2 Kapitel

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Das Taxi hält. Melissa und Anne haben die ganze Fahrt sich einfach ihren Gefühlen hingegeben. Jeder hat Probleme, Anne mit ihrem Geld, die zunehmende Einsamkeit, durch fehlende Eltern. Sie hat zwar Liv, ihre beste Freundin, aber auf Dauer Sozialpädagogik zu studieren und eine querschnittsgelähmte Mitbewohnerin zu haben, ist schon ein Druck, dem sie sich jeden Tag ausgesetzt fühlt. Nicht, dass sie Liv hat. Liv ist ihre beste Freundin, für die sie sich im übertragenen Sinne einen Arm ausreißen würde. Sie kommt relativ gut zurecht, muss aber Hilfe beanspruchen. Seit dem Kindergarten kennen sie sich. Sie hatte sich immer gefragt, wer denn in der heutigen Gesellschaft eine Frau liebt, die im Rollstuhl sitzt, für alle Zeit. Damon, Melissas bester Freund, tut es, trotz der Tatsache, dass sie beide ein stark beeinträchtigtes Sexualleben führen werden. Wenn das wirklich wahre Liebe ist, dann kann Anne nichts anderes tun, als sich für ihre beste Freundin mehr als zu freuen. Sie genießt ihren kleinen Ausflug nach Australien für zwei Wochen mit Melissa, die zwar reich ist, aber in ihren vampirischen Augen glänzt eine gewisse Sorge.
Diese ganzen Sorgen der beiden und der Leistungsdruck der beiden Studentinnen verliert an Bedeutung, wenn sie zusammen sind. Sorgen scheinen fortgespült, die Sonne scheint heller zu strahlen oder der Mond, wenn man nach Melissa geht, welche die Nacht verehrt. Beide lösen den intensiven Kuss voneinander. „Wie viele Minuten von der Fahrt haben wir uns eigentlich geküsst", fragt Anne schwer atmend, die Stirn an die ihrer unsterblichen Freundin gelegt. „Keine Ahnung. Auf jeden Fall muss ich jetzt aufhören, sonst kann ich mich nicht mehr beherrschen und muss wohl mehr tun, als dich nur zu küssen." Anne streicht ihr durch die wundervollen, roten, langen Haare. „Melissa. Ich brauche dich", haucht sie ihr zu. „Ich dich. Aber lass uns die zauberhaften Stunden für später aufbewahren. Dein Vater hatte sich doch am Telefon gefreut, nicht?" Sie löst sich von Anne und steigt aus dem Auto. Nicht, weil sie die Situation beklemmend fand, aber Anne lässt sie komplett verrückt werden. Sie muss auch gegen den Gedanken kämpfen, nicht ihr Blut zu trinken, ohne um Erlaubnis gebeten zu haben. Der nette Taxifahrer kassiert Melissa ab, während sich Anne umschaut. Das Haus ihrer Eltern. Sieht eben aus wie ein Farmerhaus. „Meine Eltern haben einen Bauernhof? Was halten die den hier? Trichternetzspinnen und Braunschlangen?" Sie redet eher mit sich selbst. Ihre Eltern waren schon immer eigenartig, aber ein Bauernhof? Ein paar Hühner sieht sie laufen, sonst bisher nichts. Die Sonne kracht heiß auf ihren Körper. Zum Glück sind beide leicht bekleidet, jeder auf seine eigene Art und Weise. Sie muss immer wieder an Melissa denken, neben der sie wohl wie eine verwahrloste aussieht. Kein Wunder, ihre Freundin trägt auch immer Designerklamotten, wo ein Outfit allein schon mehr wert sein muss, als ihr eigener Kleiderschrank. „Träumst du? Na komm! Ich würde dir ja auf den Hintern hauen, aber ich schiebe unsere Rollkoffer." Anne schaut nach links und grinst. „Ich liebe dich auch."
Melissa lächelt verliebt und folgt dann der Frau ihrer Träume, die Kurs auf das Haus nimmt und anklopft. Das hölzerne Haus scheint in guten Zustand und sehr gepflegt. Ungeduldig klopft sie mehrmals an, bis sich endlich die Tür öffnet. „Anne!" Ihr Vater fällt ihr sofort in die Arme. Er hat eine Glatze, ein freundliches, leicht rundes Gesicht und ist gebaut wie eine Bohnenstange, aber ein herzensguter Mann, der selbst Fliegen retten und gesund pflegen würde. „Papa!"
„Oh Kleine. Schön dich zu sehen." Beide bleiben eine ganze Weile in der Umarmung, drücken sich fest aneinander. Es ist jetzt knapp über ein Jahr her und Anne hängt an ihren Eltern, wie ein Hund an seinem Herrchen und Frauchen. Nach ein paar Minuten lösen sie die Umarmung. Der Vater in kariertem Hemd und grüner Hose grinst Melissa an. „Ah! Dann bist du ihre beste Freundin?" Er streckt die Hand entgegen. James hatte schon immer einen festen Handdruck, aber als Melissa seine Hand schüttelt, ist er von der Kraft der jungen, blassen Frau beeindruckt. „Ich bin ihre Freundin", sagt sie stolz. James, Annes Vater, scheint glücklich, lässt dann los und schaut Anne mit unglücklichem Gesicht an. „Anne. Hör zu. Also nicht, dass ich etwas dagegen habe, aber..." Anne unterbricht ihn direkt. „Ich bin lesbisch. Und? Ich liebe sie." Anne scheint kurz etwas angegriffen und verteidigt sich und Melissa sofort. „Nein! Das meine ich nicht. Mir ist egal, ob du Homosexuell, bisexuell oder hetero bist. Aber, naja." Er seufzt schwer aus. „Deine Mutter ist nicht mehr dieselbe. Sie wird Melissa nicht gerade mögen und dich auch nicht unbedingt. Seit einem Unfall auf dem Hof ist sie nicht mehr dieselbe. Der Arzt meinte, ich könnte froh sein, dass sich ihre Persönlichkeit nicht weiter verändert hat. Sie seitdem..."
Wieder wird er unterbrochen. „Unfall eigenartig geworden? Schon klar, James." Mutter hatte sich kaum verändert. Das braune Haar trägt sie wie damals immer noch schulterlang. Die Tatsache, dass sie in Unterwäsche ist und raucht, passt nicht zu ihr. „Meine Tochter ist also Homo? Habt ihr beide euch schon einmal untersuchen lassen? Schließlich ist das eine ernstzunehmende Krankheit." Anne und Melissa schauen sich blöd an. Anne's Mutter sagte es so überzeugend wie die Morgennachrichten, als wäre dies eine Tatsache. „Dad? Was ist mit Mama passiert?" Er schüttelt nur den Kopf. „Sie ist immer noch liebevoll. Jedoch hat sie den Verstand deiner Großmutter. Du weißt ja, dass Großmutter nicht sehr weltoffen war. Tut mir leid, aber ich wusste nicht, dass du eine feste Freundin hast und mit ihr aufkreuzt. Aber ich werde euch trotzdem eine schöne Zeit machen. Kommt doch herein, ja?" James lächelt, doch Anne's Mutter, Kerstin wirft aus Wut die Zigarette hinaus und starrt ihren Mann wütend an. „Nein! Nicht, dass wir uns noch mit dieser Krankheit anstecken. Meine Tochter kommt in das Haus, aber nicht zusammen mit dieser ebenfalls infizierten!" Sie wendet sich wütend ab und lässt die drei verwirrt und ratlos dastehen. Was nun? „Aber Mama", ruft sie Kerstin hinterher. „Nenne mich gefälligst nicht so", brüllt sie aus dem Haus. Anne bricht in Tränen aus. So kennt sie ihre Mutter nicht. Ein Unfall hatte sie also so verändert. Melissa nimmt sie sofort in die Arme, drückt sie an sich, um für sie da zu sein. „Ich werde mit ihr reden. Ich komme wieder heraus." Er gibt seiner Tochter einen väterlichen Kuss und geht dann wieder in das Haus. Auch ihm stehen Tränen in den Augen. Die Frau, die er liebte, war tot, seit zwölf Wochen.

BloodyKiri

liebe hält für immer GirlxGirl Wird Überarbeitet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt