Kapitel 5

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Ein Schwert ist eine Hieb- und Stichwaffe mit gerader oder gebogener, ein- oder zweischneidiger Klinge, Griff und, je nach Epoche und Herkunftsland, Parierstange und Knauf.

sagt mir mein Kopf ohne dass ich danach gefragt hätte.

Mein Lehrer im Schwertkampf hat mir gerade die Frage gestellt, was denn ein Schwert sei. Sie alle denken, es würde mir nicht auffallen, dass sie mir immer wieder mitten im Gespräch Fragen stellen, die den DAZ und das gespeicherte Wissen testen. Aber es fällt mir auf und so langsam beginnt es mich zu nerven.

Es ist, als würde mein Gehirn nicht länger mir gehören. Das sagt zumindest mein Herz. Doch mein Herz und mein Gehirn sind da getrennter Meinung. Es scheint, als gehören sie nicht mehr länger der gleichen Person. In meinem Kopf flüstert mir diese kleine, sanfte Stimme nämlich ein:

Der König ist der Gute. Ihm und dem Chip wirst du noch dein Leben verdanken. Sei ihm dankbar und richte deinen ganzen Hass auf diese eine Person auf Eris- richte ihn auf Gyde. Sie will alles zerstören, was dir hier auf Eos wichtig ist. Du bist der Auserwählte, du wirst sie umbringen!

Ich zucke leicht zusammen, weil die Stimme am Ende immer lauter und hasserfüllter wird.

"Wollen Sie mir heute noch antworten oder wissen sie die Antwort überhaupt nicht?", reist mich der Lehrer aus meinen Gedanken.

"Doch, natürlich weiß ich es. Entschuldigen Sie bitte, ich war in Gedanken schon dabei die Halbgöttin mit einem Schwert zu töten.", antworte ich, auch wenn die nervtötende Stimme in meinem Kopf wegen der Lüge laut protestiert.

Sie wird immer selbstständiger, unabhängiger von mir und hat an allem was ich sage oder tue etwas zu kritisieren. Mir kommt es vor, als wäre der Chip nicht irgendein elektronisches Hilfsmittel, sondern als wäre er ein eigenes Lebewesen, dessen Gedanken in meinem Kopf herumgeistern.

"Ein Schwert ist eine Hieb- und Stichwaffe mit gerader oder gebogener, ein- oder zweischneidiger Klinge, Griff und, je nach Epoche und Herkunftsland, Parierstange und Knauf.", antworte ich also auf seine Frage, die er schon vor fünf Minuten gestellt hat. Dabei ahme ich die Stimme in meinem Kopf überraschend gut nach.

"Das ist genau richtig. Allerdings ist das Schwert, dass Sie bei Ihrer Mission benutzen werden von den Schmieden des Königs speziell dafür hergestellt worden. Es sieht anders aus als ein normales Schwert und hat auch noch weitere Funktionen, von denen Sie unter keinen Umständen Außenstehenden erzählen dürfen."

Was soll das denn jetzt schon wieder heißen: Weitere Funktionen? Und warum darf ich Außenstehenden nichts davon erzählen? Wer gilt überhaupt als Außenstehender und wem sollte ich es schon erzählen? Ich habe ja schließlich niemanden mehr hier auf Eos... - niemanden außer... außer Sola...NEIN!

Das nicht auch noch, die Arme. Ich habe sie ganz vergessen in der ganzen Aufregung. Sie wird enttäuscht sein von mir. Ich habe sie verletzt, obwohl ich sie mag und sie meine Freundin ist - meine beste Freundin... Ich denke sogar, wenn es die elf Zeremonien hier auf Eos nicht geben würde, wären wir vielleicht ein Paar geworden. Wir hätten geheiratet, Kinder bekommen, wären zusammen alt geworden... Wenn es die Zeremonien nicht geben würde.

Aber jeder hier aus Eos hat schon seit der Geburt einen vorbestimmten Partner. Das Datum der Hochzeit steht dann auch schon fest und mit dem 17. Lebensjahr wird einem der Name und der Wohnort der Person mitgeteilt. Dann erwartet der König, dass man sich trifft und sich in einander verliebt. So wie es schon seit vielen Generationen ist. Sola ist schon vor einem halben Jahr siebzehn geworden und...

"... das ist aber sehr gefährlich. Haben Sie mich verstanden?", reist mich der Lehrer schon ein zweites Mal heute aus meinen Gedanken.

"Ja klar... äh...äh... könnten Sie es nochmal wiederholen, bitte?"

Er runzelt seine Stirn und schaut mich genervt, mit einem drohenden Blick an. Er sieht sehr wütend aus.

"Für was machen wir das hier überhaupt?", beginnt er zu schreien und ich zucke unwillkürlich zusammen.

Dann besinnt er sich aber, atmet drei mal tief ein und aus und erklärt es mir noch einmal.

~°~

Nun stehe ich also hier, vor dem riesigen Raumschiff, ausgerüstet mit allen möglichen Hilfsmitteln, die mein Überleben gewährleisten sollen. Von der Hälfte weiß ich selbst nicht einmal wie man sie bedient. Aber mein Kopf weiß es und ich bin mir sicher dass die immer mächtiger werdende Stimme in meinem Kopf mir helfen wird, wenn es ernst wird.

In den letzten Tagen und Nächten habe ich etliche Interviews mit neugierigen Journalisten, die alle noch auf eine Story à la "Er muss auf einem fremden Planeten einsam sterben" aus waren hinter mich gebracht.

Man kann sich bestimmt vorstellen, dass dies nicht gerade dazu beigetragen hat, den Optimisten in mir wieder aufleben zu lassen. Ganz im Gegenteil, ich bin mittlerweile der Meinung, dass ich beim Tiefpunkt meines Lebens angekommen bin. Tiefer geht gar nicht.

Auch die vielen Gespräche mit dem König haben meine Vorfreude auf die Mission nicht steigern können. Er hat zwar versucht mir ein wenig Mut zu zusprechen, indem er mir erklärt hat, welche Fortschritte ich im Kampftrainig gemacht hätte, aber seine Mahnungen waren auch deutlich genug. Immer wieder dieses "Du darfst nicht versagen!" "Du bist Schuld wenn Eos zugrunde geht!" "Du trägst die Verantwortung!".

Einzig und allein das letzte Gespräch mit Sola hat geholfen. Da merkt man wieder, wie gut wir uns mittlerweile schon kennen. Sie hat mir erklärt, dass ich es schon schaffen werde. Wenn nicht wäre sie aber auch nicht enttäuscht von mir, da sie weiß, dass ich mein Bestes geben werde.  

"Nun steigen Sie schon ein!" murrt der König.

Was hat der denn zu murren. Ich hätte wenigstens einen Grund dazu, aber er sollte mir dankbar sein, dass ich diese Mission überhaupt versuchen will.

"Aber gerne doch, Hoheit!", sage ich in der nächsten Sekunde, und bin gleich darauf so geschockt, wie noch nie zuvor.

Die Stimme ist mächtiger als ich je gedacht hätte. Der Chip veranlasst mich dazu Dinge zu tun, die ich ohne ihn niemals tun würde. Und dann realisiere ich, dass das nicht das erste Mal war. Gleich nach der Operation, als ich noch geschwächt war, ist es auch geschehen. Das war schon das zweite Mal!

In meinem Kopf höre ich ein hämisches Lachen, dass gleiche Lachen, wie es gerade neben mir ertönt. Ich starre die Person rechts von mir mit weit aufgerissenen Augen ängstlich an, während mir die ganze Tragweite der Operation und der gerade gewonnenen Erkenntnisse bewusst wird.

Ich bin nicht länger Ich, meine Gedanken gehören nicht länger mir. Ich bin machtlos und der König hat die Kontrolle über mich übernommen.

~°~

Vielen Dank für eure Unterstützung und die süßen Kommentare:* Ihr seid echt die Besten! 

Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen und ich würde mich auch bei diesem Kapitel sehr über eure Meinung freuen:)

Dieses Kapitel widme ich tanja2108. Sie ist die allerbeste Freundin, die man sich wünschen kann.

Tanja, ich bin so froh dich zu haben:) Ohne dich würde es diese Story ganz bestimmt nicht geben .

DANKE! Für alles! 

Eos - Auf Hass ProgrammiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt