Als mein Wecker um 5 Uhr morgens klingelte, stand ich wie jeden Tag auf, zog meine Hausboots an und machte mich auf den Weg in mein Badezimmer. Wir lebten schon seit ich denken konnte in unserem Haus in Ontario. Ich war meinen Eltern immer dankbar dafür gewesen, dass sie nie mit uns umgezogen waren. Hope und ich waren beide hier aufgewachsen und es steckten so viele Erinnerungen in diesem Haus. Vor einigen Wochen hatten meine Eltern den Garten umgebaut und eine Kiste gefunden, die Shawn und ich dort vergraben hatten, als wir zusammen im Kindergarten waren. Ja, der Shawn, der inzwischen ein berühmter Popstar war und Millionen Mädchenherzen höher schlagen ließ. Leider hatte unsere Freundschaft nach dem Kindergarten ein trauriges Ende gefunden, denn er ging auf eine andere Grundschule als ich und hatte dort wohl einen neuen besten Freund gefunden, aber die Box, mit den Gegenständen die damals unsere Freundachaft besiegeln sollte, besaß ich immer noch. Ich dachte heute noch sehr gerne an diese Zeit zurück, hatte aber seither keinerlei Kontakt mehr zu Shawn. In der Schachtel befanden sich unsere beiden Freundschaftsarmbänder, die wir im Kindergarten gebastelt hatten und dementsprechend sahen sie auch aus. Des Weiteren hatte ich darin eine silberne Kette mit einem kleinen Amulett gefunden. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass Shawn sie in die Kiste gepackt hatte und um ehrlich zu sein, sah sie sehr wertvoll aus. Außerdem waren ein paar gemalte Bilder von uns mit in der Kiste und kleine Zettel, auf denen wir den Namen des anderen geschrieben hatten mit einem Herzchen dahinter. Ich war so dankbar für diese Erinnerungen und musste immer wieder an sie denken, wenn ich Shawn im Fernsehen sah oder seine Lieder hörte. Ich fragte mich immer wieder, ob er sich wohl noch an mich erinnern konnte. Ich war total begeistert von seiner Musik und es war schön zu sehen, dass er sich zu so einem tollen Mensch entwickelt hatte, nicht dass er als Kind nicht schon liebeswert gewesen wäre.
Von einem Bellen wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Vor wenigen Tagen hatten wir uns einen kleinen Hundewelpen zugelegt, Bucky, ein kaukasischer Schäferhund. Er sah aus wie ein knuddeliger, kleiner, flauschiger Bär und rannte schon total aufgedreht seine Runden an diesem Morgen. Ich lebte hier mit meinen Eltern, meiner Großmutter und meiner Schwester Hope. Hope war 17 Jahre alt und ging noch zur Schule, aber sie befand sich in ihrem letzten Jahr. Sie war mehr als nur meine Schwester, sondern auch meine beste Freundin und definitiv meine Seelenverwandte. Sie war meine bessere Hälfte und ich liebte sie wirklich unendlich doll, so sehr wie es Worte gar nie beschreiben könnten. Wir gehörten nie zu den Geschwistern, die sich ständig stritten, überhaupt gar nicht eigentlich. Seit dem Tag, an dem sie in mein Leben trat, hatte ich mich sofort in sie verliebt und könnte mir ein Leben ohne eine Schwester gar nicht mehr vorstellen. Es ist einfach immer jemand da, wenn deine Eltern es nicht sind und das kann sehr viel wert sein im Leben. Außerdem teilten wir beide die Leidenschaft auf Konzerte zu gehen und hatten auch die Möglichkeit unsere Lieblingskünstler schon live zu erleben, wofür wir jedes Mal aufs neue dankbar waren. Hope liebte es zu Fotografieren und sie hatte wirklich ein Auge dafür. Dank ihrem Talent, hatten wir beide die schönsten Bilder als Konzerterinnerungen, die wir alle in einem schönen Fotoalbum festhalten wollten, zusammen mit allen Konzertkarten, die wir extra aufgehoben hatten.
Mein Traum war es Schriftstellerin zu werden und daran arbeitete ich gerade fleißig. Ich machte eine Ausbildung bei einem großen Buchverlag, in der Hoffnung irgendwann die Chance zu haben, meine eigenen Ideen einzubringen. Es gab viele Geschichten, die noch unvollständig zu Hause auf Zettel gekritzelt waren. Ich war meistens von morgens bis abends dort und hatte massenhaft Arbeit. Es war zwar nicht gerade das, was ich mir unter dieser Ausbildung vorgestellt hatte, aber jeder Weg nach oben ist schwer, oder nicht?
Ich machte mich im Badezimmer schnell zurecht, legte nur etwas Mascara auf und band meine langen, lockigen, braunen Haare zu einem Zopf zusammen. Zu spät kommen konnte meine Chefin nämlich gar nicht leiden. Ich saß in der Bahn und starrte in dieselben mürrischen Gesichter wie jeden Tag. Wäre ein kleines Lächeln am Morgen denn wirklich zu viel verlangt? Das schönste am Morgen war Faith zu sehen, sie war meine beste Freundin und arbeitete während ihres Studiums bei Starbucks und ich holte mir jeden Morgen eine heiße Schokolade bei ihr ab. Jeder Besucher konnte sich wirklich glücklich schätzen von ihr bedient zu werden.
"Lass dich heute nicht wieder ärgern, ja?"
"Ich werd's versuchen", sagte ich und nahm einen kleinen Schluck von meiner heißen Schokolade. Von dort aus lief ich wie jeden Morgen zur Arbeit einmal durch die Innenstadt. Ich liebte es zur Arbeit zu gehen, auch wenn meine Chefin wirklich streng sein konnte, kam ich mit ihr sehr gut klar. Es durfte nicht eine schlechte Note in der Berufsschule sein und man hatte sich selbst ins Abseits befördert. Ich teilte mir ein Büro mit der anderen Auszubildenden hier beim Verlag, Alexandra. Was soll ich sagen, normalerweise komme ich wirklich mit jedem Menschen gut aus, aber nicht mit ihr. Ich versuchte wirklich immer freundlich ihr gegenüber zu bleiben, was ich auch immer schaffte, sie aber nicht. Ich weiß nicht wie oft sie ihre Fehler schon auf mich abgewälzt hatte, oder sich Lob eingeholt hatte, das eigentlich mir zugestanden hätte, aber man will ja nicht so sein.
Ich war ja schon immer früh bei der Arbeit, aber sie bestand immer darauf die erste zu sein, was auch immer sie davon hatte.
"Guten Morgen." Ich lächelte sie an, als ich mich auf meinen Platz ihr gegenüber fallen ließ.
Sie warf mir nur einen kurzen Blick über den Computerbildschirm zu und tippte dann wieder wild auf die Tasten. Okay, dann eben kein guten Morgen, dachte ich mir und hing meine Jacke über meinen Stuhl und machte meinen PC an.
"Maybelle? Denkst du, du könntest heute noch einen Teil meiner Arbeit übernehmen? Sylvia hat mich heute gebeten in eine wichtige Besprechung mit zu kommen." Sylvia? Sie nannte unsere Chefin jetzt also schon beim Vornamen?
"Was für eine Besprechung denn?"
"Ich muss einfach nur wissen, ob du meine Arbeit machen kannst, okay?" Ich hatte schon verstanden, dass ich definitiv nicht erwünscht war.
"Ja, mache ich doch gerne", sagte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Alexandra stand auf, knallte einen Stapel Papiere vor mir auf den Tisch.
"Ein bisschen Ablage, das machst du doch so gerne." Sie stöckelte mit ihren hohen Schuhen, auf denen sie nebenbei bemerkt überhaupt nicht laufen konnte, aus dem Büro und schlug die Türe hinter sich zu. Ich schnaufte einmal laut aus, bevor ich einfach meine Arbeit erledigte und versuchte mich nicht darüber aufzuregen, dass sie scheinbar ein besonderes Verhältnis zu unserer Chefin hatte.
"Guten Morgen, Sonnenschein." Casey stand breit grinsend in meinem Büro. Seine blonden schulterlangen Haare hatte er zu einem Dutt zusammengebunden.
"Endlich bist du wieder hier", quietschte ich aufgeregt und rannte ihm entgegen, direkt in seine Arme.
"Ich bin auch froh dich zu sehen, trotzdem wäre eine Woche länger Urlaub auch nicht schlecht gewesen." Er sah erholt aus und hatte ein frisches Lächeln auf den Lippen.
"Na, frag mich mal. Ich durfte hier alleine ausharren mit Alexandra, ich hätte die Tage ohne dich fast nicht überlebt." Casey war ein wahrer Sonnenschein und die gute Seele in diesem Unternehmen. Er war zwei Jahre älter als ich und schon länger hier beim Verlag und ziemlich erfolgreich.
"Hast du wieder was zum Lesen für mich?", fragte er und lehnte sich gegen meinen Schreibtisch, während ich mich an die Arbeit machte.
"Ja, aber es ist wirklich nicht so gut und auch nur so eine Idee."
Er verschränkte die Arme vor seiner Brust und schüttelte den Kopf.
"Du hast Talent, May. Wann glaubst du mir das endlich?"
"Ich bin nur die Auszubildende hier, Casey. Es interessiert nicht was ich schreibe", sagte ich schulterzuckend.
"Ja, noch bist du die Auszubildende und ich will nicht, dass du deine Träume so schnell wegwirfst, also her mit der Geschichte."
Ich drückte ihm ein paar zusammengeheftete Blätter in die Hand. "Und jetzt ran an die Ablage, ich hole dich zur Mittagspause ab", sagte Casey und verließ lächelnd das Büro. Wie konnte ein Mensch nur so fröhlich und immer gut gelaunt sein? Ich war so dankbar, ihn zu meinen engsten Freunden zählen zu dürfen. Man musste ihn einfach lieben! Sein Lächeln und seine offene Art verzauberten wirklich jedermann. Er gehörte eigentlich auch schon zur Familie und war oft bei uns zu Hause. Er war wie ein Bruder für Hope und mich, der sich auch nicht zurückhalten konnte, unsere Sachen aus dem Kühlschrank zu essen. Gut singen und Gitarre spielen konnte er zudem auch noch. Manchmal fragte ich mich wirklich wie es möglich war, dass es Menschen gab, die mit so vielen Talenten auf einmal gesegnet waren und andere, wie ich beispielsweise, die einfach gar kein Talent hatten. Ich konnte weder gut kochen, backen, tanzen und singen erst Recht nicht, außer in der Schule, da war ich wirklich gut, aber selbst das war nicht immer so. Kaum zu glauben, aber ich musste erst sitzen bleiben um aufzuwachen. Ich hatte immer durchschnittliche Noten und bin auch eine ganze Weile ohne zu lernen damit durchgekommen. Inzwischen hatte ich nur noch sehr gute Noten und ich hätte mir gewünscht, dass mein jüngeres Ich schon früher erkannt hätte, wie schön es sein kann super Noten zu bekommen, wenn man lernte. Naja, um die Ablage zu machen hätte ich die guten Schulnoten zwar nicht unbedingt gebraucht, aber wenn ich mir Alexandra ansah, die es wirklich schaffte alles komplett falsch im Alphabet einzuordnen, begann ich manchmal wirklich an ihrem Können zu zweifeln. Als ich mich umdrehte sah ich Casey durch mein Fenster, wie er den gläsernen und komplett einsichtigen Flur durchquerte und mich wieder nur anlächelte und seine Augen dabei so niedlich klein wurden. Ich warf ihm lachend einen Luftkuss zu und machte mich schließlich konzentriert an die Arbeit.
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In My Blood - Shawn Mendes FF
FanfictionMaybelle ist 20 Jahre alt, hat die Schule bereits beendet und will endlich ihrem Traum nachgehen und Schriftstellerin werden. Alles schien in Ordnung zu sein, bis sich ihr Leben schlagartig veränderte. Maybelle wird nie wieder so sein, wie sie vorhe...