* Nathan *
Eine erholsame Nacht hatte ich erwartungsgemäß nicht, aber das Kopfweh hatte nachgelassen. Unruhig wälzte ich mich in dem stachligen Heu. Es kitzelte mich an so vielen Stellen, an denen ich mich ohne meine Hände nicht kratzen konnte. Es war grausam!
Lange hatte ich über meine Lage gebrütet. Stunde um Stunde unmögliche Fluchtpläne ersonnen - und wieder verworfen. Aus dieser Hütte gab es kein Entkommen. Die Dämmerung schickte das erste Licht durch die Fenster als die Erophan durch die Tür verschwanden und diese von außen anscheinend verrammelten.
Vorsichtig richtete ich mich auf, versuchte das das Stroh möglichst wenig raschelte und spähte hinüber zu Lu. Diese sah mich aus ihren goldenen Augen ruhig an. Ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen. Warum nur war ich so feige? Normalerweise sollte man doch annehmen, dass ich mir zutraute zu fliehen, wenn sich mir nur ein einzelnes Mädchen in den Weg stellte. Ich schluckte. Und wenn die Erophan nur draußen vor der Tür waren?
Nach einer knappen Stunde traten die beiden wieder ein, in den Armen Reisig und Feuerholz. Das Mädchen verließ die Hütte mit dem Wasserkanister, während der Junge sich setzte, um das Feuer erneut anzuzünden.
"L... Loro?", flüsterte ich nachdem ich ihm eine Weile zugeschaut hatte. Angespannt wartete ich auf seine Reaktion. Er sah vom züngelnden Feuer auf, was ich als Aufforderung verstand weiterzusprechen.
"Ähm... ich, also ich müsste mal", stotterte ich und richtete mich mühsam im Stroh auf.
Der Blick aus den blaugrünen Augen wirkte berechnend, doch die Stimme war gelassen: "Klar." Loro half mir auf und führte mich nach draußen. Die kühle Morgenluft ließ mich frösteln. Graue Wolken bedeckten den Himmel und ließen alles trist wirken. Wir liefen ein paar Meter in den dichten, dunkelgrünen Wald hinein bis Loro mich an einer lichten Stelle stoppte. Er drehte sich zu mir und ich erschauderte unter seinem intensiven Blick. Er zog zwei Messer aus seinem Gürtel - waren das etwa Dolche?
Während ich noch überlegte, schleuderte Loro auf einmal einen Dolch blitzschnell auf ein Astloch. Die Bewegung war so schnell gewesen, so präzise und gezielt, dass mir die Kinnlade runterklappte. Wie zu Hölle? Er war anscheinend sehr, sehr gut. Besser als jeder Messerwerfer in der Akademie.
Mit dem zweiten Dolch deutete Loro nun auf mich: "Selbst im vollen Lauf würde ich dich treffen, merk dir das. Ich löse jetzt deine Fesseln. Überlege selbst, ob du gerne ein Messer im Rücken haben möchtest."
Meine Hände zitterten als er den Strick von meinen Handgelenken löste. Ich schlüpfte hinter den nächsten großen Baum. Ich wusste, dass Loro mich nicht aus den Augen ließ... es war seltsam unter Beobachtung seinem Bedürfnis nachzugehen.
Trotz Loros Warnung überlegte ich, ob das nicht gerade der perfekte Moment für eine Flucht war. Sorge machten mir allein die Messer. Der Erophan selbst war einen ganzen Kopf kleiner wie ich, den würde ich bestimmt überwältigen können. Vorsichtig blickte ich um den Baum herum. Loro hatte das zweite Messer aus der Astgabel gezogen und reinigte es von Holzsplittern und schmierigem Moos.
"Bist du fertig?", fragte er auf einmal und sah mir direkt in die Augen. Ich fuhr zurück und schloss fahrig meine Hose: "J..j..ja." Meine Fluchtpläne waren wieder dahin.
Als wir zur Hütte zurückkehrten, roch ich bereits von außerhalb Kaffee. Es erschien mir irgendwie komisch, dass die Erophan ein so modernes Getränk tranken. Sie kamen immer vor, wie... wie zurückgebliebene, unzivilisierte Ureinwohner. Als ich von Loro ins Innere geschubst wurde, blieb ich mit offenem Mund stehen. Denn Lu und das Erophan-Mädchen trugen auf einmal modische Jeans und Pullis.
"Geh weiter rein. Wir lassen die ganze warme Luft raus!", sagte Loro und drückte die Tür hinter uns ins Schloss. Dann ging er an mir vorbei, setzte sich zu den Frauen und nahm von der Erophan eine Tasse entgegen. Erst dann bemerkte ich das Brot und die Marmelade. Lu band mir die Hände frei und reichte mir eine Scheibe Brot: "Da...danke.", murmelte ich. Mein Magen knurrte leise.
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Nature's Claim
AdventureDie Menschheit zerstört die Natur - immer und immer weiter. Wie lange lässt die Natur das noch mit sich machen? Nach Fukushima, der Verpestung der Weltmeere mit Plastik und Öl, steigenden Mengen an Müll und resultierend der Klimaerwärmung reicht es...