geborgenheit hätte verspüren müssen, spürte ich einfach gar nichts. In mir herrschte einfach nur so eine undefinierbare kalte Leere vor und dagegen hätte auch die warme Morgensonne auf meiner Haut nichts geholfen. Dagegen kam nichts an.

Schräg, dass schon wieder so viel Zeit vergangen war. Gerade eben war es noch mitten in der Nacht gewesen. Ich hatte das Gefühl, jeglichen Sinn für Raum und Zeit verloren zu haben.

Im Auto herrschte eine so unangenehme Totenstille, dass ich mich trotz meines Desinteresses unbedingt auf die Natur außerhalb dieser Blechkiste konzentrieren musste. Neben mir am anderen Fenster hing immer noch Nathan, der immer noch nicht sein Bewusstsein zurückerlangt hatte. Es war langsam echt gruselig, aber ich traute mich auch nicht noch einmal zur Seite zu sehen. Das würde mich nur wieder wahnsinnig machen.

Kaden und Samantha hatten sich eine Weile noch angeregt unterhalten aber auch zwischen den beiden war nun eine bedrückende Stille eingetreten, die jetzt schon sehr lange anhielt.

Wieso musste das dumme Haus von Samantha aber auch am anderen Ende der Insel liegen? Wer wohnte denn bitte so weit ab vom Schuss? Das wäre mir viel zu dumm. Seit wir von Hilo aufgebrochen waren, fuhren wir gefühlt schon wieder eine halbe Ewigkeit auf den leeren Straßen. Jetzt, da die Sonne aufging, kamen uns bereits wieder die ersten für die Inseln typischen Pick-Ups mit ihren Surfbrettern hinten auf der Ladefläche entgegen. Früher fand ich diesen Anblick interessant und hatte mich neugierig gemacht das Surfen eines Tages auch einmal auszuprobieren, aber heute dachte ich nur noch an Nathan und seine unaussprechlichen Taten, wenn ich solch ein Fahrzeug zu Gesicht bekam.

Ich hatte Samantha und Kaden darüber reden hören wie das Kaff hieß, in das wir gerade fuhren, aber ich hatte mich kaum richtig auf ihre Stimmen konzentrieren können. Mir war der Name bereits entfallen, ich hatte ihn gleich gar nicht richtig verstanden gehabt.

Hier so weit im Süden der Insel gab es eine interessante Mischung von tropischen Wäldern, grünen Landschaften und den trockenen, düsteren, schwarzen Lavafeldern. Es schien wie eine Art Schlacht zwischen dem Guten und dem Bösen. Diese Ähnlichkeit kam mir mehr bekannt vor, als ich gedacht hätte.

Zum bestimmt hundertsten Mal linste Kaden vom Beifahrersitz in den Innenspiegel des Wagens, um so einen kurzen Blick auf mich zu erhaschen. Immer wenn er zu glauben schien, dass ich es nicht bemerkte, tat er das. Bereits die gesamte Fahrt. Anscheinend schien er ernsthaft anzunehmen, dass ich es noch nicht bemerkt hatte. Er war mit großer Sicherheit ebenso aufgewühlt wie ich, aber trotzdem machte er sich wohl große Sorgen um mich, weil ich schon seit wir weggelaufen waren, kein Wort mehr von mir gegeben hatte. Ich wollte aber einfach nicht reden. Weder mit ihm, noch mit sonst wem. Was hätte ich auch groß sagen sollen? Worüber sollte ich reden? Über meine... Gefühle? Nein, danke, also ignorierte ich ihn einfach und tat weiterhin so, als ob ich ihn nicht bemerkte.

Endlich bog Samantha ab. Vom Freeway ging es ab auf eine kleine holprige nicht geteerte Straße und ich wurde gut durch geschüttelt. Es ging nun einen kleinen schmalen Weg weiter hoch. Wir waren ein ganzes Stück über dem Meer, bis sie endlich zum Stehen kam. Vor einem riesigen, protzigen Haus mit einer – wie gewiss neunundneunzig Prozent der typischen Hawaiibesucher sagen würden – atemberaubenden und traumhaften Aussicht. Auf der einen Seite die bedrohlichen Lavafelder, die Zeuge davon waren, dass die reichlichen Vulkane der Inseln jeder Zeit wieder ausbrechen und ganze Dörfer verschluckten konnten und auf der anderen Seite die grünen Urregenwälder mit all ihrer Vielfalt in Sachen Pflanzen- und Tierwelt. Abgeschlossen wurde das Panorama durch den Blick auf das kristallklare Meer. Nur ein kleiner Zugang über diese enge Dreckstraße. Niemand kam hier her, es lag völlig versteckt. Niemand konnte einen nerven oder einen beobachten. Komplett allein. Wie der letzte Mensch auf der Welt im Paradies. Unter anderen Umständen wäre es unbeschreiblich gewesen, in so einem Haus bleiben zu dürfen, aber die Umstände waren nun einmal nicht anders.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt