Teil 3: Fertig mit der Welt.

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Yo.

Weiter geht's.

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Ich steige geistesabwesend in den Bus. In der dritten Reihe ist noch ein Platz frei. Am Fenster sitzt ein Junge, aus der Sechsten, also fünf Klassen unter mir. Das Problem ist, die etwas jüngeren haben sogar Angst vor mir wegen meinem Image und meinem Aussehen. Total bescheuert.

Der Junge sieht mich ablehend an und ich deute fragend auf den freien Sitz. Er nickt zögernd und ich setze mich. Dass er unauffällig von mir weg rutscht, ignoriere ich einfach.

Ich hole meine Kopfhörer raus und stelle sie auf volle Lautstärke. Dann knalle ich mir Truth hurts von Bullet for my Valentine in die Ohren. Es gibt keine bessere Entspannung als Metal.

Ich schließe die Haustür auf. Meine Mum ist daheim, ihre Schuhe stehen vor der Haustür.

"Bin zu Hause, Mum!" Meine Mum ist nicht oft zu Hause, sie arbeitet viel im Krankenhaus. Sie kommt auf mich zu und umarmt mich. Dann schaut sie zwei Mal hin und sieht mein Outfit und meine Haare.

"Ach Allison. Wie oft habe ich dir schon gesagt dass ich deine Haare so grauenhaft finde. Und immer diese schwarzen Klamotten. Warum kannst du denn nicht normal sein?"

Au. Dieser Satz ist ungefähr das schlimmste was man mir erzählen kann.

"Mum. Ich will nicht normal sein. Okay? Ich will nicht so sein wie jeder andere. ICH. WILL. ES. NICHT. Das hab ich dir auch schon oft gesagt. Ich finde es gut so wie ich herum laufe. Ich will so sein wie ich bin, denn jeden anderen gibt es schon."

Ich kann es nicht glauben. Sogar meine Mutter versteht mich nicht. Ich laufe in mein Zimmer und schließe die Tür ab.

"Allie! Das bringt doch nichts! Was willst du denn eigentlich essen? Du hast doch sicher Hunger!"

Ehrlich gesagt habe ich gar keinen Hunger.

"Hab keinen Hunger. Muss ein Referat machen. Is wichtig."

Meine Mutter steckt das so weg.

"Ich muss gleich wieder weg. Nachtschicht. Bis morgen."

Keine Verabschiedung. Nichts. Ich will eigentlich ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter, aber sie versteht mich einfach nicht. Ich streite mich nicht oft mit ihr, aber sie will mich ändern. Und das kann ich nicht ab.

Und da kommt dieses Gefühl wieder. Dieses Gefühl von Verzweiflung. Das Gefühl dass mich keiner liebt. Ich war emo weil es mir gefiel und weil ich wie gesagt nicht nicht normal sein will, doch auch weil ich ziemlich wenig Freunde habe und nicht gemocht werde. Als ich dreizehn war, wurde mir alles zu viel. Mein Vater starb als ich 10 war, meine Mutter war selten zu Hause, ich hatte niemanden, meine beste Freundin zog weg und meldete sich nie, ich wollte aus der Mainstream-Welt raus.

An den meisten Tagen bin ich stark und halte alles aus. Es geht mir meistens wirklich gut. Doch irgendwann wird es zu viel. Dann hilft mir nachdenken, Musik hören und so komisch es klingt, auch das Ritzen. In dieser Hinsicht bin ich ein ziemliches Klischee. Davon hatte ich Laura nichts erzählt. Ich will nicht dass sie ein falsches Bild von mir hat.

Ich sehe das Messer auf meinem Tisch.

Ich nehme es in die Hand und ziehe die Klinge über meinen Unterarm. Der Schmerz sticht in mich. Ich packe alle Gefühle in den Schmerz und schicke sie weg. Es brennt, aber es fühlt sich gut an.

Ich spüre mein Leben.

Ich werfe das Messer angewidert weg und lege mich auf mein Sofa.

Es geht mir viel besser. Ich weiß nicht warum, aber es hilft mir einfach. Doch ich habe ein schlechtes Gewissen. Laura kennt meine Geschichte nicht ganz. Also schnappe ich mir mein Handy und  schreibe ihr. Warum auch immer, normalerweise vertraue ich niemals jemand, aber sie hatte so etwas an sich. Und sie war wie ich nicht ganz, aber fast.

-Hey. Ich bin's. Allie. Hoffe das Angebot steht noch. Ich brauch jemand zum Reden. Zeit?-

Es dauert zwei Minuten bis sie zurückschreibt.

-Ja klar. Komm zu mir. Rheinweg 3. Bis gleich.-

Ich weiss nicht was an ihr war und warum sie das für mich tat. Egal.

Bis zu ihr ist es erstaunlicherweise nicht weit. Ich schnappe mir mein Board und fahre zu ihr. Den Schnitt lasse ich wie er ist.

Ich klingle.

Ein Junge macht mir auf. Er ist etwa 19. Hellbraune Haare, blonde Spitzen, blauer Hoodie, Vans, Mütze. Skater. Ganz süß. Aber ich hatte grade herzlich wenig Interesse an Typen.

"Du musst Allie sein. Komm rein."

Ich gehe in das Haus. Schön groß.

"Dann bist du Laura's Bruder?"

Ich sehe ihm in die Augen. Hmmm... Schön Grün.

"Yep. Sie ist oben."

Er verschwindet in der Tür neben ihm.

Komische Familie.

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Danke für die Unterstützung, Freunde! <3

Und danke an Simon. Er wüsste wofür.

I'm just different.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt