Kaptiel 4.

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... wäre da nicht diese Narbe, die sich über die komplette untere linke Hälfte meines Gesichts zieht.
Als Kat mich fand, war dieser Teil bereits bis auf die Knochen verbrannt.
Mein linker Mundwinkel existiert praktisch nicht mehr.
Vorsichtig ziehe ich den Schal, den ich meistens um diesen Schandfleck wickle nach unten und höre nur, wie Maria scharf die Luft einzieht.
In seiner vollen Pracht, hat mein Gesicht mittlerweile etwas zutiefst furchteinflößendes.
Wenn ich schon nicht an den Folgen meiner Verletzungen gestorben bin, dann hätte ich zumindest blind sein müssen. Bin es aber nicht.
Tatsächlich interessant. Mir fällt dazu auch keine Erklärung ein.
Vielen Dank, für diesen unbrauchbaren Beitrag.
"Auri, was hat es mit dem nicht mehr sprechen können auf sich?" Fragt mich Maria, als sie vorsichtig hinter mich tritt.
Ich drehe mich zu ihr um, halte ihren Blick mit meinem fest und öffne, soweit es meine verschmorten Lippen zulassen, meinen Mund.
Im nächsten Augenblick sehe ich, wie sich Marias Adern schwarz verfärben. Ihre Krallen werden länger und Zähne so spitz wie Dolche fangen an aus ihrem Mund heraus zu wachsen.
"Wer... hat dir... das angetan.." presst sie unter kurzen Atemstößen hervor.
"WER WAR DAS" brüllt sie sieht dabei nicht mal mehr einen hauch menschlich aus.
Am liebsten würde ich dasselbe fragen, aber ohne Zunge... ist das schwer.
Ich will auf sie zugehen um sie zu beruhigen bis ich plötzlich etwas spüre. Maria hält inne und spitzt die Ohren.
Ohne eine weitere Sekunde zu vergeuden rennen wir nach draußen und ich fühle den Einschlag schon, bevor er überhaupt eintritt.
Eine riesige Staubwolke empfängt uns als wir draußen ankommen. Ich blinzle gegen die kleinen Partikel an und versuche etwas auszumachen. Wo ist Kat? Panisch drehe ich mich und suche in dem Durcheinander nach ihr, aber ohne Erfolg. Maria steht neben mir, noch immer verwandelt und wittert anscheinend etwas in der Luft.
"Verschwinde Auri! Schnell! Hau ab!" Ruft sie mir zu und baut sich angespannt vor mir auf. "Das sind sie! Jetzt renn schon verdammt nochmal!"
Tu was sie sagt!
Kannst du vergessen. Ich lasse meine Freunde nicht im Stich.
Entschlossen stelle ich mich neben Maria.
"Aurelia bitte!" Kreischt sie mir mit einem vor Wut verzerrtem Gesicht entgegen. "Schau was sie mit mir gemacht haben?! Was willst du denn tun?! Du dämlicher Sturkopf! Bleib am Leben, für Sammy." Flüstert sie den letzten Teil ihres Satzes.
Für Sammy... Etwas warmes breiter sich in meinem Bauch aus und bahnt sich einen Weg durch meinen ganzen Körper.
Langsam lichtet sich der Rauch. Maria zischt durch ihre aufeinander gepressten Zähne und macht sich bereit für den zu erwartenden Angriff.
Ich richte mich ebenfalls zu meinen vollen 1,70 auf und warte auf... auf was eigentlich genau?
Der Staub legt sich und...
KATHARINA! Versuche ich zu schreien, aber nur ein ersticktes Glucksen entweicht meinem Mund.
Sie haben sie... Ihr kleiner Körper hängt in Fetzen zwischen... Oh Gott warum nur!?
WARUM SIE!?
"Das reicht nicht man, ich hab immer noch Hunger." Daniel kniet blutend vor ihnen im Dreck....
Renn! Renn endlich! Du bist meine einzige Chance zu überleben!
Eine innere Macht zieht an mir, will mich zwingen zu fliehen, aber ohne Erfolg...
Ich sprinte los.
Dass ich schnell bin, eigentlich viel zu schnell, nehme ich einfach hin.
Die Welt um mich herum wird schwarz. Mit einem wütenden brüllen entfessle ich das, was seit dem sie mir Sammy genommen haben unter der Oberfläche meiner Haut darauf wartet freigelassen zu werden.
Schwarze flammen breiten sich in einem Kreis mich und diese widerlichen Blutsauger aus.
"Das kann nicht sein! Nicht hier!" Kreischen sie und versuchen, meinem Flammenmeer zu entkommen.
Hah... Als ob sie eine Chance hätten.
Etwas wächst auf meinem Kopf und als ich mich aufrichte ist mir klar, dass 1,70 bereits weit unter mir liegen.
Mein Geist klärt sich und ich fixiere die beiden Gestalten vor mir.
Mit einem Blick auf Kats leblosen Körper wird mir endgültig etwas klar:
Die Menschen sind nicht mehr die überlegene Rasse auf diesem Planeten.
Sie haben nach Werten und Vorstellungen gelebt, die diese Wesen niemals zuvor erfahren haben.

Für sie sind wir wie Vieh.

... Kat, ich weiß du hättest gewollt, dass ich mich zusammenreiße.
Hättest gewollt, dass ich diesen Weg nicht wähle...
Aber weißt du, ich kann es nicht mehr ertragen...

Der Tod allein ist nicht genug.

"Unser König wird dich finden! Du wirst hier nicht lange überleben Drachenabschaum!"
Ein tiefer Laut entweicht mir.
Ist das meine Stimme?
Zwei bebende Schritte mache ich auf die beiden zu, die aus meiner Perspektive wie Ameisen aussehen und dann schreie ich aus tiefster Seele:

"ER SOLL KOMMEN! ICH WARTE NUR AUF IHN!"
Und die Welt brennt. 

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