footloose

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Es erschien mir schon fast surreal mit Harley zusammen durch die Straßen zu ziehen, auf der Suche nach einem Pub oder einem Club, in dem wir uns betrinken könnten. Sie hatte sich bei mir untergehakt, den Kragen ihrer Jacke aufgestellt und den Kopf eingezogen, um sich vor dem kalten Wind zu schützen. Es fühlte sich richtig an, so eng bei einander zu gehen, ihren Arm an meinem zu spüren. Überhaupt schien mir mein ganzes Leben vor ihr eine Unendlichkeit zurück zu liegen. Kaum vorstellbar, dass ich bei meinem Bruder auf der Couch geschlafen, jeden Tag in dem Kuhkaff durchgestanden, mir selbst jedes Mal das Versprechen abgerungen, irgendwann abzuhauen und doch niemals irgendetwas selbst in die Hand genommen hatte. Die gesamte Reise, das Mädchen an meiner Seite erschienen mir wie ein Traum, eine Unmöglichkeit.

Harley entdeckte den Club als erstes und zog mich zielstrebig die Treppen hinunter. Er war nicht sonderlich groß, doch die Musik war gut gewählt und die anderen Gäste tanzten bereits ausgelassen miteinander. Wir verstauten beide Jacken in meinem Rucksack und gaben sie an der Garderobe ab, dann zog ich sie zur Bar. »Ich hätte nicht erwartet, dass hier so viel los sein wird.« Ich genoss die erzwungene Nähe zwischen uns. Harley zog sich auf den Hocker und drehte mir das Gesicht zu. Ihr Knie berührte mein Bein, doch ich versuchte, nicht allzu sehr an ihre Nähe zu denken. Der Barkeeper reagierte, als ich die Hand hob und ich bestellte vier Tequila Shots. Wir prosteten einander zu, sahen uns in die Augen und kippten den Alkohol mit einem Zug herunter. Harley verzog das Gesicht, dann lehnte sie sich vor und hakte ihren Daumen in meiner Gürtelschlaufe ein. »Lass uns tanzen.«

Da sie keine Anstalten machte, ihren zweiten Shot zu trinken, kippte ich beide in mich hinein und ließ mich von ihr in die Menge ziehen, legte ihr die Hände an die Taille und zog sie näher an mich heran. Ihre Hände strichen mir übern Nacken, hinterließen eine kribbelnde Spur, dann löste sie sich aus meinem Griff und wirbelte herum, schüttelte das lange Haar und wippte zu einer Melodie, die wohl nur sie hören konnte. Ich grinste, schnappte mir wieder ihre Hand und ließ sie unter meinem Arm eine Pirouette drehen.

Wir tanzten wild hüpfend, tranken, und schmiegten uns gleich darauf wieder aneinander. Als der Club nicht mehr ausreichend war, holten wir unsere Sachen von der Garderobe und verließen ihn, tanzten zu Musik aus meinem Handy durch die Straßen. Wir sprangen zu Footloose über Bordsteinkanten und Wurzeln, drehten Kreise, wirbelten herum. Mal ganz dicht beieinander, mal stieß Harley sich von mir ab reckte die Arme in die Luft und tanzte so ausgelassen, dass es mir den Atem verschlug. Als mein Handy schließlich zum nächsten Lied überging, tanzten wir auf der Mauer in Nähe unseres Hotels, ohne uns zu berühren.

»Tell me about it, stud«, sprach sie den Text mit und kam mir dabei so nahe, dass es ein leichtes wäre, sie zu küssen.

»I got thrills they're multiplying / And I'm losing control / 'Cause the power you're supplying / it's electrifying«

Harley brachte ein Lachen hervor. »Du kannst es ja doch!«

»Aber sicher doch«, entgegnete ich.

»You better shape up, 'cause I need a man / And my heart is set on you«, übernahm sie die nächste Zeile und drehte sich von mir weg. Ich folgte ihr, bekam ihre Hüfte zu fassen und zog sie mit von der Mauer. Sie kreischte auf, wir landeten auf dem Rasen, stolperten über die Wurzeln eines naheliegenden Baumes und landeten nebeneinander auf dem Boden. »Du Arschgeige«, lachte Harley. »Wenn du dir was gebrochen hast, bringe ich dich um.«

Ich drehte mich zu ihr um und zog mich über ihren Körper, die Arme links und rechts neben ihrem Kopf abgestützt. Wir blickten einander in die Augen und Harley reckte das Kinn etwas höher, fuhr mit den Fingern unter mein Shirt. Ich strich mit der Rechten über ihre Wange, fuhr ihr durchs Haar und drückte meine Lippen endlich auf die ihren.

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