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Ich schlug die Augen auf. Jemand hatte sehr schwungvoll meine Zimmertür geöffnet und sagte jetzt etwas zu laut und motiviert dafür, dass es sechs Uhr morgens war: "Guten Morgen, meine Geburtstagsprinzessin!" Ich musste schmunzeln und setzte meine alte Plastikkrone auf, die meine Mutter mir hinhielt. Ich zog mich an, trank einen Cappuccino und aß ein Sandwich, das ich nicht selbst schmieren musste, weil ich heute ja die Geburtstagsprinzessin war. Nachdem ich sehr gemütlich duschen war, warf ich eine Flasche Wasser und eine Banane in meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zur Schule.

Als ich um die Ecke bog, erblickte ich schon einige meiner Freunde und ziemlich viele andere Schüler. Ich war scheinbar Mal wieder eine der letzten, was dazu führte, dass sich alle auf mich stürzten und mich umarmten und mit gratulierten. An sich wäre das nicht so schlimm gewesen, hätten mich nicht immer drei Leute auf einmal zusammengequetscht. Einzig Anna war mitfühlend und schüttelte mir lediglich die Hand, um mir dann mein Geschenk zu überreichen.

Nachdem wir gezählt wurden, stellte man fest, dass Lukas wieder einmal fehlte. Wer auch sonst? Der komplett verkorkste Junge war mit Amira zusammen und ich fand ihn manchmal ziemlich seltsam. Er schaffte es immer wieder, dass ich ihm Dinge erzählte, die ich ihm eigentlich gar nicht erzählen wollte. Abgesehen davon roch er meistens nach Rauch, aber im Großen und Ganzen war er okay und man konnte ziemlich tiefgründige Gespräche mit ihm führen.

Wir gingen also ohne ihn los. Unterwegs, als wir schon etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, dreht sich Johann zu mir um. "Übrigens, alles Gute zum Geburtstag.", sagte er und nachdem ich von Benjamin ebenfalls ein "Alles Gute" zu hören bekam, bedankte ich mich und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Er hatte mir zum Geburtstag gratuliert und es nicht vergessen. Ich grinste Anna an und sie verdrehte nur belustigt die Augen. Auch sie wusste mittlerweile, was Sache war.

Im Planetarium angekommen, bekamen wir einen Film vorgespielt, der eigentlich ganz interessant war, allerdings war irgendjemand beim Einrichten des Raumes auf die Idee gekommen, den Beamer an die Decke des Raumes zu richten, sodass man nach zehn Minuten einen Krampf im Nacken bekam. Nach dieser ausgesprochen angenehmen Erfahrung gingen wir für ein paar Sonnenbeobachtungen auf das Dach des Hauses. Dort konnte man durch ein riesiges Teleskop die Sonne als simplen roten Kreis sehen, da sie an dem Tag keine richtigen Sonnenflecken hatte. Nach ein paar weiteren Teleskopen konnten wir mit Brillen, die aussahen, als wären sie mit Alufolie bespannt, in die Sonne sehen. Ich hatte mir die ganze Sache viel aufregender vorgestellt, als sie schlussendlich war. Wir gaben also die Brillen unserem Führer zurück, jedoch fehlte eine und jeder wusste sofort, wer sie hatte. Es dauerte ein Stück, bis sich Lukas meldete und uns erklärte, er hatte sie kaputt gemacht und wollte sie zu Hause kleben, um sie dann wieder in den Briefkasten zu werfen (und ich bin Jesus, das hätte er bestimmt gemacht). Er gab die Brille also etwas widerwillig zurück und der Führer schaute ihn ausdruckslos an. Dann steckte er die beiden Teile mit einem leisen Klicken zusammen und sie sah aus wie neu. Lukas lachte nur etwas nervös und verschwand dann in der Schülermenge.

Der Tag wurde immer spannender, als nächstes wurde uns ein Vortrag gehalten. Über Teleskope. Niemand hörte zu, Johann wurde gezwungen, von den Teleskopen seines Vaters zu erzählen und dann konnten wir endlich gehen.

