Kapitel 44

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"Ich brauche deine Hilfe!", entfuhr es mir flehend, als Cecilia sich neben mich stellte. Sie betrachtete die Stelle, an der ich die Schere angesetzt hatte. "Oh ja, das sehe ich! Du hast dir noch nie selbst die Haare geschnitten, oder?" Ich glaubte Belustigung aus ihrem Ton herauszuhören.

Mit dem Kopf schüttelnd musterte ich mich im Spiegel. "Ich bin ziemlich blindlings vorangegangen.", erklärte ich und stieß hinterher frustriert die Luft aus. Cece trat nun hinter mich. "Mach dir da mal keine Sorgen, das haben wir gleich!"

Bevor ich mir den Schnitt komplett versaute und als Folge mit einer katastrophalen Frisur durch die Gegend laufen müsste, eilte sie mir glücklicherweise gerade noch rechtzeitig zur Hilfe. Dazu schien sie auch Erfahrung zu haben. Ich freute mich bereits auf das Endergebnis.

"Während ich dir einen Stuhl hole und Joshua informiere, dass wir hier länger brauchen werden, kannst du doch schon mal deine Haare waschen." Wie konnte ich nur vergessen, dass es sich mit nassen Haaren besser schneiden ließ? Man merkte, dass ich die ganzen Friseurtermine erfolgreich verdrängt hatte.

Kaum war sie aus dem Bad verschwunden, legte ich mir ein Handtuch bereit und zog meinen Pullover aus. Anschließend kniete ich mich vor die Badewanne, nahm den Duschkopf in die Hand und öffnete das Wasser.

Nachdem ich mir die angemessene Temperatur eingestellt hatte, beugte ich mich weiter vor und ließ kurze Zeit später die warmen Wasserstrahlen auf meinen Kopf regnen.

Für einen Moment fühlte ich mich wohl, da das Wasser angenehm auf mich herab prasselte, doch als mein linker Arm mit der warmen Nässe in Berührung kam, erinnerte mich der abrupt stechende Schmerz an meine Kratzwunden. Einige Sekunden hielt ich es noch aus, bis ich das Wasser ganz abstellte und nun mein Haar einshampoonierte.

Ich massierte das Shampoo mit kreisenden Bewegungen in mein Haar und in die Kopfhaut ein. Dabei war ich zu sehr in Gedanken vertieft gewesen, wodurch ich Cecilias Kommen nicht mitbekam, sondern erst dann, als sie fragte, ob sie mir behilflich sein könne. Eigentlich hätte ich sofort dankend verneint, doch da gab ich mir einen Ruck und bejahte.

So wie ich feststellte, war es immerhin besser, wenn meine wunde Haut wenig mit Wasser in Kontakt kam, daher nahm ich ihr Angebot gerne an. Zuerst spülte Cece alles sorgfältig aus, hinterher ließ sie kaltes Wasser auf meine Kopfhaut fließen, um die Durchblutung zu erfrischen. Schlussendlich rubbelte ich mit dem Handtuch mein Haar einigermaßen trocken.

Bevor ich mich vor den Spiegel auf den Stuhl setzte, zog ich mir wieder den Hoodie über. Währenddessen suchte die Halbinderin all ihre Utensilien zusammen, ehe sie sich mit einem Frisierkamm und einer Schere hinter mich stellte.

"Weißt du schon, wie kurz du sie haben möchtest?", erkundigte sie sich mit einem Lächeln. Ehrlich gesagt nein, darüber machte ich mir bisher noch keine Gedanken. Demnach wickelte ich meine Haare jeweils rechts und links an meine Hände und versuchte mir eine Vorstellung von den unterschiedlichsten Längen zu kreieren.

Letztendlich entschied ich bis zur Schulterhöhe. "Eine gute Entscheidung. Die Länge würde dir perfekt stehen!", willigte Cece ermutigend ein und entlockte mir sogar ein Lächeln. Schließlich fing sie an zu schneiden. "Woher kannst du das eigentlich?", fragte ich und musterte sie interessiert im Spiegel.

"Ich habe zwei Wochen lang als Aushilfe in einem Friseursalon gearbeitet. Ich wollte mein Taschengeld auffrischen und da kam mir die Mutter von einer Freundin ganz gelegen. Ihr gehört nämlich der Salon. Innerhalb von vierzehn Tagen lernt man erstaunlich viel."

Jetzt wo sie es erwähnte, erinnerte ich mich, dass Josh derartiges mal erzählt hatte. Sobald es Neuigkeiten in ihrem Leben gab, war Josh einer der Ersten, der davon Bescheid wusste. Auch bevor sie zusammen kamen. Und dann musste ich davon auch erfahren. Dementsprechend kannte ich Cece gut genug, ohne überhaupt sie richtig kennengelernt zu haben. Irgendwie gruselig.

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