Kapitel 4: 14:00 Uhr

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Ich bin an Noras Apartment angelangt. Die Umgebung ist... wie jedesmal auch sehr gewöhnungsbedürftig. Vor der Haustür liegt ein Obdachloser mit seiner Bierflasche in der Hand. Nur 3 Meter entfernt von ihm sitzt ein Drogenabhängiger. Er ist mit dem Rücken an der Wand angelehnt und scheint die Welt um sich herum nicht zu bemerken. Seine Augen sind geschlossen und er summt eine Melodie. Einmal habe ich ihn dabei erwischt, wie er sich in den Arm Heroin gespritzt hat. Dies schockierte und berührte mich zutiefst. Kein Mensch befindet sich grundlos in so einer traurigen Lage. Jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen und in dem Moment frage ich mich, wie wohl seine Geschichte lautet. Das war vor ungefähr 2 Jahren. So lange war es auch her, seit ich Nora besucht habe. Unsere Beziehung zueinander ist nicht so eng, wie manch andere Cousinen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Eifersucht der Zentrale Grund für unsere kalte Beziehung ist. Vielleicht liegt es daran, dass meine Tante mich genau so behandelte wie ihr eigenes Kind, in dem Fall wie Nora? Ich weiß es nicht. Noch nie haben wir darüber gesprochen, und um ehrlich zu sein, will ich es auch nicht. Ich gehe Problemen ständig aus dem Weg.
Damals hatte ich Angst wieder hierherzukommen.
Doch nun weiß ich, dass mir weder der Obdachlose, noch der Drogenabhängige etwas antun würde. Warum? Denn sie sind gefangen in deren eigenen Welt, fern von der Realität. Fern von den Problemen und fern von Verantwortungen.

Seit ungefähr 10 Minuten sitze ich noch im Auto und kann mich nicht dazu bewegen endlich auszusteigen.
13:53 Uhr
13:54 Uhr
13:55 Uhr
Noch fünf Minuten.
Ich nehme mir vor um 14 Uhr aus dem Auto auszusteigen.
Fünf Minuten um mich mental auf das Wiedertreffen vorzubereiten. Fünf Minuten um mir ihre piepsige Stimme wieder anzuhören. Fünf Minuten um durchzudrehen, da sie eh alles was mir gefällt nicht anziehen wird.
Ich blicke auf meine Uhr am Handgelenk: 14:00 Uhr
Verdammt!
Genervt stöhne ich auf.
Claire du musst da jetzt durch, du schaffst das. Du wirst nur eine Stunde dort bleiben, das wars.
Mühsam verlasse ich mein Auto und stehe schließlich vor der Haustür, sorgsam darauf bedacht, nicht auf den Obdachlosen draufzutreten. Ich klopfe an, da die Klingel nicht zu funktionieren scheint. Keiner macht auf, also beschließe ich ein zweites Mal an der Tür anzuklopfen. Diesmal härter.
Keine Reaktion.
Nun reicht es mir und ich hämmere regelrecht an der verdammten Tür. Ist irgendwie jeder Mitbewohner hier taub?
Ich bin auf 180 und bin gerade dabei mein Handy aus meiner Handtasche raus zu picken als mir jemand endlich die Haustür aufmacht. Überrascht schaue ich hoch und blicke in zwei blaue Augenpaare. Doch es sind nicht einfach nur blaue Augen, sondern sie sind so stechend blau, dass sie mir unheimlich bekannt vorkommen. Ich sehe darin Verwirrtheit, Überraschung und Sehnsucht aufblitzen.
Moment mal ...
Nein.
Nein, nein, nein.
Es ist nicht wahr, ich muss wohl träumen.
Er kann gerade unmöglich vor mir stehen. Nein.
Ich betrachte sein Gesicht.
Sein kantiges Kinn, diese perfekte Nase, diese schmalen Lippen... Es ist er.

Es ist Taylor.

Ich stehe wie versteinert da und kann kaum ein Wort über die Lippen bringen. Ihm geht es anscheinend genau so, denn er sagt kein einziges Wort, sondern beäugt mich von oben bis unten.
Ich sehe wieder in seine Augen. Schlagartig ändert sich sein Blick und stattdessen taucht eine gewisse Leere darin auf. Er verschränkt die Arme vor der Brust und plötzlich weiß ich nicht mehr, was ich machen soll und werde unsicher.
Erkennt er mich nicht mehr wieder, oder bin ich ihm komplett egal?
Am liebsten würde ich mich umdrehen, in mein Auto steigen und so tun als wäre nichts passiert. Als hätte ich ihn nicht gesehen.
Was tut er hier?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 27, 2019 ⏰

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