Anna und ich steuerten den nächsten Supermarkt an. Heute war mein Geburtstag, ich war endlich 16 und deshalb legte ich zwei Dosen Bier und eine Packung Toffifee für meine Freundin und mich, eine sehr kleine Flasche Sekt, um mit meiner Mutter anzustoßen und ein Börek auf das Kassenband. Ich hielt der Kassiererin möglicherweise etwas zu stolz meinen Ausweis vor die Nase, als sie danach fragte und aß später an der Bushaltestelle etwas zu glücklich mein Börek.

Am Nachmittag musste ich mit einer Oma väterlicherseits Eis essen gehen, was sich meiner Meinung nach äußerst unangenehm gestaltete, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Sie fand, wir müssten mehr zusammen unternehmen, weshalb wir nach einem Besuch auf dem Sonnenblumenfeld beschlossen, irgendwann einmal zusammen in den Zoo zu gehen. Ich persönlich finde den Gedanken daran ziemlich bedrängend. Ich kannte sie kaum und eigentlich waren mir die Weihnachts- und Eisessen mit ihr schon zu viel, weil sie für mich im Prinzip war, wie ein fremder Mensch, was meinem Selbstbewusstsein bei diesen Treffen nicht besonders guttat. Ich hatte immer Angst, sie könnte etwas schlechtes von mir denken, wenn ich etwas Falsches sagte oder weil ich mich generell nicht oft genug bei ihr meldete.

Als ich endlich zu Hause ankam, ging ich schon wieder duschen. Es war viel zu warm draußen und das zog sich durch die ganze Woche, bis endlich das Wochenende vor der Tür stand. Dieses Wochenende war ein sehr besonderes Wochenende. Ich würde bei Anna übernachten und etwas tun, was ich noch nie getan hatte.

Am Freitag Abend traf ich mich also mit Anna, Lukas und Amira und wir machten uns auf den Weg zu einer Bank auf einem Hügel am Rand eines Feldes. Dort setzten wir uns hin und nach einigen Minuten Bastelei hörte ich das Klicken eines Feuerzeuges. Als ich an der Reihe war, zog ich am Joint und spürte, wie der warme Rauch mit einem leichten Kratzen meine Lunge füllte. Als ich ein zweites mal daran zog, atmete ich tiefer ein und musste augenblicklich anfangen zu husten. Ich schluckte meine Übelkeit runter und machte weiter, bis ich etwas bemerkte. Meine Umgebung wurde irgendwie... weicher und ich musste grinsen. Anna und ich schauten uns alle zwei Minuten an, um zu überprüfen, ob wir rote Augen hatten. Als wir aufgeraucht hatten, bekamen wir Hunger und machten uns auf den Weg zurück; auch, weil es Amira überhaupt nicht gut ging. Besonders schnell kamen wir allerdings nicht voran. Zum einen, weil wir ständig stehen blieben und Amiras Chips aßen - zum anderen wegen Lukas. Er war so high, dass er nicht mehr wusste, was er tat. So kam es, dass er einen anderen Weg einschlagen wollte als den, auf dem wir gekommen waren. "Ich will da lang gehen!", sagte er. Wir sagten ihm, dass das die falsche Richtung sei, aber er erwiderte nur: "Aber da lang sieht schöner aus!" Dabei lag ein breites Grinsen auf seinen Lippen, was -zugegebenermaßen- irgendwie ein bisschen süß aussah.

Wir setzten uns an einen Tisch im Restaurant und warteten auf unsere Pizza, nachdem wir bestellt hatten und ich konzentrierte mich auf mich selbst. Ein leichtes Kribbeln durchzog mein Inneres und meine Beine fühlten sich schwer und leicht zugleich an. In meinem Kopf schwirrten nicht wie sonst immer hunderte verschiedene Gedanken, sondern ich aß mit höchster Konzentration meine Pizza. Das Gefühl war ungewohnt, aber irgendwie war ich ihm nicht abgeneigt. Anna und ich wurden ziemlich müde und wir machten uns auf den Weg zu ihr nach Hause, wo wir dann sofort ins Bett gingen.

Ich glaubte, noch nie so ruhig geschlafen zu haben. Es war ein traumloser Schlaf, aus dem ich kein mal aufwachte. Am Morgen lag ich noch genauso da, wie ich eingeschlafen war. An diesem Tag war ich noch immer sehr entspannt. Ich glaubte, das würde ich noch öfter tun.

the girl behind the windowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt