1. Ashley

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Ich schaue mich in meinem großen Wandspiegel an und lächle zufrieden. Noch sechzig Minuten, bis ich fertig sein muss und wir losfahren.

Ich verlasse meinen begehbaren Kleiderschrank und setze mich an den Schminktisch, um mir meine wilden Locken zu glätten. Ich stecke den Stecker des Glätteeisens in die Steckdose und lasse es schon einmal warm werden.
Meine braunen Augen blinzeln mich müde an und ich seufze. Wie ich Montage hasse.

Das blaue Blinken zeigt mir an, dass das Glätteeisen heiß genug ist. Ich separiere meine Haare in mehrere Teile und fange anschließend an meine Locken zu glätten.
Immer wieder, alle drei Tage. Alle drei Tage muss ich vierzig Minuten lang meine Locken glätten, nur damit ich mich besser fühle. Mich hübscher finde.

Genau dreiundvierzig Minuten später stehe ich wieder in meinem Kleiderschrank und schaue auf die Hotpants, die ich in meinen Händen halte. Entweder ziehe ich die Hose an oder ich lasse das kurze Kleid an.
Ich habe sowas von keine Lust mehr auf dieses Schuljahr und bin so froh, dass es schon der dritte Juni ist.

„Ashley! Wir müssen gleich los!", ruft Manuel durchs ganze Haus und ich seufze. Gut, dann muss ich wohl das Kleid anlassen. Ich habe keine Zeit mehr, um mich umzuziehen.

Das Kleid ist rot und geht mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel.
Es ist mittlerweile normal für mich, knappe, freizügige Kleidung zu tragen. Ich habe den Körper dafür und wieso sollte ich ihn dann nicht preisgeben?

Außerdem habe ich damit meine Mauern so hochgezogen, dass keiner an mich herankommt.

„Tranquilo!", rufe ich zurück und lächle mich gepresst an. Auf in einen weiteren Tag, denke ich mir.

Ich durchquere mein riesiges Zimmer und bleibe an der Tür stehen. Auf der Kommode, die neben meiner zweiflügligen Tür steht, steht ein Bild von meiner Mutter und mir. Ich schaue es einige Sekunden an, ignoriere den Schmerz in meiner Brust und reiße meine Tür auf.

„Nimmst du was mit?", fragt Manuel mich, zeigt auf das Brot vor ihm und schaut anschließend zu mir herüber. Seine Locken wackeln dabei und seine schwarzen Augen mustern mich ruhig.

„Ich gehe in der Pause kurz ins Café, da hole ich mir dann was.", antworte ich und lasse mich neben Aurelio auf einem der Barhocker nieder. Aurelio lächelt breit, als er mich sieht und trinkt von seinem Cappuccino.

„Macht nicht Maria normalerweise etwas für dich?"

„Ich habe ihr gesagt, dass sie es nicht mehr machen braucht. Ich komme damit auch sehr gut alleine klar, Ash. Aber das ist schon länger so, nicht mitbekommen?" Manuel schenkt mir einen prüfenden Blick.

„Anscheinend ja nicht." Ich erhebe mich doch wieder und gehe zu unserer Kaffeemaschine herüber, um mir auch einen Cappuccino zu ziehen. Ich nehme mir eine Tasse aus einem der Schränke und stelle sie in die Kaffeemaschine.

Während die Bohnen mahlen, lehne ich mich gegen den Kühlschrank und mustere Manuel.

„Du siehst aus wie eine Schlampe.", flüstert Aurelio mit gerümpfter Nase. Ich schaue zu ihm herüber und lache bitter. Das ist ja nichts Neues.

„Wissen wir doch.", flüstere ich zurück. Aurelio hat ebenfalls Locken und seine Augen sind genauso schwarz wie die von Manuel. Eineiige Zwillinge können wirklich genau gleich aussehen.

Aurelio kratzt sich an seinem tätowiertem Arm und schüttelt den Kopf. „Ich sage dazu nichts mehr."

„Danke.",  antworte ich zuckersüß und verdrehe die Augen. Mein Bruder verdreht ebenfalls die Augen und seufzt. „Steht heute irgendeine Klausur an?"

Ash- kalt wie EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt