2. Kapitel

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„Es ist doch gut, wenn man nicht vergessen wird, wenn man einfach nicht mehr da ist."

Karin Noske, „Der Lehrer", Staffel 7, Folge 4, „Einfach mal Klartext geredet..."

Plötzlich spürte Stefan eine kleine Last auf seiner Brust und leichte Berührungen von Fingerchen und weichem Stoff in seinem Gesicht, die ihn langsam aus seinen Träumen weckten. Schläfrig öffnete er seine Lider, sodass ihn zwei blaue Äuglein müde anstarrten, die ihn so sehr an seine Frau erinnerten. Dieses unverwechselbare Blau, bei dem er jedes Mal dachte, dass er sich im endlosen Meer verlieren würde. Kleine Händchen klammerten sich an seine Wangen und ihre Nasenspitzen berührten sich, während Stefan komfortabel auf seinem Rücken auf der Matratze lag. Es dauerte einige Momente bis er aus der Träumerei seiner Erinnerungen den Weg in die Realität fand und er blinzelte mehrfach, um diesen Vorgang ein wenig zu beschleunigen.
„Guten Morgen, Papi", griente ihm seine fast vier Jahre alte Tochter verschlafen entgegen und lächelte selig, während sie mit ihrem linken Fäustchen ihr Auge rieb.
„Guten Morgen, meine Maus. Hast du gut geschlafen?", erkundigte sich Stefan liebevoll mit einer noch leicht rauen Stimme bei seinem Mädchen und gab ihr ein zärtliches Küsschen.
„Papi, dein Bart kratzt", quietschte Frida und versuchte sich aus seiner treu sorgenden Umarmung zu befreien, was ihr jedoch nicht gelang.
„Dann muss ich wohl mal meinen Rasierer suchen", schmunzelte er und strich sich dabei mit der flachen Hand über seine Wangen, was sie mit einem ernsten Nicken bestätigte.
Frida rückte ein wenig von seinem Gesicht ab und platzierte ihre Händchen übereinander auf seinem Brustbein. Sie machte es sich mit ihrem Bauch auf seinem Oberkörper bequem, sodass die beiden sich vertraut in die Augen schauen konnten. Sie pustete sich eine wirre, blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und ihre Lippen zierten ein zartes Lächeln. Mit seinen Fingerspitzen kraulte Stefan sanft über ihren mit einem rosa Schlafanzug bedeckten Rücken. Die morgendlichen Kuscheleinheiten waren in den letzten Jahren zu einem lieb gewonnenen Ritual zum Aufwachen geworden, auf die sie nicht mehr verzichten wollten und ihnen einen schönen Start in den Tag schenkten.
„Und was ist mit Fridolin? Hat er auch gut geschlafen?" deutete er auf den kleinen, grauen Elefanten auf dem sich Frida zwischen ihren Händchen mit ihrem Kinn abstützte. Das flauschige Kuscheltier mit den großen, dunklen Kulleraugen war ein Geschenk von Karin an ihre Tochter gewesen und seit Jahren ein treuer Begleiter auf Fridas Lebensweg, der schon viele Tränen getrocknet und auch für Trauer gesorgt hatte, als es vor ein paar Wochen auf dem Spielplatz vergessen worden war. Nachdem das Fehlen bemerkt worden war, war Jonas für sein Schwesterchen in höchster Eile zum Spielplatz gerast und hatte den Elefanten glücklicherweise wartend auf der Holzbank wiedergefunden.
„Ja, du auch?"
Stefan nickte ebenfalls gedankenverloren: „Ja, ich habe von Mami geträumt."
Doch Frida bemerkte seinen kurzen bedrückten Moment und erkundigte sich aufmerksam: „Papi, was ist mit dir?"
Vorsichtig drehte Stefan sich mit seiner Tochter im Arm auf die Seite und schaute ihr tief in die Augen, während er eine Haarsträhne sanft hinter ihr Ohr strich: „Weißt du, Frida. Wenn etwas besonders schön ist, wie unser Leben mit Mama war, wenn etwas besonders tief geht, dann tut es auch besonders weh."
Gedankenverloren verweilte sein Blick an der hellgrünen Wand hinter seinem Töchterchen. An dem Ast baumelten Bilder aus ihrem Leben mit wundervollen, kostbaren Erinnerungen. Karin und Stefan mit den Stirnen aneinander beim gemeinsamen Tango tanzen, Jonas und Frida beim Schaukeln, Karin mit ihrem Kopf schlafend auf der Schulter ihres Mannes, die Familie beim Spielen am Strand, Karin und Stefan küssend vor dem Eiffelturm, knutschend mit Torte im Gesicht oder Frida schlummernd in der Trage an Karins Herz, die in den niedlichen Gassen Venedigs verliebt ihren Mann anstrahlte.
„Aber Papi, du musst doch gar nicht traurig sein. Mami ist doch immer bei uns und passt auf uns auf", erwiderte sie ernst, holte ihn aus seinen Gedanken und hob ihr Händchen. Mit ihrem kleinen Zeigefinger tippte sie erst gegen ihr eigenes Herz und danach gegen die nackte Brust ihres Papas.
Fridas niedliche Worte erweichten sein Herz und er zog seine Tochter in eine feste Umarmung, um sein Gesicht in ihren blonden Haaren zu verstecken. „Du hast recht, mein Muckelchen", bestätigte er nuschelnd gegen ihr Köpfchen und drückte einen innigen Kuss hinein, während er für einige Augenblicke seine Augen schloss.

Ohne dich neben mir ist die Welt ganz schön leiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt