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PoV Koro

Angespannt beobachtete Koro Kovu, in der Hoffnung, vielleicht ein Zeichen sehen zu können, was seine Entscheidung andeuten würde, doch nichts - der Löwe saß dort, wie immer, mit seiner kühlen Ausstrahlung und dem konzentrierten Gesichtsausdruck.
"Du darfst bleiben, jedoch wird von Dir erwartet, dass Du dich sowohl an der Jagd als auch an Grenzgängen beteiligt. Du lebst genau so wie unsere anderen Rudelmitglieder und musst hart arbeiten, um dir ansehen zu verdienen."
Koros Kopf hatte sich schon nach dem ersten Satz abgeschaltet. Das konnte doch nicht wahr sein! Wusste der König nicht, wie gefährlich es für ihn war, noch einen Löwen in sein Rudel aufzunehmen?
Völlig überwältigt von der Flut an Emotionen, die ihn überschwemmten, sprang er auf und war im Nu am Fuß des Königsfelsens.
Doch damit war es noch nicht getan, er wollte nicht stehenbleiben, er wollte rennen, weit weg und nie wieder zurückkehren.
"Ganz ruhig, Koro, noch ist nichts verloren, du kannst weiterhin der beste sein!", versuchte er sich selbst zuzureden, doch es gelang ihm nicht.
Er fühlte sich hintergangen und zwar auf übelste Weise. Seine Enttäuschung war so groß, dass er bis über die Grenze zum Schattenland lief, und erst wieder halt machte, als ihm gegenüber ein riesiger Schädel lag-
Er war auf dem Elefantenfriedhof.
Erschöpft ließ Koro sich in eine Augenhöhle des Schädels sinken- hier war er sicher und konnte sich in Ruhe etwas beruhigen.
Doch es war nicht leicht. Seine Gedanken rasten und ließen ihm keine Ruhe. Welchen Grund gab es für Kovu, einen fremden Löwen aufzunehmen?
All diese Fragen lasteten schwer auf Koros Schultern und alles schien falsch gewesen zu sein. Doch war es das? War alles unrecht gewesen, war Koro am Ende der Böse in der Geschichte?
Mit diesem Gedanken döste der dunkle Löwe ein.
Doch er träumte unruhig, und immer hatte er das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, über sich, über das Rudel, einfach über alles.

Es war bereits spät am Abend, als er von Stimmen aus dem Schlaf gerissen wurden, die sich langsam näherten.

"Hör mal, ich bin dir ja sehr dankbar dass du mich in das Rudel gebracht hast, aber irgendwie finde ich dass du etwas übertreibst!"
"Wir hatten eine Abmachung..."
Sofort war Koro hellwach. Dieses Knurren kannte er doch!
Er lugte vorsichtig durch einen Schlitz im Schädel und sein Blick fiel auf zwei Löwen, die direkt unter ihm standen. Ein weißer Löwe- shibu, und- ja, kein zweifel, das war Shino, Koros Vater! Aber was hatten die beiden Löwen hier zu suchen?
Kurzerhand beschloss Koro, ihnen weiter zuzuhören.
"Sicher, die hatten wir, aber findest du nicht, dass mein Teil etwas zu... Naja... Tödlich ist? Ich bin nicht so ein Löwe, und das weißt du auch. Du sagtest meine Aufgabe wäre einfach..."
Koro konnte deutlich sehen, wie sein Vater die krallen ausfuhr und ein Knurren erschütterte die Höhle.
"Das ist sie auch! Was kann ich dafür wenn du zu sehr Angsthase dafür bist?"
Shibu wich ängstlich vor seinem Bruder zurück, und Koro war entsetzt- so bedrohlich hatte er seinen Vater noch nie erlebt.
"Ich finde es einfach ein wenig ungerecht, immerhin musstest du nicht alles für mich aufs Spiel setzen! Und jetzt verlangst du von mir, dass ich-"
Wutentbrannt fuhr Shino dem Löwen mit den Krallen über das Gesicht.
"Ich habe sehr wohl etwas für dich aufs Spiel gesetzt!", fauchte er und schlug gleich noch einmal zu, Blut tropfte auf den Boden und Shibu drückte sich ängstlich an die schädelwand hinter sich.
"Mein Ansehen!", noch einmal schlug er zu, der weiße Löwe schnappte nach Luft,
"Meine Familie!", noch ein Schlag, Shibu sank zu Boden,
"Und meine Sicherheit!" Einen letzten Schlag verpasste er dem Löwen auf die Flanke, und im Zwielicht sah Koro die eigene Narbe an der Flanke seines Vaters schimmern.
Was ging hier nur vor?
Jetzt beugte sich Shino über den weißen Löwen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Koro beugte sich vor, um hören zu können, was er sagte, doch er hatte keinen Erfolg. Stattdessen brach ein Stück des materials unter seinen Pfoten ab und landete geräuschvoll auf dem Boden hinter Shino.
Dieser wirbelte herum.
"Hier ist jemand!", fauchte er und trieb Shibu wieder auf die Beine, "los! Er darf uns nicht entkommen!"
Entsetzt sprang Koro auf und setzte über Knochen hinweg, raus aus dem Schädel und rannte davon.
Er durfte sich nicht erwischen lassen!

Zu seiner Erleichterung schaffte er es, Schutz in einer Baumhöhle zu suchen- zum ersten Mal war seine kleine Körpergröße zu etwas gut.

Zitternd vor Schock verharrte Koro dort noch eine Weile.
Was hatte er nur gerade beobachtet? Es war eine völlig neue Seite an seinem Vater gewesen, es schien, als wäre der Löwe ihm völlig fremd.
Aber was viel wichtiger war - was hatte Shino vor?

A King's heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt