XVI: von Gefallen und radikalen Maßnahmen

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Martha griff sich ihr Handy. Sie suchte den Kontakt von Kasimir und schrieb ihm eine Nachricht. Können wir ungestört reden? Es ist Zeit, meinen Gefallen einzulösen.

Die Antwort kam sofort. Du kannst in mein Zimmer kommen. Till ist gerade joggen und Moritz ist in der Redaktion.

Martha sagte Nele, dass sie nochmal zu Till gehen würde, was nicht komplett gelogen war, da Till und Kasimir sich ja ein Zimmer teilten.

Nele nickte und wünschte Martha viel Glück.

Martha fühlte sich unglaublich unwohl, als sie das Zimmer betrat. Kasimir saß mit dem Rücken zu ihr an seinem Schreibtisch.

"Das hat ja lange gedauert, bis du meinen Gefallen eingelöst hast.", sagte Kasimir sarkastisch.

Als er sich zu ihr umdrehte, fragte er etwas erschrocken: "Ist alles okay bei dir? Du siehst echt fertig aus."

"Wenn wir meinen Gefallen erledigt haben, wird es mir besser gehen."

"Und der wäre?", fragte er gespannt.

Martha wusste nicht, wie sie das Folgende am besten formulieren sollte. "Naja, also...", stammelte sie vor sich hin. Da ihr keine passende Formulierung einfiel, sagte sie es einfach gerade heraus: "Ich will Till mit dir betrügen."

Kasimir keuchte so erschrocken auf, dass er sich an seiner eigenen Spucke verschluckte. Nach Luft ringend fragte er: "Du willst was?"

Er sah Martha an, als hätte sie den Verstand verloren, was aufgrund der Umstände sicherlich nachvollziehbar war.

"Also eigentlich will ich ihn nicht betrügen, es muss nur so aussehen."

Kasimir verstand gar nichts mehr. "Du willst also eure Beziehung zerstören, um mit mir rum zu machen, aber eigentlich willst du garnicht mit mir rummachen? Warum zur Hölle?" Er raufte sich durch die Haare.

"Till zerstört sich wegen mir seine Zukunft! Er will wegen mir nicht auf ein Elitesportinternat in England gehen. Er schmeißt diese riesige Chance einfach aus dem Fenster.", erklärte Martha.

"Aber gibt es nicht etwas weniger radikale Maßnahmen, um ihn zur Vernunft zu bringen?" Kasimir war noch nicht wirklich von ihrem Plan überzeugt.

Martha schüttelte resigniert den Kopf. "Du kennst ihn doch. Wenn er sich einmal was in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das auch durch."

Martha blickte ihn flehend an. "Kasimir, bitte! Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn er wegen mir hier bleibt."

"Du liebst ihn wirklich, oder?"

Martha nickte. Kasimir seufzte und sagte: "Wenn du dir wirklich sicher bist, dass du das machen willst, werde ich dir helfen. Ich werde dich nicht noch einmal im Stich lassen, aber du musst dir klarmachen, was du damit auslöst."

Kasimir warf ihr einen ernsten Blick zu, bevor er fortfuhr: "Er wird weg sein. Du wirst ihn nicht mehr sehen können und noch viel schlimmer, er wird dich nicht sehen wollen und er wird dich hassen, abgrundtief und irreversibel."

Bei seinen Worten wurden Marthas Augen glasig. "Ich weiß.", würgte sie hervor.

Sie ignorierte die aufsteigenden Tränen und schaute Kasimir fragend an. "Also haben wir einen Deal?"

Kasimir nickte. Ihm war deutlich anzusehen, dass er sich nicht wohl dabei fühlte. "Wie sieht dein Plan aus?", fragte er.

Martha begann zu erklären: "Am besten stellen wir uns außerhalb der Mauer, damit man uns vom Internat aus nicht sieht. Wenn Till vom Joggen zurück kommt, küssen wir uns."

"Aber doch nicht in Wirklichkeit, oder?", fragte Kasimir schockiert.

"Es muss so real wie möglich aussehen.", erwiderte Martha, was keine wirkliche Antwort auf die Frage war.

"Wenn wir uns so hinstellen, dass Till mich von hinten sieht, dann könnte ich meine Daumen auf deinen Mund legen, dann küsse ich dich nicht wirklich. Ist ein alter Schauspielertrick.", schlug Kasimir vor.

Er lief zu Martha und legte seine Daumen auf ihre Lippen. "Wenn wir unsere Gesichter jetzt eng zusammen machen, sieht es aus, als ob ich einfach nur deinen Kopf beim Küssen festhalten würde.", erklärte Kasimir weiter.

"Okay, das könnte klappen. Danach erzähle ich ihm irgendwas, dass unsere Beziehung keine Zukunft haben würde." Sie ging zum Fenster und schaute nach draußen. "Wir müssen los. Nicht, dass wir noch zu spät kommen."

An der Mauer angekommen, suchten sie einen guten Platz für ihr Vorhaben. Sie stellten sich nicht genau neben den Torbogen, aber blieben so nah, dass Till sie auf jeden Fall sehen musste.

Sie verharrten an ihrem Platz und warteten, bis Till aufkreuzte. Für Martha schien es wie eine Ewigkeit, bis Till endlich als kleiner Punkt am Horizont auftauchte.

"Bist du dir wirklich sicher?", fragte Kasimir erneut. Martha holte tief Luft und nickte entschlossen. "Dann los."

Kasimir legte Martha seine Daumen auf die Lippen und legt seine Lippen auf die Daumen. Er drückte Martha leicht gegen die Wand.

Als Till näher kam tat Kasimir so, als ob er Martha einen Knutschfleck am Hals verpassen würde. Stattdessen flüsterte er. "Spring!"

Er fuhr mit seinen Händen unter ihre Oberschenkel und sie sprang. Sie umklammerte seine Hüfte mit ihren Beinen, während sie nun ihre Daumen auf Kasimirs Lippen gelegt hatte.

"Hast du sie noch alle?", schrie Till aufgebracht. Er rannte auf die beiden zu.

Martha und Kasimir lösten sich voneinander. Till lief direkt auf Kasimir zu und zielte mit seiner Faust auf seine Nase.

Keuchend stolperte Kasimir ein paar Schritte zurück. Er hielt sich seine Nase und über seine Finger suchten sich die ersten Blutstropfen einen Weg nach unten.

Till schüttelte seine Hand und wand sich von Kasimir ab. Stattdessen lief er zu Martha.

Verwirrt und besorgt griff er nach Marthas Hand. "Mit was hat er dich bestochen? Hat er dir gedroht?"

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt