Die erste Begegnung

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„Es ist viel zu frühhhhh", jammerte ich und rutschte die Wand hinunter, an der ich lehnte.
Das Lachen der Zwillinge neben mir machte es nicht besser.
„Och komm, du warst die Erste hier", sagten Alan und Alex gleichzeitig, mit dem Zeigefinger auf mich gerichtet. „Und!? Das heißt nicht, dass ich es gut finde. Ihr wisst wie doof ich es finde zu spät zu sein!"
Ich schlang die Arme um meine Beine, um ein wenig verpassten Schlaf nachzuholen.
„Süße? Die Lehrerin ist da.", meldete sich nun auch meine beste Freundin Evie zu Wort.
Mit einem gemurmelten Fluch stand ich auf, nahm meine Tasche von der Fensterbank und folgte den anderen ins Klassenzimmer.
Wir setzten uns auf unsere üblichen Plätze, ich ganz hinten am Fenster, Evie neben mir, Alan und Alex vor uns.
Die Lehrerin erklärte uns, sie hieße Frau Moon und wäre unsere Klassenlehrerin, ebenfalls teilte sie uns mit, wie unser Stundenplan aussehen würde. Während sie die übliche Leier des ersten Tages der Schule wiederholte, guckte ich aus dem Fenster und beobachtete die Autos die vorbei fuhren. Ein Klopfen an der Tür veranlagte mich dazu, meine Aufmerksamkeit auf die Tür zu richten.
Am ersten Tag zu spät, was ein Idiot, der ist unten durch.
Frau Moon schaute verwirrt aber antwortete. Herein kamen der Direktor und ein Junge mit blutrotem Haar. Er wirkte wie, wie soll ich sagen... wie ein Streber. Die blutroten Haare länger, sodass sie seine Ohren berührten, jedoch ordentlich zurechtgelegt, ein Pulli, der zu dick schien für das warme August Wetter, und eine unförmige Hose, die auf dem Boden schliff und alte ausgelatschte Turnschuhe, die so aussahen, als hätten sie ihre besten Tage schon seit Jahren hinter sich. Der Direx redete mit der Lehrerin, um ihr den Neuankömmlingen vorzustellen, dieser jedoch blickte nur auf seine Füße. Nach ein paar Minuten ging der Direx und Frau Moon fordert den Jungen auf, sich vorzustellen. Er blickte in die Klasse und brachte erstaunliche vier Wörter raus.
„Hi, ich bin Leo.", dann setzte er sich auf den freien Platz ganz vorne vor dem Pult.
WOW, was für ein Typ! Ein Wunder, das er nicht nur -hi, Leo- gesagt hat. Na, mal sehen wie lange er sich schlägt.
Die restliche Stunde verlief so ruhig und langweilig, wie jeder erste Tag und als der Gong ertönte, waren alle bis auf meine Freunde, Leo und ich schon draußen.
„Kommt dir der Typ auch komisch vor?"
Evie sprach leise damit er uns nicht hörte. Ich packte meinem Block ein und musterte den Neuen.
„Mädels, macht Mal ein bisschen schneller!!", drängelte Alex „ich hab einen Riesenhunger!!"
„Jaa! Und Evie, das sagst du zu jedem, der dir suspekt vorkommt", ich warf mir den Rucksack über die Schulter und lief in Richtung Tür. Er schaute uns an und sah aus, als wolle er mit uns reden, schwieg jedoch. Evie zog ihr Handy aus der Tasche und suchte auf Instagram die neuesten Bilder ihrer Lieblingsband. Alan und Alex diskutierten was sie essen sollten und ich, ich öffnete meine Tasche und suchte das Buch, dass ich eingepackt hatte. In der Cafeteria angekommen holten die Jungs haufenweise Essen und da es hier keine freien Tische gab, beschlossen wir draußen zu essen. Wir entschieden uns für einen Tisch, der in der Sonne lag, die Jungs stürzten sich sofort auf das Futter. Evie schaute die beiden an und schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf ihre Suche. Ich schnappte mir ein Brot und eine Schale Obst und begann zu lesen.
„Na Baby", ertönte eine nervende Stimme neben mir.
„Steven, was ist?", ich konnte mir den angewiderten Blick nicht verkneifen, Steven merkte diesen jedoch nicht.
„Was machst du denn so Schönes?", fragte er und machte Anstalten, mein Buch zu schließen.
„Ich tu das, was du auch besser Mal tun solltest", war meine Antwort, als ich das Buch außerhalb der Reichweite seiner Griffel hielt. Er verzog das Gesicht, versuchte jedoch mich auf die Wange zu küssen. Ich pfefferte ihm eine und das Klatschen war über den gesamten Innenhof zuhören. Steven hielt sich die rote Stelle und stolzierte mit seiner Gefolgschaft aus Jogginghose weg. Evie, Alan und Alex lachten laut und schallend los.
„Der ... Der gibt auch echt nie auf!", lachte Alan und die anderen beiden stimmten ihm zu.
Ich hörte wie eine Gruppe Jungs über uns sprachen.
„Boah, die sind ja Mal gemein!", meinte der Erste,
„Nein, die sind die Guten.", meinte der Zweite der in Stevens Richtung schaute.
„Und die sind sooooo gut aussehend", sagte der Letzte der Evie und mich musterte.
Mein Blick wanderte noch einmal über den Innenhof und blieb an blutroten Haaren hängen. Ich senkte mein Buch und starrte den Jungen an, er fiel mit den roten Haaren echt auf. Er saß unter dem großen Baum, in der Mitte des Hofes, mit Kopfhörern und einem Buch. Steven und seine Bande näherten sich ihm und ich ahnte Böses.
„Ohhhhhhh, guck mal Rose hat ein neues Bild gepostet!"
Evie hielt mit ihr Handy hin.
„Hm?... ja echt schön", meine abwesende Stimme ließ die Jungs reagieren.
„Hey was hast du Feli?", fragte Alex und folgte meinem Blick, „Oh nein du wirst nicht—"
„Bin gleich wieder da", unterbrach ich ihn und lief in Richtung Leo und Steven.
„Na du Streber ?"
Steven hörte sich provokant an, um den Neuen zu ärgern, Leo jedoch ignorierte ihn. Steven gefiel das gar nicht und er packte ihn am Kragen und zog bei der Bewegung auch gleich das Kabel der Kopfhörer raus aus. Leo schaute ihn an.
„Hör zu, du Loser, ich werde dein Leben zur Hölle machen, klar!?" Steven verstellte seine Stimme, damit sie tiefer und bedrohlicher wirkte, dies schien Leo jedoch nicht zu beeindrucken und er - wer hätt's gedacht? - ignorierte ihn weiter. Steven war wütend, er wollte Leo gerade eine mit der Faust verpassen, da stand ich vor ihm.
Ich sah ihm fest in die Augen.
„Steven, lass es.", sagte ich noch zuckersüß, es stimmte zwar nicht mit meinem Blick überein, aber egal, einen Versuch war es wert.
„Süße, geh mir aus dem Weg, wir wollen doch nicht, dass du dich verletzt!"
Steven hatte meinen Blick nicht verstanden, aber was hatte ich auch anderes erwartet?
„ TJ, halt Feliticita fest, solange ich den Loser verprügle!", ein Junge, um die 1,80 m groß, kam auf mich zu.
Ich veränderte meine Position so, sodass ich einen Ausfallschritt machte.
„Hey Feli?", ich sah zu Alan, der wohl für den Fall der Fälle auch herübergekommen war, „Tu denen nicht allzu weh ja? Die wollen doch auch noch ein wenig Würde wahren."
Ich musste grinsen, dann war TJ auch schon vor mir und wollte mich am Arm packen. Ich hingegen packte seinen Arm, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und schubste ihn vor den Baum, mit dem Kopf voran. Steven und der Rest schauten mich entgeistert an.
„Aber TJ ist doch stärker als so'n kleines, schwaches Mädel wie die!?", sagte einer von den anderen beiden, die hinter Steven standen.
„Lasst uns gehen" sagte nun TJ, der sich am Kopf kratzte. Steven und der Rest verschwanden, ließen jedoch noch ein paar Bemerkungen über Leo fallen.
„Sag mal, musst du dich in meine Angelegenheiten einmischen?!", eine sehr tiefe Stimme ertönte hinter mir und ich zuckte zusammen. Ich drehte mich um und stemmte die Hände in die Hüften.
„Ich wollte dir nur helfen!", verteidigte ich mich.
„Ich brauche deine Hilfe nicht, also halt dich von mir fern oder...", er schaute mich wütend an und zeigte mit dem Finger auf mich. Er trat ein paar Schritte vor und stand jetzt direkt vor mir. „...Ich werde dein Leben so zerstören, sodass du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist", durch seine tiefe Stimme wirkte dies sehr bedrohlich und da er größer war als ich, mit seinen ungefähr 1,85 m und auf mich, mit meinen 1,70 m, schaute er herab.
„Du... Du solltest es dir überlegen wie du mit Steven umgehen möchtest! D—Das Ignorieren macht es nur schlimmer und das Grinsen solltest du auch lassen.", ich machte mehrere Schritte nach hinten, er machte welche auf mich zu. Ich machte noch einen Schritt nach hinten und spürte eine Tischkante, die mir gegen den Hintern drückte. Er machte auch einen Schritt und stand so dicht vor mir, sodass uns nur noch Zentimeter trennten.
Er lehnte sich vor, sein Gesicht nah an meinem, und stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab.
„Lass das mal meine Sorge sein und komm mir nicht in die Quere, verstanden?", er musterte mein Gesicht und er blieb bei meinen Lippen hängen.
Ich wurde rot, unsere Nähe trug sehr viel bei, doch war er auch nicht grade hässlich, im Gegenteil, er hatte das Gesicht eines Engels. Das Temperament von ihm glich aber eher dem Teufel.
„Lass sie in Frieden! Sie hilft wo sie kann und du bist arrogant, dein Gesicht hätte jetzt eine Schramme, wäre sie nicht gewesen!", Alan zog ihn von mir weg, sein Gesicht zeigte Wut. Alex und Evie waren auch rübergekommen und bauten sich mit Alan vor mir auf.
Oh, Leute. Ich hab doch gerade noch die Starke gespielt, um ihn zu schützen und jetzt? Schützt ihr mich vor ihm.
Sie redeten mit ihm, doch Leo schnaufte nur.
„Sie soll sich nicht bei mir blicken lassen, klar?!", seine tiefe Stimme war von Wut verzerrt. Ich musste schlucken, es war ein beängstigender Ton. Ich schaute mich um, während meine Freunde wieder mit ihm stritten, die anderen Schüler starrten uns an. Leo blickte mich kurz an und sah, dass ich um mich blickte, er tat es mir gleich. Er spannte sich an, sein Kiefer zuckte, er schaute meine Freunde noch einmal wütend an bevor er ein „Ach egal." äußerte und verschwand.
„Hey hast du Schiss oder warum haust du ab!?", rief Alex ihm nach und ging ein paar Schritte, ehe ich ihn aufhielt. „Lass ihn, er sieht ein, dass ihr die Besseren seid.", sagte ich grinsend. „Duuuuu—", fing Alex an, den Zeigefinger auf mich gerichtet. Der Gong ertönte und vermittelte uns, dass die nächste Stunde in ein paar Minuten anfing.
„Ich werde meine Sachen packen und zur nächsten Stunde gehen", ich hüpfte schnell außer Reichweite und rannte fast schon zu unserem Tisch. Alex war immer so ernst wenn es um seine Freunde ging, er meckerte mich auch meistens an weil ich zu naiv sei oder zu offen. Ich seufzte und schulterte meinen Rucksack. Ich drehte mich, bereit los zu gehen, um und knallte gegen Alex' Brust. Ich guckte ihm ins Gesicht und erschauderte. Er war wütend und fing an mich auszuschimpfen.
Wie eine Mutter... Er ändert sich nie.
Ich hörte ihm nicht zu, ich wusste was er sagte.
„Du kannst nicht immer jeden retten wollen! Irgendwann sind wir nicht da, um dich zu retten und dann liegst du im Krankenhaus oder guckst dir die Erde von unten an. Nicht jeder will gerettet werden Feli."
Ich sagte ihm, dass ich mich zurück halten würde und ging in Richtung Klasse.
„Feli!", hörte ich nun Alans schadenfrohe Stimme und ich drehte mich um.
„Wir haben Mathe!", er zählte mit den Fingern bis drei.
„Oh, Leute, ich will nicht! Könnt ihr nicht sagen, dass mir schwindelig geworden ist und ich nach Hause bin?", fragte ich sie hoffnungsvoll, mit einem Hunde-Blick.
Alle drei lachten los und kamen auf mich zu. Wie in einem Anime oder Cartoon hakten sich Alan und Alex gleichzeitig bei mir ein und schliffen mich mit, ich, wohl bemerkt, blickte jedoch in die entgegengesetzte Richtung, und trauerte jetzt schon der Pause hinterher. Trotz meiner Protest-Versuche, schleppten die Jungs mich in die Klasse.
Leo saß schon wider auf dem selben Platz, ganz vorne am Pult.
Ich trat und schlug um mich, um ihren Griff zu lockern, doch diese waren eisern.
Die Klasse lachte laut los, sogar Leo drehte sich um und schaute dem Spektakel zu.
Guck nicht so dämlich!
Alex und Alan ließen mich los und ich wollte gerade in Richtung Tür eilen, als die Lehrerin rein kam.
„Wo wollen sie hin, Miss...?", fragte sie mich.
„Nirgends", murrte ich und begab mich auf meinen Platz zurück. Die Lehrerin sagte uns, was alles dieses Jahr drankommen würde und begann, leider Gottes, sofort an zu unterrichten.
Der Rest des Tages war langweilig, nichts war los.
Nach dem Unterricht liefen Alan, Alex und ich zur Bushaltestelle und wollten auf den, wer hätte es gedacht, Bus warten. Bis dann ein schwarzes Auto anhielt und das Fenster runter ließ.
„Jo, kommt, springt rein, ich nehm euch mit!", rief mein Bruder Nova und wedelte mit der Hand, dass wir uns beeilen sollten. Ich guckte die Jungs an und zuckte mit den Schultern, was die beiden mir gleich taten.Wir wollten gerade los laufen, als Alex dann aber einen Anfall bekam und rannte, als ob sein Leben davon abhängen würde, los und riss die vordere Tür auf, ehe er auf den Vordersitz sprang.
Er drehte seinen Kopf zu uns und grinste, während er sich anschnallte. Wir sahen uns erneut an, liefen lachend los und setzten uns nach hinten. Alex und Nova redeten von den neuesten Spielen und machten Pläne, Alan blickte zu mir und deutete an, dass die beiden einen an der Klatsche hätten.
Wie recht du doch hast.
Grinsend, um nicht die Aufmerksamkeit der beiden auf mich zu lenken, nickte ich und zog mein Buch aus meiner Tasche. Als ich gerade anfangen wollte zu lesen, sah ich einen Rotschopf und blickte ihn an.
Och nö, bitte nicht der!
Er stand mit ein paar älter aussehenden Jungs an der Straße, die anderen Jungs sahen alle viel stylischer aus als er, jedoch wirkte er auch nicht fehl am Platz.
Lass dich mal von denen beraten, was du anziehen sollst, dann heißt es 'Bye Bye!' ausgelaufene Schuhe und die Kordhosen sind dann auch weg.
Die Ampel sprang auf rot und wir blieben auf ihrer Höhe stehen.
Nein, warum, Gott, warum?!
Als hätte das Universum was gegen mich, drehte er sich um und guckte mir direkt ins Gesicht.
Fuck, ich hab ihn angestarrt.
Ich wurde rot und betete, dass er es nicht bemerkt hatte, er jedoch kam auf das Auto zu und klopfte ans Fenster. Novas Kopf schoss in meine Richtung und er ließ das Fenster runter.
Ich hasse ihn ab und zu, aber nicht immer.
„Is was?!", kam es genervt von Nova.
„Naja ich fühle mich von der da...", er zeigte mit dem Finger auf mich, was meinen Bruder nur wütender machte, Hab ich erwähnt, dass er sehr beschützerisch ist? Nein? Dann jetzt.
„...ein wenig, aber auch nur ein wenig, gestalkt."
„Was kann ich dafür, wenn du hier, mit deinen Lackaffen, an der Ampel stehst wie ein Penner und das nun mal mein Nachhauseweg ist?! Da kannst du mir nix vorwerfen!", motzte ich los, um Nova nicht reden zu lassen.
„Und wenn du schon so freundlich bist, kannst du ja auch gleich mal vom Auto weggehen, aber warte, ich helfe dir gerne.", sagte ich und schubste ihn so fest, wie mir möglich, vom Fenster weg. Er stolperte sogar ein paar Schritte nach hinten und fiel auf den Hintern, da er gegen den Bordstein trat.
Seine Freunde fingen alle an zu lachen und das ließ das Fass überlaufen. Er sprang auf und kam schnellen Schrittes auf das Auto zu und gerade, als er die Tür öffnen wollte, schaltete die Ampel auf grün und Nova trat aufs Gaspedal. Leo sprang zurück.
Ha! Das hast du davon!

For the Love to MusicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt