12. Kapitel: Sarah & Nathan - Teil 2

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Jetzt drehte die Gestalt mir unbeabsichtigt ihr Gesicht zu, während sie sich wie wild unter dem Schuh meines Onkels wandte. Es war eine Frau. Sie war wunderschön, zumindest aufgrund dessen, was ich so kurz von ihr hatte erhaschen können. Ihr langes, dunkles Haar wirkte auf mich wie die wilde Mähne einer taffen Kriegerin, die nicht so leicht aufgeben würde.

Erst jetzt merkte ich, dass ich mich um einiges nach vorne gebeugt hatte und beinahe so weit aus dem Schatten hervorgestochen hätte, dass er mich mit großer Wahrscheinlichkeit ohne jegliche Anstrengung sofort entdeckt hätte.

„Sarah, pass auf", flüsterte Kaden allgegenwärtig und hielt mich reflexartig fest am Arm zurück, was mich sofort innehalten ließ.

Ich nickte und rückte leise ein gutes Stück wieder näher an ihn und somit zurück in die schützende Dunkelheit. Ein rascher Blick auf Samantha verriet mir, dass auch sie wie gebannt von den Ereignissen vor uns war, aber ihre Reaktion darauf war eine gänzlich andere. Obwohl sie ihre Hände in ihren Hosentaschen vergraben hatte entging mir nicht, wie sie diese zu Fäusten ballte. Ihre Miene war wie in Stein gemeißelt und sie schien uns um sie herum gar nicht mehr richtig wahrzunehmen.

Das aufgebrachte Schreien der Frau lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Rasen hinter dem Haus. Es klang allerdings zu meiner großen Überraschung weder ängstlich, noch panisch. Das was aus ihrer Stimme an mein Ohr herandrang, wirkte auf mich eher kämpferisch und wütend. Obwohl ich es aus dieser Entfernung nur sehr schwer sagen konnte, hätte ich schwören können, dass auch in ihren Augen etwas ganz anderes lag. Soweit ich es deuten konnte, wirkte es eher wie Verachtung und Mitleid für meinen Onkel. Solch ein Verhalten verdiente definitiv Anerkennung.

Eine weitere Bewegung fiel mir ins Auge. Nate griff scheinbar in eine Innentasche seiner Jacke. Meine Augen weiteten sich vor Schrecken und erst jetzt schoss mir die Info so wirklich in den Kopf: Es ging los und ich hatte keine Wahl, als mir das Kommende anzusehen. Das was geschehen würde, war unausweichlich.

So, als ob es das Normalste auf der Welt war, kramte ich meine Pistole und den zugehörigen Schalldämpfer hervor. Mir entging nicht die Haltung und das Mitleid, welches mir aus ihrer Mimik entgegenschien. Mittlerweile hatte sie sogar aufgehört sich tatkräftig zu wehren. Anscheinend hatte sie ihr Schicksal mittlerweile akzeptiert und es hingenommen. Komischerweise war sie überhaupt nicht wie all die anderen, die ich in den letzten Jahren bereits zuhauf umgebracht hatte. Im Gegensatz zu all den Kerlen, die bereits in Nauks Namen hatten dran glauben müssen, war dieses Opfer gänzlich anders. Tapfer, stellte keine dämlichen Fragen über ihr Schicksal, auf die sie sowieso nie eine Antwort erhalten würde, mutig. Fast hätte ich gesagt, dass es Verschwendung wäre, solch eine Frau zu opfern, aber auch nur fast. Die Art wie sie mich aktuell durchbohrte, belehrte mich eines Besseren. Ich wollte sie nicht an mich heranlassen, ich ignorierte sie so gut ich es eben konnte.

„Na du hast es ja drauf! Machst du das immer so, als ob es etwas bedeuten würde, was du tust?", kam es keuchend von unten, woraufhin mein Blick kurz wieder zu ihr wanderte, doch ich reagierte nicht weiter.

Kurze Zeit herrschte absolute Stille, doch anscheinend war sie jetzt plötzlich nicht mehr bereit einfach auf ihr Ende zu warten. Sie wollte mich nerven. Die typische Trotzphase, die ab und an auch mal Einzug hielt, schien zu beginnen.

„Willst du mich jetzt mit deinem Schweigen bestrafen?", fuhr sie unbehelligt fort und dieser gehässige, mit Absicht provozierende Tonfall gefiel mir ganz und gar nicht.

„Du hast keine Ahnung, wovon du eigentlich redest, geschweige denn, worum es hierbei eigentlich geht. Du kannst sogar froh sein, dass du es nicht tust, also halte jetzt einfach die Klappe, wärst du so gut?", gab ich entnervt zurück, entsicherte meine Waffe und lud sie.

Keepers of Fate [abgeschlossen] #UrbanFantasyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt