Kapitel 1: "Das Essen"

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„Flan, was für eine Überraschung, dass man dich hier antrifft!", grinste mein älterer Bruder mich an und betonte den verhassten Spitznamen, welchen er mir seit ich klein gewesen war, angedacht hatte extra stark.

„Blanche.", korrigierte ich ihn anlachend und umarmte ihn. Er war schon viel zu lange nicht mehr Zuhause gewesen, ich konnte ihm quasi gar nicht böse sein.

„Wirklich verblüffend, wenn man davon ausgeht, dass ich hier wohne. Du warst Dave richtig?", lächelte ich ihn an.

„David, richtig.", sagte er, während sein Grinsen ins Unermessliche stieg.

Muss schon merkwürdig ausgesehen haben für alle Beteiligten. Wie wir da so rum standen und uns angrinsten. So merkwürdig, dass selbst Granny schon ganz besorgt aussah. Vielleicht darüber, ob uns gleich der Kiefer brechen würde, aber wer weiß schon was Granny denkt.

„Essen ist auf dem Tisch, also setzt euch.", krächzte diese auch schon in unsere Richtung.

Meine Familie sahen mich allesamt verwirrt an, als ich in Richtung Tisch lief und David sich mit dem Satz: „Na los, nicht einschlafen, Flan.", schließlich noch vor mir an den Tisch setzte. Als ich dann auch noch: „Schön das du da bist, Dave.", zurück gepfeffert hatte, waren mindestens fünf meiner Geschwister genervt, der Rest war auf Grannys Essen konzentriert und interessierte sich nur mäßig für unsere Keilereien. Noah hatte sogar Kopfhörer drin, dass konnte er sich, aber auch nur leisten, weil er sich weder in Mums noch in Grannys Blickfeld befand.

Dad war das nicht so wichtig. Der sah eher selbst so aus, als ob er sich lieber Kopfhörer reinstecken wolle. Besonders scharf auf das heutige Abendessen mit Davids Verlobter schien er nicht zu sein. Nicht, dass er sich nicht für seinen Ältesten oder uns Kinder interessierte, nur hatte er auch ohne uns Kinder den heutigen Morgen schon mit Kopfschmerzen begonnen. Und bis im Hause Anderson alle ruhig am Tisch saßen, brauchte es nicht nur eine Weile, sondern auch Körpereinsatz und ein gewaltiges Stimmorgan, ob es dann ruhig war, kommt ganz auf den Betrachter an. Und für ein gewaltiges Stimmenorgan sah Dad heute wirklich nicht in Stimmung aus. Mum hingegen umso mehr, sie schien heute einen ganz besonders lauten Tag zu haben. Schon heute Morgen hatte sie uns allesamt zusammengefaltet, weil wir den Badezimmerplan, welcher von ihr aufgestellt wurde, völlig durcheinander brachten. Gleich danach rutschte sie fast auf einem liegengelassenen Spielzeugauto auf der Treppe aus.

„Aaron und Jonas, wenn ich euch noch einmal bitten muss, fällt das Basketball Training und der Fechtwettkampf am Wochenende aus!", ertönte da auch schon die Stimme meiner Mutter. Das Kichern, welches man eben noch aus der ersten Etage hörte, verstummte und lautes Trampeln ertönte aus Richtung des Eingangsbereiches.

„Hier hat sich also nichts verändert." Stellte mein großer und noch dazu ausgezogener Bruder lächelnd fest. Am Tisch ertönte zustimmendes Grunzen. Das sie eigentlich mit dem Essen auf den Besuch warten sollten, schien meine Geschwister nur wenig zu stören.

„Hört auf zu Essen, ihr verfressenen Idioten. Valerie und ihre Eltern kommen gleich und ihr werdet in den fünf Minuten Wartezeit schon nicht verhungern.", meckerte David. Die verfressenen Idioten aßen trotzdem weiter.

„Was fällt euch ein, das Essen auch nur anzusehen. Ihr Kulturbanausen.", zeterte Granny auch schon los.

„Wir werden heute alle zusammen essen und mit alle meine ich uns, Valerie und die dazugehörigen Eltern. Haben mich jetzt alle glasklar verstanden?" fragte Granny verärgert in die Runde.

Milan knallte Granny ein, „Aye, Aye Captain!", an den Kopf und salutierte, Leiv raufte sich die Haare, Aaron knallte sich die Hände vor die Augen und Dad sah so aus, als überdenke er alle seine bisher getroffenen Entscheidungen und überlege wie er zu diesem Punkt gekommen sei.

„Das du mir nicht frech wirst, sonst wird dir, für den Rest des Monats Kloputzdienst sicher sein, Freundchen." Höhnte Granny, während Milans Augen groß wurden und er in seinem Stuhl zusammen sank. David, welcher kurzerhand aufgestanden war, um seinen Schal anzuhängen, war nun bei ihm stehen geblieben und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter. Kloputzdienst hatte er wohl trotz Auszug nicht vergessen.

„Noah Anderson, gib mir deine Kopfhörer. Die bist du jetzt erst einmal los." Sagte Mutter, mit strengem Blick auf Noah, dessen Wangen sich gefährlich rot färbten. Wortlos überreichte er ihr meine Kopfhörer.

„He, Moment mal. Das sind meine, was fällt dir ein einfach in mein Zimmer zu gehen?" schnauzte ich Noah an, bevor ich mich mitsamt meines Körpers meiner Mutter zuwendete.

„Mum? Mum? Noah hat mir meine Kopfhörer geklaut, kriege ich die wieder?" säuselte ich vor mich hin.

„Ja, aber nur weil ich noch immer nicht meine neuen Kopfhörer bekommen habe und du auch noch andere hast!", schoss mein Bruder auch schon zurück.

„Ach und das gibt dir das Re-", bevor ich meinen Satz überhaupt zu Ende sprechen konnte, sagte meine Mutter in gefährlich gelassenem Ton: „Denkt erst gar nicht daran eurem großen Bruder heute den Abend zu verderben, mit euren Zankereien. Keine Diskussion. Verstanden?" Als Antwort bekam sie ein beschämtes Nicken, während sie uns weiter anfunkelte.

„David, Schatz, könntest du aus dem Schuppen schon mal das Dessert holen, den Kuchen schneidest du bitte schon drüben, ich hab die Theke abgewischt und will nicht das sie nochmal dreckig wird.", lächelte sie ihren ältesten Sohn an. Da dieser selbst einmal in diesem Haushalt lebte, hechtete dieser praktisch in den Garten. Denn jetzt würden wir eine Standpauke à là Mama über uns ergießen lassen dürfen. Auch mein werter Vater, rettete sich mit einer genuschelten Ausrede, von wegen er müsse David beim Suchen helfen, da dieser ja nicht mal wusste, was es außer den Kuchen noch zum Nachtisch gab.

„Was ist denn in euch gefahren. Heute ist ein unglaublicher wichtiger Tag für euren Bruder und ihr könnt euch nicht zusammenreißen und euch wenigstens ein bisschen für ihn freuen. So habe ich euch nicht erzogen." Seufzte meine Mutter. Alle wussten, wie sehr sie sich, im Besonderen, auf den heutigen Abend freute. Ich denke, ihr hattet unter einer Standpauke etwas anderes verstanden, jedoch reichte, schlechtes Gewissen einreden bei uns vollkommen aus und das wusste Mum ganz genau.

„Also, David wird das Wochenende hier schlafen, das heißt Blanche zieht zu Ben. Ben du räumst dein Spielzeug von der Treppe, bevor jemand sich verletzt. Leiv und Finn, ihr räumt die Essensreste und leeren Flaschen aus eurem Zimmer auf und seid heute mit dem Abwasch dran. Milan, du hilfst Blanche nachher das Klappbett in Bens Zimmer zubringen und bringst ihr die Bettwäsche aus dem Schuppen. Aaron, du wäscht Whiskey nachdem du und Jonas mit ihr im Schlamm gespielt habt, ist das nicht Noahs Aufgabe sie wieder sauber zu machen. Jonas, du fütterst Whiskey heute und räumst die Spüle aus." Sagte Mum und schien zu überlegen, ob sie etwas vergessen hatte.

„Blanche, du machst bitte nachher noch eine Ladung Wäsche rein. Da wir jetzt alles geklärt haben setzt ihr euch jetzt hin," sie stoppte in ihrem Satz, als die Klingel ertönte, „Noah hol bitte David und deinen Vater, Milan befördere deine Großmutter bitte wieder an den Tisch und entschuldige dich, wenn du schon dabei ist, bitte auch noch bei ihr.. ich gehe jetzt die Tür aufmachen und will alle zur Begrüßung der Gäste dann versammelt im Eingangsbereich haben, klar?", ohne auf unsere Antwort zu warten, lief sie schon Richtung Tür. Und mit einem heftigen Ruck rannten plötzlich neunzig Prozent der Familie Anderson los und hechteten in alle erdenklichen Himmelsrichtungen. Leiv und Finn rasten in Richtung Küche und tauschten die Teller der Geschwister aus, welche schon mit dem Essen begonnen hatten, sodass es wenigstens so aussah, als ob wir auf sie gewartet hätten. Milan rannte in Richtung Treppe, um Granny aus ihrem Schlafzimmer zu holen, aus welchem schon wieder die Geräusche einer dieser furchtbaren Backshows drangen, welche sie so liebte.

Noah schlenderte in Richtung Schuppen, aus welcher einige Minuten später drei weitere Parte der Familie Andersson heraus hetzten. Ohne anzuhalten stolperten alle nun in Richtung Tür und als es zum zweiten Mal klingelte, öffnete Mum die Tür umringt von ein wenig aus der Puste seienden Gesichtern.

„Entschuldige Georgie, aber dieses Cremé Brúleé, dass sie da gezeigt haben, da kann ich wirklich nicht meckern.", und mit diesen herzerwärmenden Worten, welche an meine Mutter gerichtet war, gesellte sich nun auch Granny mit Milan im Schlepptau zu uns und begrüßte somit unsere heutigen Gäste.




"Und dann kam Anna."Where stories live. Discover now