Southside Serpents

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Ich sehe mir das ganze ein paar Sekunden lang an und beschließe dann doch, auszusteigen. Erst jetzt bemerke ich, dass Jug dasselbe Logo hinten auf seiner Jacke trägt, wie die anderen Jungs hier. Sie sind alle etwa in unserem Alter.
Die übrigen Jungs mustern mich kritisch. Dann entdeckt mich auch Sweet Pea. Als ich Blickkontakt zu ihm habe, bemerke ich, dass seine Augen haargenauso aussehen, wie meine. Dasselbe helle Braun gemischt mit einem eigenartigen Grün, welche in Kombination eine Augenfarbe ergeben, die man fast gar nicht definieren kann.
"Was will sie denn hier? Wer ist das überhaupt?", fragt Sweet Pea.
Jug und er lösen sich aus der Umarmung.
"Das ist Janie. Sie ist gestern erst hierher gezogen und ich wollte ihr eigentlich nur die Stadt zeigen.", erklärt er.
"Wir haben vorhin gehört, was mit deinem Dad passiert ist. Hey, ich bin für dich da, okay? Du musst da nicht allein durch."
Sweet Pea fängt wieder an, zu weinen und Jughead nimmt ihn noch einmal fest in den Arm.
So einen großen, eigentlich äußerst taff wirkenden Typen so sehr weinen zu sehen, bricht mir das Herz, auch wenn ich ihn gar nicht kenne.
"Es tut mir Leid, was mit deinem Dad passiert ist. Ich weiß genau, wie scheiße es sich anfühlt, einen Elternteil zu verlieren. Ich hab vor ein paar Monaten genau dasselbe durchgemacht."
Sweet Pea sieht mich nur an, ohne ein Wort zu sagen. Irgendwas in seinem Blick wirkt sehr fragend und durcheinander auf mich. Als würden ihm tausend Dinge durch den Kopf jagen, aber er weiß selbst nicht so ganz, was Sache ist.
"Hast du denn noch andere Familienmitglieder hier?", frage ich, um sicher zu gehen, dass er auch auf längere Sicht Bezugspersonen hat, an die er sich, natürlich neben Jug, wenden kann.
Er schüttelt den Kopf.
"Ich habe keine Geschwister und meine Mom habe ich nie kennengelernt. Sie hat mich kurz nach meiner Geburt abgegeben."
Ich wünschte, mir würde irgendetwas Konstruktives einfallen, das ich sagen könnte, aber ich weiß selbst ganz genau, wie wenig Worte einem nach so einem Verlust helfen.
Ich stehe da und halte inne, bis Jug Sweet Pea schließlich nochmal in den Arm nimmt, sich von den anderen verabschiedet und wir beide wieder in seinen Pick-Up einsteigen und er den Motor startet und los fährt.
"Der Arme... ich weiß genau, wie verdammt scheiße sich das anfühlt."
Jughead nickt verständnisvoll.
"Er ist stark. Ich weiß, dass er damit umgehen kann und es irgendwie überstehen wird. Zum Glück hat er die Serpents."
"Die Serpents? So wie Southside Serpents? Meine Mom hat mir schon ein paar mal von ihnen erzählt."
"Dann hältst du sicherlich nicht all zu viel von Menschen wie uns. Die meisten reagieren eher abwertend auf eine Gruppe wie die Serpents."
"Nein, überhaupt nicht! Meine Mom hat nie ein schlechtes Wort über die Serpents verloren. Sie hat nur ab und an von alten Freunden geredet, die ebenfalls zu ihnen gehört haben oder es jetzt vielleicht immer noch tun."
Wir kommen vor Pop's Diner zum Stehen.
"Dann kennt sie bestimmt auch meinen Dad. Weißt du, die Serpents werden in Riverdale nicht gerade mit Hochachtung behandelt. Im Gegenteil, ein Großteil der Stadt würde es sicherlich sehr begrüßen, wenn man uns einfach so vertreiben könnte. Dabei hat Riverdale ganz andere, wichtigere Probleme. Sobald hier irgendetwas aus dem Ruder gerät, werden als allererstes wir dafür beschuldigt. Nur weil wir anders sind und uns vom Großteil der Gesellschaft abschotten."
Ich höre Jug aufmerksam zu, als wir das Diner betreten und die Klingel, die an der Oberkante der Tür angebracht ist, läutet.
"Alles was wir tun, ist füreinander da zu sein, uns gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Das ist alles. Wir sind keine Kriminellen und auch keine Drogenbande. Wir sind ganz normale Menschen."
Wir erreichen den Tisch, an dem Veronica, Betty und Archie bereits auf uns warten.
"Na Juggy, regst du dich wieder über die Nicht-Serpents auf?", fragt Veronica lachend.
"Ich habe allen Grund dazu, also ja.", sagt Jug und lächelt ebenfalls. Er setzt sich neben Betty und drückt ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen.
Ich setze mich derweil auf den freien Platz neben Archie.
"Und, wie gefällt es dir bisher bei uns?", fragt dieser mich und grinst.
Pop stellt fünf Milchshakes auf unserem Tisch ab.
"Die Burger kommen in ein paar Minuten!"
"Danke, Pop!", bedankt sich Betty.
Ich wende mich wieder Archie zu.
"Ganz gut eigentlich. Es ist so anders als Santa Monica, aber hat definitiv auch seine guten Seiten. Bis auf diesen Blackhood-Typen, die Sache ist absolut gruselig."
Archie nickt zustimmend und platziert seinen Arm auf der Banklehne hinter mir.
"Wem sagst du das... Denkt ihr, dass er Sweet Peas Dad ermordet hat?", fragt Jug.
"Ich habe keine Ahnung. Wäre schon möglich.", antwortet Archie.

Wir verbringen den Rest des Abends in Pop's Diner und unterhalten uns über alle möglichen Themen. Die vier zeigen sich unglaublich interessiert mir gegenüber und ich erzähle ihnen so viel wie ich selten einer anderen Person in meinem Alter gegenüber von mir preisgegeben habe. Da Archie, Betty und ich ziemlich nah beieinander wohnen, schlägt Archie vor, mich heim zu fahren. Betty und er sind fast sowieso immer zu zweit mit seinem Wagen unterwegs, also kommt natürlich auch sie mit. Veronica ist die erste, die geht, da ihr Vater sie wie jeden Abend um neun Uhr am Diner abholt. Wir umarmen sie alle, doch die Umarmung zwischen ihr und Archie hält irgendwie besonders lange an. Jughead verabschiedet sich daraufhin mit einem Kuss von seiner Freundin und macht sich dann ebenfalls auf den Heimweg. Zuletzt steigen Betty, Archie und ich in seinen Wagen und fahren in Richtung Park zurück.
"Hey, sag mal hast du eigentlich einen Freund?", fragt Betty mich neugierig und lehnt sich von der Rückbank aus nach vorne.
"Nein... also naja, ich hatte bis vor ein paar Monaten in Santa Monica sowas wie einen Freund, aber das hat sich schnell erledigt. Als mein Dad gestorben ist, wurden ihm das ganze Drama und die vielen Emotionen zu viel und er ist einfach abgehauen. Seitdem nicht mehr."
Als ich mein Blick auf Betty richten will, schweift er kurz über Archie hinterm Steuer. Er spannt den Kiefer an.
"Was für ein Arschloch.", sagt er.
"Absolut.", bestätigt Betty angewidert.
"Tja... Ich nehme an, so ist es einfach manchmal. Wie ist es mit euch? Also das mit Jug weiß ich ja nun schon."
Betty lächelt mich an.
"Die zwei sind ein absolutes Traumpaar.", sagt Archie und wir müssen alle lachen.
Archie scheint sich vor meiner Frage zu drücken, doch Betty greift ein.
"Archie und Veronica hatten vor einem Monat mal etwas miteinander, aber-"
"Aber irgendwie passt es nicht so richtig zwischen uns. Wir haben es versucht, aber auf Beziehungsebene fungieren wir beide einfach nicht so, wie es sein müsste. Wir sind ein viel stärkeres und besseres Team, wenn wir einfach nur gute Freunde bleiben.", fügt Archie hinzu.
Er sieht mich kurz an und richtet seinen Blick dann wieder geradeaus. Er wirkt ein wenig angespannt.
"Okay, da wären wir. Nettes Haus, übrigens!", sagt er lächelnd.
"Danke! Wenn ihr wollt, könnt ihr ja morgen Abend zum Essen vorbeikommen!"
Betty und Archie grinsen.
"Das wäre super!"
"Ich frage Veronica und Jug morgen auch noch! Meine Mom freut das bestimmt auch sehr.", sage ich.
"Wir holen dich morgen früh um halb acht hier ab."
"Danke, Archie. Gute Nacht!", füge ich dann noch hinzu und bekommen von beiden gleichzeitig dasselbe als Antwort zurück.
Meine Mom steht bereits im Türrahmen und empfängt mich mit einem warmen Lächeln. Während ich die Stufen nach oben laufe, höre ich, wie die beiden wieder los fahren.
"Na Schatz, wie war dein erster Tag?"
Sie streicht mir über den Rücken und betritt direkt nach mir das Haus, bevor sie die Haustür hinter sich schließt und den Schlüssel im Schloss herumdreht.
"Ehrlich gesagt, wirklich super. Tausend mal besser, als ich mir alles vorgestellt habe. Hauptsächlich dank Veronica, Betty, Jug und Archie. Ach übrigens, Mom, Archie und Betty nehmen mich jetzt immer mit zur Schule, du musst also nicht so früh aufstehen.", berichte ich ihr lächelnd.
"Das ist doch toll, Janie. Das freut mich wirklich. Mein Tag lief auch um Meilen besser als gedacht. Meine neuen Kollegen sind sehr offen und freundlich. Besser hätte es mich eigentlich kaum treffen können.", antwortet sie zufrieden.
Ich lächele. Auch wenn ich anfangs nicht sehr viel von Riverdale gehalten habe, bin ich nun doch irgendwie froh, dass die Stadt uns beiden einen Neuanfang fernab von allem, was in Santa Monica geschehen ist, ermöglicht.

Mad World (Archie Andrews) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt