IV: von Schnürsenkeln und Besenkammern

1.9K 41 15
                                    

Als Martha kurz nach Unterrichtsbeginn das Klassenzimmer betrat, verdrehte sie die Augen. "War ja klar, dass ausgerechnet Till hier sein musste. Definitiv der Nachteil an digitalen Schulen.", dachte sich Martha.

Herr Zech, pünktlich wie immer, war bereits da und beäugte Martha kritisch. "Entschuldigung, Herr Zech."

"Setz dich.", erwiderte Herr Zech monoton. Martha lief zielstrebig auf den letzten freien Tisch zu.

"Martha, setze dich bitte nicht in die letzte Reihe." Martha blickte sich verwundert um. "Und wo soll ich mich sonst hinsetzen? Die Tische sind doch alle belegt!"

Herr Zech zeigte auf den Stuhl neben Till. "Hier ist noch ein Platz frei."

"Ich soll neben Till sitzen?", fragte Martha fassungslos.

"Moment mal, hier sitzt eigentlich Timo!", meldete sich jetzt auch Till zu Wort.

"Da sich Timo heute krankgemeldet hat, sehe ich ehrlich gesagt das Problem nicht. Ihr habt meinen Unterricht schon genug aufgehalten. Setz dich, Martha!"

Martha stöhnte genervt auf und ließ sich auf den freien Stuhl fallen.

Während des Unterrichts kippelte Till gelangweilt mit seinem Stuhl. "Kannst du das bitte mal lassen?", flüsterte Martha genervt.

"Nö."

Martha warf ihm einen bösen Blick zu, von dem er sich völlig unbeeindruckt zeigte. Da er keine Reaktion auf Marthas Bitte zeigte, trat sie gegen das Stuhlbein, auf dem in diesem Moment Tills gesamtes Gewicht lastete. Unter lautem Krach ging Till mitsamt seinem Stuhl zu Boden.

"Till? Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte Herr Zech. Till rappelte sich auf und stellte seinen Stuhl wieder aufrecht hin.

"Bis morgen schreibst du mir einen Aufsatz, warum man nicht kippeln sollte. Mindestens zwei Seiten.", sagte Herr Zech strafend.

"Aber, ...", erwiderte Till fassungslos.

"Und du bist also der Chef, ja?". Martha konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.

"Das wirst du bereuen, Pracht. Du bist sowas von dran!", zischte Till verärgert.

Die restliche Stunde redeten Till und Martha kein einziges Wort mehr miteinander. Ab und an warf einer dem anderen einen vorsichtigen Blick zu, doch Till plante keine Rache. Zumindest dachte das Martha.

Als sie nach der Stunde aufstand und gehen wollte, wurde sie ruckartig zurückgezogen. "Till!", rief sie erschrocken, doch dieser verschwand bereits nach draußen auf den Flur.

Als sie sich nach der Ursache umdrehte, stöhnte sie laut auf. Till hatte sie mit ihrem Schnürsenkel an den Tisch festgebunden. Sie bückte sich und zog an dem Knoten. Eines musste man Till lassen, Knoten machen konnte er.

Zum Glück hatte sie jetzt eine Freistunde, da Frau Miesbachs Musikstunde heute ausfiel.

Als sie den Knoten endlich gelöst hatte, schaute sie auf ihre Armbanduhr. "Mist!", entfuhr es ihr Kasimir wartete schon fast zehn Minuten auf sie. Sie schnappte ihren Rucksack und eilte aus dem Klassenzimmer. Vor dem Schulhaus wartete Kasimir bereits.

"Was hat so lange gedauert?", fragte er genervt.

"Ähm, ich musste noch etwas mit Herr Zech besprechen, wegen meinem Schwerpunktthema.", erwiderte Martha entschuldigend.

Dass eigentlich Till für ihr Zuspätkommen verantwortlich war, erwähnte sie nicht, da sie genau wusste, dass Kasimir sauer sein würde.

"Treffen wir uns eigentlich nochmal nach der Schule?", fragte Martha ausweichend.

"Ne, sorry. Ich habe Moritz versprochen, ihm in Physik zu helfen und danach wollte er mich als Dankeschön ins Kino einladen."

"Wie läuft es mit deinen Zimmerkollegen?"

Kasimir zuckte mit den Schultern. "Moritz ist nett wie immer und Till ist halt Till."

"Till ist Till?" Martha hob eine Augenbraue.

"Naja, er ist anstrengend und nervig. Dauernd passt ihm irgendetwas nicht und er ist immer beschäftigt Sprüche zu klopfen."

Martha fragte nachdenklich: "Warum ist er bloß so?"

"Ich glaube er ist einfach nur angefressen, weil er nicht mit seinen Kumpels auf einem Zimmer wohnt.", überlegte Kasimir. "Aber können wir jetzt bitte das Thema wechseln?"

Martha nickte. "Klar."

Nachdem sie die Freistunde zusammen verbracht hatten, gingen sie wieder in den Unterricht. Als sie an der Mädchentoilette vorbeikamen, hielt Martha an und sagte: "Geh schon mal vor. Ich komme gleich nach." Kasimir nickte und verschwand hinter der nächsten Ecke.

Sie wollte gerade die Tür öffnen, als sie Till, Timo und Nick sah, wie sie versuchten, möglichst unauffällig in der Besenkammer zu verschwinden. Sie schaute sich um. Der Gang war leer. Sie eilte zu der Besenkammer und presste ihr Ohr an die Tür. Glücklicherweise redeten die drei so laut, dass Martha sie gut verstehen konnte.

"Jungs, ich muss euch was erzählen. Ich habe den ultimativen Plan." Das war eindeutig Tills Stimme.

"Na los, spuck schon aus!", erwiderte Timo gespannt.

"Eins kann ich euch verraten, es hat mit Marthas Zimmer zu tun. Nach dieser Aktion ist für alle Zeiten geklärt, wer der Chef ist."

Die Jungs lachten.

"Martha?" Martha wirbelte herum. Vor ihr stand Nele. "Was machst du da?"

"Äh, nichts. Überhaupt nichts.", stotterte Martha überrumpelt. Sie beschloss, Nele nichts von Tills Racheplänen zu erzählen, da Nele offensichtlich auf der gleichen Seite wie Kasimir stand.

"Komm, Unterricht fängt gleich an.", sagte Martha, bevor Nele weitere Fragen stellen konnte.

Während des gesamten Schultages hielt Martha Ausschau nach Till. Sie wollte um jeden Preis verhindern, dass Till seine Rachepläne in die Tat umsetzte, vor denen sie ehrlich gesagt einen gewissen Respekt hatte.

Jedes Mal, wenn sie ihn sah, war sie augenblicklich erleichtert, da sie nun sicher war, dass er nicht gerade seine Pläne in ihrem Zimmer in die Tat umsetzte.

"Martha, was ist heute eigentlich los mit dir?", fragte Nele verwundert.

"Warum? Was soll sein?", erwiderte Martha scheinheilig.

"Den ganzen Tag schon hältst du nach irgendetwas Ausschau. Kannst du mir bitte sagen, wen oder was du suchst?"

"Ich suche niemanden, ehrlich." Nele schaute sie skeptisch an. "Okay, du hast mich erwischt. Ich überprüfe, ob einer der Neuen genug Potenzial, um dein zukünftiger Freund zu werden.", log Martha. Sie fühlte sich dabei unglaublich unwohl.

"Echt? Man Martha, ich liebe deine komplett verrückten Ideen, zumindest meistens."

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt