Kapitel 3

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Ein höhnisches Lachen hallt durch die endlosen, dunklen Flure des Palastes - nein, nicht irgendein Lachen, MEIN Lachen. Wie kann man nur so blöd sein, so naiv? Ein kleiner, normaler Mensch soll mich davon abhalten Eos anzugreifen?- Mich, eine unsterbliche Halbgöttin? Mich, die unbesiegbare, mächtige Gyde? Ich meine, wie absurd ist das denn! Weiterhin spöttisch vor mich hin grinsend laufe ich auf den breiten, einladenden Treppen des riesigen, grauen Palastes vom Speisesaal in meine Schlafgemächer um mich ein wenig auszuruhen. Auf dem Weg begegnet mir komischerweise kein einziger meiner Diener. Sonst schleichen sie immer irgendwie um mich herum und wollen mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Ich bin mir sicher, dass sie sich heimlich, in ihren tiefsten Träumen, wünschen, Gedanken lesen zu können. Dann könnten sie mich noch glücklicher machen und ich bräuchte meine Bitten erst gar nicht laut zu äußern. - Lächerlich. Armselig. Selbst meine Diener haben so eine riesige Angst vor mir. Wie muss es da erst diesem Bewohner von Eos ergehen, der vom königlichen Orakel auserwählt wurde um mich zu stoppen? Ich könnte ihn vernichten lassen, sobald er auch nur einen Fuß auf meinen Planeten setzt...

Aber nein, das wäre nicht nach meinem üblichen Schema. So bin ich nicht. Warum sich die Mühe machen jemanden umbringen zu lassen, der einem noch nicht einmal von Nutzen war? Erst muss er seine Pflicht mir gegenüber erfüllen. Wenn er dann nach einem schnellen Tod bettelt - was er definitiv tun wird - ja, vielleicht erfülle ich ihm dann seinen Wunsch.

Vor mir erstreckt sich der lange, in hellgrau gehaltene Korridor, der zu meinen Schlafgemächern führt. Ich eile ihn entlang. Von den Seiten blicken mich etliche Statuen an, die meine Eltern hier haben aufstellen lassen. Es sieht fast so aus wie in einem Museum. Als ich die Abbiegung zu meinem Zimmer entlang eile, höre ich hinter mir schnelle, durch den Teppich gedämpfte Schritte. "Hoheit, Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen!", ertönt die Stimme von Omar hinter mir. Er ist der älteste Diener hier - und der vertrauenswürdigste, aber im Moment bin ich zu müde um mich um ihn zu kümmern und so fauche ich ihn grob an: "Verschwinden Sie! Ich habe gerade Wichtigeres zu tun!"

"Aber... aber es geht um... es geht um... Ich... Ich wollte Ihnen sagen..", stottert er, überrascht von meiner heftigen Abfuhr. Er geht mir auf die Nerven mit seinem Gestotter und da er es nicht schafft einen zusammenhängenden Satz zu formulieren, beschließe ich, dass es warten kann. "Später!" Ich mache ihm mit einem Winken deutlich, dass er mich jetzt in Ruhe lassen soll. Dann drücke ich den Türgriff zu meinen Gemächern nach unten und betrete mein in pink gehaltenes Zimmer. Das mag vielleicht kitschig klingen - ein pinkes Zimmer für eine Königin, eine Halbgöttin?! Ja, man vergisst leicht, dass ich trotz allem noch ein Teenager bin. Ich habe schließlich, im Gegensatz zu "normalen" Jugendlichen schon viel erlebt - zu viel, wenn ihr mich fragt. Überall sieht man nur Hass, Wut, Trauer, Enttäuschung. Genau die Dinge, mit denen ich auch aufgewachsen bin. Ich kenne keine Freundschaft, habe mich noch nie verliebt. Aber trotzdem bin ich im Großen und Ganzen glücklich mit meinem Leben. Gut, als Glück kann man das vielleicht nicht bezeichnen, aber ich denke das Wort Zufriedenheit drückt es schon ganz gut aus, was ich empfinde.

Ich lasse mich vorwärts in mein hohes, kuscheliges Himmelbett fallen und bin von fast hundert flauschigen Kissen umgeben. Nur kurz schließe ich meine Augen, schon triffte ich ab ins Reich der Träume.

 ~°~

 Vor mir steht ein Junge in meinem Alter. Er fesselt mich mit seinem Blick - mit seinen wunderschönen, himmelblauen Augen.. Ich bin erstarrt und kann mich nicht bewegen, auch wenn ich es wollte, es geht einfach nicht. Er kommt näher, es scheint als wollte er mich küssen. Aber nein, sein Mund wandert zu meinem Ohr. Mit einer tiefen, männlichen Stimme flüstert er bedrohend in mein Ohr und wenn ich vorher noch bezaubert von ihm war, so ist dieses Gefühl jetzt zu einer Art Faszination geworden. Aber da ist noch ein anderes Gefühl. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber tief in mir drinnen, in meinem Bauch, da spüre ich ein warmes Kribbeln, dass sich immer weiter ausbreitet. Und genau dieses Gefühl lässt mich an seinen geflüsterten Worten zweifeln. Spürt er denn nicht das Gleiche wie ich? Warum will er mich umbringen?

Ich will ihn nach seinem Namen fragen, doch mein Mund ist trocken und ich bringe kein einziges Wort über meine Lippen. Aber der Junge scheint meine Gedanken  zu erraten. "Nenn' mich Cane!", sagt er mit einem geheimnisvollen Unterton in seiner Stimme. Dann löst er sich in schwarzen Rauch auf und ich erwache schreiend aus meinem Traum.

~°~

Ich sitze hinter meinem riesigen Mahagoni Schreibtisch und bearbeite die hohen Berge von Akten. Gerade lese ich mir Klagen der Bewohner meines Planeten durch und wieder einmal wundere ich mich, über was die sich immer aufregen: zu hohe Steuern, zu hohe Preise in den Läden, unfaire Gerichtsurteile, ein nicht gerechtfertigtes Todesurteil, das Wetter - hatten die Leute denn nichts besseres zu tun? Was konnte ich für das Wetter? - und vieles mehr. Immer noch ein wenig vor mich hin träumend und mit meinen Gedanken beim Traum vom Nachmittag starre ich durch das hohe, von dunkelroten Vorhängen, umsäumte Fenster hinaus auf meinen Rosengarten. Was hatte der Traum zu bedeuten? Treffe ich bald meinen Traumprinzen mit blauen Augen und bronzefarbenen Haaren? Aber warum sollte der mich dann umbringen wollen? Fragen über Fragen und auf keine einzige habe ich eine Antwort.

Ein Klopfen an der Tür lenkt mich von meinen Gedanken an den seltsamen Traum ab.

"Herein!", schreie ich schroff. Ein junger Diener tritt ein. "Hoheit, ich habe weitere Informationen von unseren Kundschaftern von Eos erhalten. Wenn es Ihnen gerade passt würde ich erzählen, was sie mir berichtet haben."

"Ja, ja. Machen Sie schon!", fahre ich ihn an.

 ~°~

"... Naja und nun hat der König beschlossen, dem hilflosen Jungen einen Chip namens DAZ einpflanzen zu lassen. So kann er uneingeschränkt über das gesamte Wissen der Menschheit verfügen. Er wird alles wissen. Er wird ein Roboter des Königs sein. Stellen Sie sich das einmal vor, Hoheit! Er kann sich nicht mal dagegen wehren. Dieser Chip ist seine letzte Hoffnung - die letzte Hoffnung für den ganzen Planeten Eos."

Schon wieder grinse ich abwertend. Was für Versager! - der Chip wird dem Jungen überhaupt nichts helfen. Aber wie heißt der Auserwählte denn überhaupt? Ich frage meinen Diener danach. Eine Vorahnung habe ich allerdings schon und diese wird auch sogleich von dem jungen Mann bestätigt: "Sein Name ist Cane, Hoheit."

Ich erstarre in meiner  Bewegung. Cane also - der Junge aus meinem Traum. Ich schlucke schwer und ein Klos bildet sich in meinem Hals - doch kein Traumprinz für mich. Er ist ja mein Feind, wenn man es genau nimmt.

Wenn man mal genauer darüber nachdenkt, war er ja in meinem Traum auch nicht so gut aussehend versuche ich mir selbst einzureden. - Ohne Erfolg. Ich meine wer kann schon  blauen Augen widerstehen. In ihnen sieht man den unerreichbaren Himmel, die endlose Weite der Ozeans.

Ich probiere mir einzureden, dass sein Name total schrecklich ist. Was für Eltern müssen das sein, die ihr Kind Cane nennen. Man würde den Namen schließlich mit Gehstock oder  Kückstock übersetzen. - Aber ich muss zugeben, dass ich den Namen wundervoll und geheimnisvoll finde.

Nein, Gyde! Stopp! Cane ist böse. Armselig. Dein Gegner. Und vor allem nicht irgendein Prinz! "Hör auf mit deiner Schwärmerei!", ermahne ich mich selbst. "Du wirst ihn töten. - töten müssen.", will mir Mut zusprechen.

Und überhaupt es ist ja nicht so, dass er mich auch mag. Ich will schließlich seinen Heimatplaneten angreifen. Er sieht mich bestimmt als Feindin an. Er wird mich hassen.

Zu diesem Zeitpunkt weiß Gyde aber noch nicht, wie richtig sie mit ihrer Vermutung liegen würde. Und auch Cane, der gerade auf seinem eigenen Planeten, auf Eos, operiert wird, weiß nicht, dass der Chip, der ihm sogleich eingepflanzt wird auf Hass vorprogrammiert ist.

 

Eos - Auf Hass ProgrammiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt