Ich atmete tief ein und blies die Backen auf. "Meine Rede..", kam es von links. Ich drehte meinen Kopf und schaute in zwei wunderschöne, braune Teddybäraugen. Ich musste schmunzeln. Felix saß nur im Physikunterricht neben mir - auch nur da unterhielten wir uns. Der Lehrer, ein kleiner, magerer, zerstreuter Mann, schrieb jede Stunde mindestens drei Tafeln voll und niemand hatte Motivation, das alles mitzuschreiben. Ich drehte mich wieder nach vorn, als er gerade ein Schülerbuch in der Hand hielt und darin blätterte. "Auf Seite 68 ist das schön zu sehen, Seite 70 auch..." weiter hörte ich nicht zu, weil der Junge neben mir mich erneut ansprach und fragte, ob meine Banknachbarin und ich zwei Bücher hätten. Ich schaute sie an und sie schüttelte den Kopf. Felix stellte also meinen Rucksack etwas zu grob zur Seite und setzte sich direkt neben mich. Dann schob er mein Federkästchen zur Seite und zog mein Buch näher zu sich heran, sodass auch er etwas von dieser ungemein spannenden Grafik über Antennen sah.
Wir unterhielten uns ein bisschen, machten dumme Witze und lachten. Ich mochte ihn, wenn auch nicht mehr so sehr wie noch vor einiger Zeit. Ich war schwerstens in ihn verliebt gewesen, doch seit einiger Zeit hatte ein anderer Junge meine Aufmerksamkeit erregt. Im Moment war ich noch dabei, dieses Gefühl erfolgreich zu verdrängen, doch ich wusste, dass ich es früher oder später einsehen musste. Meiner Banknachbarin und besten Freundin Anna hatte ich von alle dem nichts erzählt; ich hatte Angst vor ihrer Reaktion - sie hatte mir einmal gesagt, dass sie diesen Jungen nicht besonders mochte.
Zurück zum Unterricht: Wir unterhielten uns also und nachdem er die Geschichte meines Exfreundes und mir aus mir herausgequetscht hatte, meinte Anna, dass ich, wenn ich mal in einer Beziehung wäre, die mir nicht guttut, ich mich nicht trauen würde, sie zu beenden. Und das stimmt. Ich bin der schlimmste, naivste Ja-Sager. "Alter, wie ihr wohl seid wenn ihr high seid", lachte Felix nach einer besonders dummen Aussage seitens Anna und so kam es, dass er sie und mich einlud, mit ihm einen Joint zu rauchen.
Später saß ich im Französischunterricht, den Kopf an die Wand gelehnt und fast eingeschlafen, als neben mir plötzlich ein Papierflieger landete und ich fast einen Herzinfarkt bekam, weil ich mich so erschrocken hatte. Ich griff danach und las den unfassbar langen Text auf dem Zettel. "Na". Der Flieger kam von hinten: von Johann - dem Jungen, für den ich meine Gefühle nur noch schwer verdrängen konnte. Ich biss mir auf die Unterlippe und schrieb etwas zurück. Dann schaute ich nach vorne zur Lehrerin, um zu überprüfen, dass sie nichts sah, drehte mich um und warf den Flieger zurück. Direkt mit der Spitze an seine Stirn. "Sorryyyy" flüsterte ich und grinste ihn dumm an, bevor ich mich wieder an die Wand lehnte. So ging unsere äußerst tiefgründige Konversation immer weiter. Ich schlafe fast ein, erschrecke, schreibe zurück. Ich mochte ich wirklich gerne, er war ziemlich nett. Zu mir zumindest. Anna hingegen hasste ihn regelrecht, hatte ich das Gefühl. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit, glaube ich.
Neben Johann saß Benjamin. Ich wusste nicht recht, was ich von ihm hielt, ich glaube, er stand mal auf Anna, aber sicher bin ich mir da nicht. Er ist irgendwie ein bisschen undurchschaubar - vielleicht kannte ich ihn auch einfach nicht gut genug.
Als ich später nach Hause kam, warf ich meinen Rucksack in eine Ecke und hängte meine Schlüssel ans Schlüsselbrett. Dann legte ich mich auf mein Bett, den Kopf falschherum in der Luft , und versank in einem Tagtraum.
Ich saß auf einer Mauer auf dem Dach eines Hauses, der Himmel war tiefschwarz, es war Neumond. Das einzige Licht kam von den Sternen und von einer schwach flackernden Straßenlaterne am Gehsteig weit unter mir. Meine Beine hingen in der Luft und in der Hand hielt ich eine Flasche Rotwein. Lauer Sommerwind strich durch meine Haare und neben mir erschien eine Gestalt. Es dauerte ein wenig, bis ich wusste, wer es war. Anna. Sie schaute direkt nach oben an den Sternenhimmel und schwieg. Ich tat es ihr gleich. "Eine Sternschnuppe!", freuten wir uns gleichzeitig und ich kniff die Augen zu, um mir etwas zu wünschen. Johann. Das war das einzige, was mir einfiel. Ich versuchte weiter nachzudenken, jedoch unterbrach mich eine Stimme, die mich fragte: "Und, was hast du dir gewünscht?" Doch es war nicht Annas Stimme. Sie war viel tiefer und männlicher. Ich drehte mich zur Seite und sah direkt in Johanns Gesicht. "Das darf man nicht verraten, sonst geht es nicht in Erfüllung.", antwortete ich leise und nahm einen Schluck aus der Weinflasche.
Ich hörte einen Schlüssel klappern und schloss entnervt die Augen, bevor ich seufzte und ein "Hallo" in den Flur rief. "Willst du nicht einmal deine Höhle verlassen? Es ist so schönes Wetter draußen. Als ich so jung war wie du.." Mein Gehirn schaltete auf Durchzug. Mein Stiefvater schaffte es wiedereinmal mit einem Satz, dass meine Laune sofort an einen Tiefpunkt gelangte.
Ich dachte an die bevorstehende Klassenfahrt. Vier ganze Tage ohne ihn. Vier ganze Tage mit meinen Freunden. Vier ganze Tage hunderte Kilometer weit weg am Gardasee.
Was allerdings zuerst drankam, war mein 16. Geburtstag. Dann könnte ich endlich Bier kaufen und.. ja, was denn eigentlich noch? Mit älteren Männern schlafen scheinbar. Lohnt sich definitiv, 16 zu werden. Meine Freunde werden alle schon 17, richtig frustrierend, aber naja, was will man machen?
Als mein Stiefvater endlich wieder gegangen war, um in seinem Schrebergarten zu 'arbeiten' (was, grob gesagt, daraus bestand, etwas zusammenzuschrauben, sechs Flaschen Bier zu trinken und dann vor dem Fernseher einzuschlafen), rappelte ich mich auf, um etwas zu kochen. Meine Mutter hatte Spätschicht, und so hatte ich die ganze Wohnung für mich alleine.
Während ich ein Stück Hähnchenbrust in Streifen schnitt, fiel mir ein, dass ich garnicht wusste, wann ich meinen Geburtstag eigentlich feiern möchte. Ich schrieb also eine Nachricht in die WhatsApp-Gruppe mit Johann, Benjamin, Erika, Franzi und Anna und fragte außerdem noch zwei andere Freundinnen. Amira und Sarah. Ich wusste, dass Amira und Erika sich wegen einer Sache vor einem Jahr nicht leiden konnten, weshalb ich meine Bedenken äußerte, als Erika schrieb, dass sie gern kommen würde. Das bekam sie in den völlig falschen Hals und pampte mich an, was mir den einfiel, es von Amira abhängig zu machen, ob sie eingeladen war. Nachdem wir uns gut zwei Stunden gestritten hatten, meinte sie, dass sie jetzt auch keine Lust mehr auf meinen Geburtstag hatte und demzufolge nicht kommen wollte. (Dieses Detail merken wir uns für später.)
Ich beschloss, dass ich in den Sommerferien feiern wollte und fragte herum, wer wann im Urlaub war. Da in den ersten fünf Wochen jeder irgendetwas vorhatte, musste ich in der letzten Woche feiern. Am 13. August, einer der besten Tage der Perseiden. Darauf freute ich mich. Meine Freunde, Bier, dumme Spiele und Tonnen von Sternschnuppen.
Da ich jedoch erneut in der Gruppe nach den Urlaubsreisen meiner Freunde fragte, kam es dazu, dass Erika plötzlich doch wieder mitfeiern wollte. Ich sagte also, sie sei nicht mehr eingeladen und sofort war wieder der Streitmodus an. Sie wollte doch gar nicht mehr kommen? Scheinbar hatte sie einen Sinneswandel gehabt. Ich ignorierte sie jedoch, sie verließ die Gruppe und war vermutlich ziemlich angepisst.
Als mein Reis gar war, gab ich ihn mit ein paar Tomaten, Zuckererbsen und Paprika zum Fleisch und sog den Duft ein. Ich liebte Reispfannen. Ganz im Gegensatz zu meinem Stiefvater, der sich oft genug darüber beschwerte, wenn es Reis gab. Vorschläge, was ich stattdessen kochen könnte (außer Salzkartoffeln, Frikadellen oder Tütensuppe), brachte er nicht. Aber das war mir egal. Ganz, wie meine Mutter einmal gesagt hatte: Er hat das zu essen, was auf den Tisch kommt. Und da gab ich ihr vollkommen Recht.
Ich schaufelte mir also eine Portion auf den Teller und aß sie, während ich die Fische in meinem Aquarium beobachtete. Als ich fertig war, scrollte ich noch ein bisschen durch Instagram und ging später einmal wieder viel zu müde ins Bett.
Die nächsten Tage waren ziemlich langweilig und so kam es, dass mein Geburtstag sehr langsam, aber sicher immer näher rückte. Ich freute mich, da an diesem Tag eine Exkursion ins Planetarium angesetzt war.
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the girl behind the window
Teen FictionDie Pubertät schlägt zu... Lieber Leser. Mach dich gefasst auf die volle Ladung Dummheit, Überforderung, unnötigen Ausschweifungen und Details, Tränen, dummen Witzen und sinnlosen Übertreibungen. Sämtliche Parallelen zur realen Welt und echten Perso...