IV

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Hastig warf ich einige Kleidungsstücke in meinen viel zu großen Reisetasche. Meine Mutter würde in einigen Minuten nach Hause kommen und ich hatte noch nicht einmal angefangen zu Packen. Es fasziniert mich immer wieder, wie schnell man unter Stress präzise Handgriffe ohne einen einzigen Fehler ausführt. Auch wenn ich eher dazu tendierte, mich verwirrt um mich selbst zu drehen und wahllos Dinge umzustellen.

Ich war also gerade auf der Suche nach meinem Bikini, als ich hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss umdrehte. Schnell tat ich beschäftigt, faltete ein paar Shirts und legte sie in meine Tasche, als meine Zimmertür aufging und meine Mutter ihren Kopf hereinstreckte. "Fertig gepackt?" fragte sie kurz angebunden. "Nein, Mama!" stöhnte ich etwas aufgebracht. "Na dann, mach mal Eier!" Der Kopf verschwand und die Tür blieb offen stehen.

Mit einem entnervten Seufzer schloss ich die Tür und packte wesentlich entspannter weiter meine Sachen zusammen. Ich setzte mich währenddessen immer mal wieder auf mein Sofa, ich war von gestern noch verdammt müde - Bier und Gras waren scheinbar keine gute Kombination.

Mir fiel ein, dass wir eigentlich auf die Klassenfahrt, wofür ich gerade mein Zeug zusammenpackte, etwas zu Trinken mitnehmen wollten. So wie es aussah, wurde daraus allerdings nichts, da noch niemand etwas besorgt hatte. Wir würden also eine ganze Woche in der italienischen Hitze umgeben von nervigen Touristen und unseren mehr oder minder seltsamen Klassenkameraden nüchtern aushalten müssen. Na danke.

Ein paar Tage später ging es dann endlich los: Ich musste schon um fünf Uhr aufstehen und dementsprechend sah ich auch aus. Nachdem ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht gerieben hatte, aß ich eine etwas zu große Portion Cornflakes zum Frühstück und steckte noch ein paar Dinge in meinen Rucksack, bevor ich mich anzog und losging. Die Träger meiner Reisetasche schnitten schmerzhaft in meine Schulter ein, weshalb ich sehr zügig lief und etwas zu zeitig am Bus ankam. 

Ich suchte mir einen Platz relativ weit vorn, weil ich wusste, dass hinten die Mitglieder unserer Parallelklasse Platz nehmen würde und ich nicht zwischen ihnen sitzen wollte. Lukas war ungewöhnlicherweise auch einer der Ersten und reservierte sich gleich zwei Plätze direkt gegenüber von mir. Dann ging er wieder raus - ich vermutete, um auf Felix zu warten und eine zu rauchen. Ich blieb in dem stickigen Reisebus sitzen und hörte etwas Musik. Die Sitzbezüge waren in einem ziemlich hässlichen Rotton gehalten und hatten Kopfstücke aus schwarzem Kunstleder. Ich sah Anna kommen und winkte ihr zu. Nachdem sie ebenfalls eingestiegen war, gab es eine kurze Diskussion, wer am Fenster sitzen dürfte. Ich verlor und rutschte etwas enttäuscht auf den Platz am Gang.

Etwas später fuhren wir los. Wir spielten MarioKart und MarioParty und stopften uns voll mit ungesundem Kram und fettigen Chips. Alles in Allem war es eine lustige Fahrt, auf der aber nichts wirklich spannendes passierte - was auch immer ich erwartet hatte. Am späten Nachmittag kamen wir am Gardasee an. Wir sahen uns unsere Hütten an und das Erste, was wir taten, war die Klimaanlage einzuschalten und sämtliche Fenster zu öffnen, weil wir uns fühlten wie ein paar Grillhähnchen im Ofen.

Da wir noch Zeit hatten, bis es Abendessen gab, gingen einige von uns zum Strand, andere spielten Volleyball oder Karten und der Rest ging zum Pool; wir durften nämlich im See nicht baden, was wir allerdings trotzdem taten - heimlich natürlich. Unsere Hütte - das waren Amira, Sophie, Anna und ich - begab sich zum Pool. Irgendwie war ich am schnellsten fertig damit, meinen Bikini anzuziehen, weshalb ich mich in die Eingangstür setzte (übrigens auch der einzige Ort, an dem das teure und schlechte WLAN überhaupt manchmal funktionierte) und das rege Treiben in den Hütten der Umgebung beobachtete. Direkt gegenüber wohnten Johann, Felix, Dustin und ein Typ namens Elijah, den ich noch aus der Grundschule kannte. Ich konnte nicht erkennen, wer sich daneben eingenistet hatte, weil wirklich viele Leute dort standen, saßen und herumliefen. Rechts von unserer Hütte wohnte Franzi zusammen mit Erika und zwei anderen Mädchen und links Lukas mit den Jungs, die immer Karten spielten.

the girl behind the windowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt