Kapitel 3

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P.O.V. Ash

Blitzschnell schlage ich meine Augen auf.
Ich höre meinen Herzschlag unnatürlich schnell gegen meine Brust schlagen, die sich so anfühlt, als würde sie sich durch den Druck jeden Moment zerreißen und in winzige Teile zerspringen. Mein T-Shirt ist klatschnass geschwitzt, genau wie mein Gesicht, über das einige Schweißperlen laufen. Ich fahre mit der Hand über mein Gesicht, um den Schweiß weg zu wischen. Der Schweiß kühlt meine Haut ab und ein Blick auf den Boden zeigt mir die Bettdecke, die ich offensichtlich im Schlaf herunter gestrampelt hatte.

Ich hatte wie in fast jeder Nacht einen Alptraum gehabt. Sie suchen mich heim und nehmen mich in Besitz wie Dämonen, ohne dass ich irgendetwas dagegen übernehmen kann. Und das nur wegen Neyra und all der anderen Menschen, die mir das Leben schwer machen.
All die Beleidigungen, die Ignoranz, die Unfreundlichkeiten, die ich versuche, so krankhaft zu ignorieren, kränken mich. Sie tun weh, auch, wenn ich das niemals zugeben würde. Obwohl ich ein Nichts bin, habe ich nicht einfach einen Panzer, der mich von all dem abschirmt und nichts an mich ran heran lässt.
Es ist ganz das Gegenteil, jeder einzelne Kommentar tut so unfassbar weh, er fügt mir jedes Mal ein bisschen mehr Schmerz zu und rupft ein weiteres Stückchen von meinem nicht vorhanden Selbtsbewusstsein ab.

Meine ehemalige beste Freundin sagte früher immer:,,Du bist, wer du sein möchtest und nicht, zu wem du bestimmt wurdest."
Doch wer sie sein möchten lässt mich abends in den Schlaf weinen und bringt mir anschließend meine düstersten Träume.

Immer wenn ich alleine bin denke ich darüber nach. Doch wenn andere in meiner Nähe sind, habe ich das Gefühl, sie könnten meine Gedanken hören - manchmal denke ich, nachdem sie mir schon das Schweigen zum Freund gemacht hatten, möchten sie mir auch noch das Denken verbieten.

-

Ich komme in der Schule an und stelle mit einem Blick auf mein Handy fest, dass ich mich in Sachen 'Pünktlichkeit' verbessere, da ich nur noch 10 Minuten zu früh bin. Um nicht wieder einen interessanten Zwischenfall mit Neyra zu erhalten, beschließe ich, schon mal in den Trakt für die Naturwissenschaften zu laufen.

Während ich um die Ecke gehe, sehe ich sie.
Sie stehen an dem schwarzen Brett und lachen über etwas. Drei von ihnen stehen mit dem Rücken zu mir, aber der vierte lehnt sich mit dem Rücken an das Brett, sodass er mich geradewegs sehen könnte. Seine weißen Zähne strahlen beim Lachen und er fährt sich im nächsten Moment durch seine schwarzen Haare, die ohnehin schon perfekt stehen. Deshalb weiß ich, dass er das nur tut, damit die Mädchen wieder ihre Fangirlattacken bekommen. Tatsächlich steht eine Gruppe von Mädchen etwas weiter von ihnen entfernt.
Sie tuscheln untereinander und linsen immer wieder zu den Jungs - natürlich ganz unauffällig, sodass man nicht auch nur auf die Idee kommen könnte, dass sie über sie reden.

Da ich keine andere Wahl habe, laufe ich so schnell es geht um die Ecke, denn es ist der einzige Weg, um zu den Räumen zu gelangen.
Als ich an dem schwarzen Brett vorbei gehe und die erste Stufe der Treppe besteigen möchte, ruft mich Jason zurück. Ich bleibe intuitiv stehen, da ich weiß, dass man ihn lieber nicht provoziert und drehe mich auf dem Absatz um.
,,Ash, hast du nicht gut geschlafen oder einfach nur ein bisschen zu viel Sonnencreme benutzt? Es sieht so aus, als würdest du dich jeden Moment in Dracula höchstpersönlich verwandeln."

Ich weiß, dass ich in diesem Moment wirklich blass um die Nase aussehe, aber nur weil ich echten Respekt vor ihm habe. Keine Angst, nur Respekt, versuche ich mir immer einzureden. Angst ist ein mieser Verräter.
Er zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich durch seine grünen Augen.
Ich kann verstehen, dass alle Mädchen auf ihn stehen. Er sieht wirklich nicht schlecht aus, aber was bringt ihnen ein gutes Aussehen, wenn der Charakter dem eines ausgespuckten, geschmackslosen Kaugummis gleicht?

,,Hat es dir etwa von meiner Schönheit die Sprache verschlagen?",fragt er ungeduldig.
Eher von deinem Ego, das so groß ist, dass es locker fünf Mal den kompletten Erdball umrunden könnte, denke ich mir.

,,Mir geht es gut, danke der Nachfrage", sage ich mit dem Versuch, so unangespannt wie möglich zu wirken. ,,Das habe ich nicht gefragt, weil es mich interessiert", antwortet er kühl. ,,Aber wenn du dann noch zufällig Lust hättest, meine Mathe Hausaufgaben zu machen, würde es mit deiner Gesundheit bestimmt so gut bleiben."

Ich schlucke. Ich habe im Moment echt keine Zeit, aber Lust mich mit ihm anzulegen, habe ich genauso wenig. ,,Naja, also...ähm", stotterte ich herum. Er verdreht mit einem genervten Blick die Augen, wohl in dem Wissen, dass ich es sowieso machen werde. Was vermutlich auch noch stimmen wird.

Er geht zwei Schritte auf mich zu, doch ich bleibe wie angewurzelt an meinem Platz stehen und rühre mich nicht. ,,Dann formuliere ich es anders: Nummer 11, 13 und 16 auf Seite 167 im Buch. Bis morgen", sagt er bedrohlich.
Ich nicke nur und drehe mich wieder um, damit ich Jason und die anderen so schnell wie möglich hinter mir lassen kann.

Verdammt, ich weiß, dass er es nur getan hat, um seine Macht über mich zum Ausdruck zu bringen. Er macht sich eh nichts aus der Schule, genau so wenig wie seine Freunde Alex, Jo und Carter. Oder Neyra.
Andererseits musste ich schon Erfahrungen damit machen, was passiert, wenn ich mich weigere.

Ich erinnere mich daran, das letzte Mal war vor etwa einem Monat. Jo und Jason schlugen mich, Alex und Carter sahen zwar nur zu, sagten aber nichts. Ich meine mich daran erinnern zu können, in Alex Gesicht einen Hauch Mitleid entdeckt zu haben, aber wenn er nichts dagegen unternahm, brachte mir sein Mitleid herzlich wenig. Das Endergebnis war, dass ich mehrere blaue Flecken, ein paar Prellungen und Nasenbluten hatte - aber immerhin war nichts gebrochen, man muss immer alles von der schönsten Seite angehen.

Dass sie das nur aus Spaß taten, ist dumm, aber selbst mit einem Grund wäre es gleich dumm. Ich habe ihnen nie etwas getan, aber seit ich an dieser Schule bin, versuchen sie mir, mein Leben schwer zu machen. Es ist, als hätte ich ein riesiges Schild vor der Brust, auf dem 'Nehmt mich gerne als Mobbingopfer, ich finde es super' steht.

Sie sind krank, Menschen zu quälen und sich an dessen Leid zu ergötzen, bis diese Menschen nicht mehr mit dem Leid umgehen können, weil sie zu lange stark sein mussten. Sie sind einfach krank. Die ganze Welt ist nur ein kranker Ort mit einem riesigen schwarzen Loch, in das die Zerbrechlichen herein geschmissen werden.

~L

Different *abgebrochen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt