rebel yell

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Es war ziemlich einfach, Mike zu etwas Neuem zu überreden. An einem Stand kauften wir uns beide eine Portion Bratnudeln vom Asiaten und dann wanderten wir zu-rück zum Wagen, ich definitiv aufgeregter als er. Wir beendeten unser kleines Mahl an der schmalen Wiese neben dem Auto. Unsere Knie berührten sich und sobald er fertig war, begann er gegen mein Bein zu schnipsen, damit ich mich ebenfalls beeilte. Es gefiel mir zu sehr, als das es tatsächlich etwas bewirken konnte und doch schrillten bei mir alle Alarmglocken gleichzeitig auf. Alles in mir warnte mich davor, schrie, dass ich nicht von zu Hause weggelaufen war, um mich an den nächst besten Mann zu binden, der sich mir vor die Füße warf. Ich hatte nicht so sehr um Freiheit gekämpft, um sie dann einfach so linksliegen zu lassen.

Aber andererseits, würde Mike niemals etwas tun, was mich einschränken würde. Und selbst wenn doch, konnte ich ihn hier zurücklassen und weiterfahren. Mir jemanden zur Gesellschaft suchen oder es sein lassen. Ich hatte meine Freiheiten und Mike war eine davon. Ich konnte mit ihm schlafen, wenn ich es wollte oder auch nicht. Es lag in meiner Hand. Er ließ mich wieder fahren, ich konnte entscheiden wohin uns diese Reise führte, wie weit es gehen sollte. Ich drehte das Radio so hoch, dass das ganze Auto zu vibrieren begann und sang den Text mit. Mike trommelte mit den Fingern auf dem Armaturenbrett, schien allerdings weder ein großer Fan von Billy Idol noch von Gesang zu sein.

Tatsächlich brauchten wir gar nicht lange zu fahren. So-bald wir erst aus der Stadt raus waren, fanden wir ein Schild, welches billige Zimmer vermiete und folgten ihm über eine Landstraße. Der Wagen holperte bei jedem noch so kleinem Schlagloch, ich machte mich nicht ein-mal mehr die Mühe, ihnen auszuweichen.

Auch Mike hielt sein Wort, bezahlte das Zimmer für eine Nacht und ließ mir den Vortritt unter die Dusche. Und verdammt tat es gut. Auch wenn das Wasser keinesfalls als heiß bezeichnet werden konnte, war es doch tatsächlich angenehmer eine ordentliche Dusche zu nehmen, als erfolglos inmitten eines Sees Sand aus seinem Haar zu spülen. Und weil ich gerade sowieso schon die Möglichkeit hatte, putzte ich mir erneut die Zähne, dieses Mal vor einem großen Spiegel, mit einem ordentlichen Waschbecken und fließendem Wasser statt einer Flasche. Als ich schließlich aus dem Badezimmer herauskam, lag Mike ausgestreckt auf dem Bett, den linken Arm übers Gesicht gelegt. Ich konnte nicht widerstehen, ihn ein weiteres Mal zu ärgern und kletterte auf das Bett. Er zuckte zusammen, als ich mich auf seinem Schoß nieder-ließ und meine Hände auf seiner Brust abstützte. »Hallo, Liebster«, schnurrte ich und grinste auf ihn herab.

»Du tust es schon wieder«, murmelte er und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Bin ich wirklich so leicht um den Finger zu wickeln.«

Ich lachte und beugte mich zu ihm herunter, so dass ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben konnte, meine Brust an seine gedrückt. Er hob seine Arme und strich mir mit den Fingern über die freie Haut zwischen Shirt und Hose, ich biss die Zähne zusammen. »Mit dir ist es wahrhaftig ein Kinderspiel.«

»Es fällt mir schwer zu glauben, dass es überhaupt einen Mann auf dieser Welt gibt, der dem widerstehen könnte.«

»Schwule«, schlug ich vor und lachte. Seine Hände fuhren etwas höher, über meine Rippen, erkundeten die harmlosen Stellen meines Körpers, dann drehte er uns beide herum. Für eine winzige Sekunde dachte ich, er würde mich vielleicht doch küssen, doch mit einem letzten Blick in meine Augen löste er sich von mir und stand auf.

»So möchte ich gerne jeden Tag geweckt werden.«

»Lässt sich arrangieren«, murmelte ich.

Mike zog die Augenbrauen hoch und schüttelte grinsend den Kopf. »Du schläfst mehr als ich«, bemerkte er schließlich und verschwand im Bad. Ich hingegen streckte mich kommentarlos auf dem Doppelbett aus und genoss die Stille. Hinter der geschlossenen Tür wurde die Toilettenspülung betätigt und gleich darauf sprang die Dusche an. Ich lauschte dem stätigen Wasser und konnte schon spüren, wie mir die Augen zu zufallen drohten. Entschlossen ihm keine Möglichkeit zu geben, mich aufzuziehen, rappelte ich mich auf und lief im Zimmer umher. Leerte meinen Rucksack aus, nur um ihn wieder zusammen zu räumen. Drehte den Wasserhahn in der kleinen Kochnische auf, füllte ein Glas, leerte es mit wenigen Schlucken und ließ es wieder mit Wasser volllaufen.

Mit dem kühlen Glas in der Hand drehte ich der kleinen Küche wieder den Rücken zu und nahm das Zimmer unter die Lupe. Es war mit dunklem Holz eingerichtet, die Bettwäsche sah altmodisch aus, die Lampe über meinem Kopf spendete kaum Licht und eine Fliege schwirrte um sie herum. Die Fenster waren sauber, zur Hälfte von schweren, großmütterlichen Gardinen verdeckt. So je-denfalls würde ich mir das Zuhause einer alten Dame vor-stellen, mit all den Blümchen und den Cremefarben, selbst der Fernseher schien aus einer Zeit, lange vor meiner Geburt zu stammen. Ich zippte mich gerade durch die unterschiedlichen Kanäle, als Mike wieder aus dem Bad heraustrat, das Haar nass und bloß in ein Handtuch gewickelt. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Ge-sicht aus, als er meinen Blick bemerkte. Ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, wandte ich mein Gesicht wieder dem Bildschirm zu.

»Du bist also ein Fan von Talkshows?«, bemerkte er und stellte seinen Rucksack neben mir auf dem Bett ab.

»Eigentlich nicht, nein, aber etwas Besseres gab es gerade nicht.« Mike beugte sich über das Bett und zog sein Handy vom Ladegerät ab, dann reichte er mir das Gerät.

»Vierzehn, null, fünf«, sagte er. »Falls dir langweilig werden sollte.« Mit diesen Worten verschwand er mit einem Haufen Kleidung unterm Arm wieder im Bad. Ich kam nicht drum rum ihm hinterher zu sehen.

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