I: von ersten Begegnungen und stummen Freunden

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SAMSTAG

Schon am Montag würden die Sommerferien vorbei sein.

Martha hatte die letzten zwei Wochen mit Kasimir in Spanien verbracht. Sie hatten dort auf einer Ranch eines alten Bekannten von Kasimir, der ihm früher das Reiten beigebracht hatte, gelebt.

Jetzt stand sie mit ihrem Koffer und ihrem gelben Rucksack vor dem neuen Internat. Sie war fassungslos. Das Gebäude, die Umgebung, sogar die Sitzbänke auf dem Hof des Sportinternats, waren grau. Von mausfellgrau bis gewitterwolkengrau war jede Nuance vertreten, aber es war alles grau.

Martha warf einen Blick zu Kasimir, der mit offenem Mund neben ihr stand. "Oh, shit.", war das einzige, was Martha einfiel und sie schüttelte ungläubig den Kopf.

"Das kann doch nicht deren Ernst sein!" Endlich hatte auch Kasimir seine Stimme wiedergefunden. "Vielleicht sieht es von innen ja besser aus." Der leichte Hoffnungsschimmer in seiner Stimme ließ Martha lächeln. Manchmal war Kasimir echt naiv.

Sie griffen ihr Gepäck und liefen zur Eingangstür. Kasimir drückte gegen die schwere Holztür und stolperte in den Flur. "Hey, pass doch auf!" Ein Sportschüler schob sich grob zwischen Kasimir und Martha hindurch, während er verächtlich den Kopf schüttelte.

"Immer diese Einsteiner, alles Idioten!", hörten sie ihn murmeln. Wütend drehte sich Martha zu ihm um. "Wie hast du uns gerade genannt?"

Der Sportschüler stoppte und drehte sich überheblich grinsend um. "Idioten.", wiederholte dieser ohne zu zögern. "Was denkst du eigentlich, wer du bist? Du Vollidiot!" Marthas Stimme war mittlerweile zu einem Fauchen geworden.

"Vollidiot? Bin ich zu blöd, um eine Tür zu öffnen und wie ein normaler Mensch zu laufen, oder dein stummer Freund da?" Martha wollte gerade etwas erwidern, als Kasimir sanft ihren Arm berührte und sie unterbrach: "Lass gut sein, Martha. So etwas haben wir nun wirklich nicht nötig." Er lächelte und Martha merkte, wie sich ihr Puls langsam wieder normalisierte, bis sich der Junge wieder zu Wort meldete: "Oh, es kann sprechen! Naja, oder zumindest flüstern."

Bevor Martha darauf eingehen konnte, zog Kasimir sie durch die Tür. "Ich kann nicht glauben, dass wir mit so jemandem im gleichen Internat wohnen werden!", sagte Martha verärgert. Ihre Augen sprühten immer noch vor Wut.

Kasimir ging nicht darauf ein und zog sie hinter sich her. Er lief zielstrebig zu der Liste, auf der die Zimmerverteilungen eingetragen waren. Sie überflogen die Zeilen.

"Ich bin mit Moritz und einem gewissen Till auf einem Zimmer. Mit Moritz habe ich Glück gehabt, der ist echt in Ordnung. Wenn dieser Till wenigstens ein kleines bisschen sympathisch ist, kann dieses Schuljahr richtig gut werden.", sagte Kasimir erfreut.

Martha jauchzte auf, als sie ihrer Namen auf der Liste sah. "Ich bin mit Nele auf einem Zimmer!" Ihr kleiner Anhänger an ihrem Rucksack überschlug sich, als sie Kasimir erleichtert um den Hals fiel.

Kasimir hatte ihn ihr in einem kleinen Souvenirshop gekauft, der direkt neben dem Flughafen gewesen war. Es war ein kleiner Cowboyhut und ein schmales Lederband, in das ihre Anfangsbuchstaben eingraviert waren.

Martha eilte die Treppen in den ersten Stock hinauf. In diesem Moment war es ihr egal, dass der Speisesaal, sowie alle Flure, durch die sie hindurch eilte, grau waren.

An ihrem Zimmer angekommen, riss sie die Tür auf und umarmte Nele, die vor Freude quietschte. "Man Martha, ich habe dich so vermisst.", rief sie. "Und ich dich erst! Ich muss dir so viel erzählen. Die letzten zwei Wochen mit Kasimir hätten dir so gut gefallen. Überall Pferde, Pferde und noch mehr Pferde." Sie lachte.

"Und dir?", fragte Nele mit gerunzelter Stirn. "Was und mir?"

"Na, wie hat es dir gefallen? Immerhin bisst du ja nicht so verrückt nach Pferden wie Kasi." Martha erwiderte etwas verlegen: "Um ehrlich zu sein, dieser ganze Pferdekram ist Kasimirs Sache und nicht meine. Klar, ich bin mit ihm einmal im Tiergehege geritten, aber das war ja nur, damit du und Sarah nicht blicken, dass ich Angst vor Pferden habe."

Nele nickte verständnisvoll und fragte: "Aber gesagt hast du ihm das schon, oder?" Martha druckste etwas herum, bevor sie zu einer Erklärung ansetzte. "Naja, ich wollte es ihm sagen, ehrlich. Aber er war die ganze Zeit so begeistert und ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht."

"Man, Martha." Nele lächelte kopfschüttelnd und Martha grinste sie schief an.

Plötzlich ertönte von draußen ein schriller Pfeifton und keine zwei Sekunden später war Bewegung auf den Fluren. Etwas verwundert öffneten Martha und Nele ihre Zimmertür und sahen die Sportler, wie von einer Tarantel gestochen, nach unten rennen.

Wie die anderen Einsteiner trotteten sie gemächlich die Treppen in den Speisesaal hinunter. Als sie ankamen, hatten sich alle anderen bereits versammelt. Einige von ihnen schenkten den Einsteinern abwertende Blicke, als sie sich dazu stellten.

Im Türrahmen zum Speisesaal standen Frau Schiller und ein Mann im Jogginganzug und umgehängter Trillerpfeife, der für die Einsteiner fremd war.

"Hallo, erstmal. Für alle von euch, die mich noch nicht kennen, ich bin Wiebke Schiller, eure Internatsleitung." Der Mann unterbrach sie: "Und ich bin Herr Hauser, eurer Sportkoordinator." Mit einem leicht genervten Blick auf Herr Hauser, fuhr Frau Schiller fort: "Jeden Falls hoffe ich, dass ihr alle eure Zimmer gefunden habt und die Zimmereinteilung wenigstens einigermaßen zufriedenstellend ist."

Martha suchte Kasimir in der Menge. Sie hatte ganz vergessen ihn zu fragen, ob dieser Till nett war, weil sie so viel mit Nele zu bequatschen gehabt hatte.

Marthas und Kasimirs Blicke trafen sich und Martha formte mit ihren Lippen ein lautloses "Was ist los?", als sie seinen bedröppelten Gesichtsausdruck sah. Kasimir holte sein Handy aus der Hosentasche und tippte etwas. Kurz darauf vibrierte Marthas Handy. Sie öffnete Kasimirs Nachricht: "Ich erkläre es dir später. Du wirst es nicht glauben, aber Till ist ein alter Bekannter."

Sie schaute von ihrem Handy auf und nickte Kasimir zu.

Frau Schiller war mittlerweile am Schluss ihrer kleinen Rede angekommen und beendete das Ganze mit: "Bei Fragen könnt ihr natürlich immer gerne zu mir kommen. Jetzt noch viel Spaß euch heute Abend und vergesst nicht, ab zehn Uhr alle auf euren Zimmern zu sein, auch wenn das Ganze noch ziemlich aufregend für euch ist."

Die Versammlung löste sich langsam auf. Nele war schon auf dem Weg nach oben, als Martha ihr nachrief: "Geh schon mal vor, ich muss noch schnell was mit Kasimir klären." Nele schaute fragend, doch ging, als Martha achselzuckend abwinkte.

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt