Kapitel 36

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Mein Plan Barry zu überlisten klappte in diesen zwei Tagen nur teilweise. Er kaufte mir meine gespielte Nettigkeit problemlos ab, war jedoch nach wie vor misstrauisch, um meine Bewegungsfreiheit zu erhöhen. 

Dieses beschissene Zimmer war mein Verderben. Die gleichen vier Wände, dieselben langweiligen Möbel und die immer wieder einkehrende lästige Atmosphäre. Ab und zu kam er herein, um nach mir zu sehen. Hauptsächlich, weil er mir mein Essen brachte. Ansonsten passierte logischerweise nichts.

Mittlerweile aß ich sogar, wenn auch nur ein Kleines bisschen. Auch hatte ich die Dusche benutzt und trug momentan die Kleidung, welche Barry mir besorgt hatte. Sprich eine Jogginghose und einen schlichten Pullover. Dazu noch Wollsocken. Noch nie fühlte ich mich in solcher Kleidung dermaßen unwohl. 

Noch größere Sorge bereitete mir aber die Tatsache, dass ich mich immer mehr nach meiner Familie und meinen Freunden sehnte. Nichts, außer dass ich wieder bei ihnen war, könnte dieses schreckliche Gefühl mildern. 

Ich hätte niemals gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber ich sehnte mich selbst nach meinen Eltern. Wenn auch nach meinem Vater weniger. Die Menschen, die mir eigentlich nichts weiter als Kummer und Sorgen bereitet hatten. Noch mehr vermisste ich aber meine Schwester. Kaylee, mein Baby. 

Sie hielt es selbst die paar Stunden nicht aus, wenn ich aus dem Haus ging. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie schrecklich ihr es nun gehen musste, jetzt wo ich tagelang fernblieb. Die Beamten, die sich um mein Verschwinden kümmerten, hatten ihr bestimmt jede Menge Angst eingejagt. Wie gerne ich sie fest umarmen wollte. 

Aber ich war mir sicher, dass Joshua sie beschützte. Kaylee ging es bei ihm gut, da bestand nicht der geringste Zweifel. Früher, wenn ich auf sie aufpassen musste und sie fürchterlich weinte, rief ich jedes Mal Josh zu uns.

Er wusste immer, wie man ihr wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte. Allgemein wie man kleine Kinder behandelte. Ohne ihn wäre ich als Babysitterin verloren gewesen.

Ich stieß einen lauten Seufzer aus. Barry hatte mir drei Bücher mitgebracht. Liebesromane. Einen davon las ich bereits in einer Nacht durch, da ich hier kaum ein Auge zu kriegte. Den zweiten hielt ich gerade in meinen Händen, hatte jedoch keine Lust mehr zu Lesen. 

Die Liebesgeschichte der Protagonisten im Buch ließ mich River wirklich mehr vermissen, als mir lieb war. Das war doch nicht fair. Barry konnte mir nicht einfach kack Liebesromane mitbringen, nachdem er mich krankhaft von meinem Freund getrennt hatte. 

Heute würde ich versuchen den Psychopathen dazu zu kriegen, mir mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Wenn ich von hier fliehen wollte, brauchte es schon mehr als dieses Zimmer. Außer die paar Schritte in das Badezimmer, dass auch noch mit seiner Begleitung, stand mir kein weiterer Weg offen. Bis sich dies änderte, könnte es, wenn ich Pech hatte, noch Tage dauern.

Demnach musste ich weiterhin auf meinen Schönling und auf die Anderen verzichten. Doch je länger wir voneinander fernblieben, desto schöner würde unser Wiedersehen werden. Zumindest war das der Gedanke, der mir ein kleines bisschen Trost spendete. 

"Toni, ich gehe gleich einkaufen. Irgendwelche Wünsche?", betrat Barry plötzlich das Zimmer. Jap, dass du mitten auf der Straße erschlagen wirst. "Nein, danke! Aber ich hätte da eine Bitte an dich...", ich setzte ein kleines Lächeln auf.

Besser, wenn ich ihn schonmal fragte, ob er mich nicht außerhalb dieses Zimmer aufhalten lassen wollte. Denn wenn er jetzt verneinen würde, würde er trotzdem später darüber nachdenken. 

Barry nickte, schloss die Tür hinter sich zu und musterte mich anschließend neugierig. "Ich wollte dich fragen, ob ich auch mal rausgehen dürfte." Noch bevor ich weiterreden konnte, verfinsterte sich seine Miene. "Halt, nicht so wie du jetzt denkst! Ich meine innerhalb dieses Hauses. Dass ich auch das Zimmer verlassen und zum Beispiel ins Wohnzimmer gehen möchte."

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