Freya und Jasper

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,,Was machst du da?'', höre ich plötzlich eine helle Stimme hinter mir sagen und drehe mich erschrocken um. Vor mir steht ein keiner Junge. Er spricht Deutsch, also muss ich wohl oder übel mit meinem unterdurchschnittlichen Deutsch antworten.

,,Wie sieht's denn aus?'', erwidere ich zögernd und lehne mich mit meinen Rücken an das Geländer. Prompt begreife ich, dass mein Satz wohl keinen Sinn ergibt. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, kann ich das sowieso nicht rückgängig machen.

,,Häää?'' Irritiert schauen mich ein paar braune Augen an. Erst jetzt kommt die Frage in mir auf, wo seine Eltern wohl sind. Darf er hier ganz alleine sein? Kennt er sich hier aus? Außerdem wird es langsam wirklich frisch und ich würde gerne reingehen, aber ich bringe es nicht über das Herz den Jungen alleine zu lassen.

Doch ich sehe weit und breit niemanden. Seufzend Knie ich mich hin, um in etwa mit ihm auf einer Höhe zu sein.

,,Weißt du wo deine Eltern sind?'' Der Junge schüttelt den Kopf. Er wird nicht älter als 8 sein.

,,Wo hast du sie denn zuletzt gesehen'', frage ich und schaue ihn aufmerksam an. Ratlos blickt er mich an und so langsam weiß ich auch nicht mehr, was ich nun machen soll.

Gehen? Ausgeschlossen!
Die Eltern suchen gehen? Wo soll ich da anfangen?

Auf einmal bekomme ich eine Idee.
,,Weißt du wo das Zimmer ist, wo du wohnst?'', meine Stimme klingt aufgeregter als beabsichtigt. Enttäuschung macht sich in mir breit, als er erneut den Kopf schüttelt.

,,Werde ich meine Eltern wieder sehen?'', schluchzt er plötzlich los. Mein Herz fängt automatisch an schneller zu schlagen, wobei es eigentlich klar ist, dass seine Eltern ganz in der Nähe sein müssen.

,,Ja! Ja, ich verspreche dies.'' Erneut guckt der Junge mich mit schiefgelegtem Kopf an. Wenigstens weint er nicht mehr.

,,Du kommst nicht aus Deutschland oder?'' Voller Neugier blickt er mich an. Ertappt nicke ich.

,,Nein, aus Norwegen. Wie ist dein Name?'', frage ich ihn und hoffe mich nicht weiter erklären zu müssen.

,,Mein Name ist Jasper, wir können auch norwegisch sprechen wenn du willst.'' Stolz trotzt aus seiner Stimme und zuerst halte ich es für einen Scherz.

Ich lache bloß und schüttele mit den Kopf. Natürlich nehme ich ihn hierbei nicht ernst, ist er noch ein kleines Kind. Als er dann jedoch tatsächlich anfängt irgendwas zu brabbeln, jedoch auf norwegisch, fallen mir beinahe die Augen aus.

,,Wieso? Ich dachte du bist Deutscher.'', rede ich auf norwegisch weiter und verspüre direkt wieder das Gefühl von Heimat.

,,Halb, halb. Meine Eltern kommen aus Norwegen, aber ich lebe in Deutschland.'' Auf seinem Gesicht prangt ein breites Grinsen. Noch immer unglaubwürdig strahle ich ihn an. Wenn man sich den Jungen mit den strubbeligen blonden Haaren und brauen Teddyaugen ansieht, kann man ihn nur ins Herz schließen.

,,Wie ist dein Name?'', fragt Jasper mich. Es ist schön norwegisch mit Leuten zu reden, die nicht zu meiner Familie gehören.

,,Freya, hör mal, wir sollten zur Rezeption gehen, von da werden wir deine Eltern bestimmt finden.''

Jasper nickt und ich spüre seine Angst. Dadurch das ich einen kleinen Bruder habe, erkenne ich schnell, was Jungs in diesem Alter durch den Kopf geht. Man kann sie schnell lesen und weiß, was sie denken oder fühlen.

Also nehme ich seine kleine Hand in meine und zusammen durchqueren wir verschiedene Gänge. Mithilfe der Beschilderung finden wir schnell zur Rezeption, wo ich Ihnen die Lage erkläre.

Mein Blick geht zur Uhr, während die Rezeptionistin beginnt zu telefonieren.

Jasper lässt meine Hand dabei kein einziges Mal los, was ich wirklich süß finde. Inzwischen ist es schon 10 Uhr abends. Morgen würde ich schon in Kiel sein. Unglaublich.

Etwa 5 Minuten später erscheinen die Eltern von Jasper. Erleichtert schließen Sie seinen Sohn in die Arme, ehe sie sich mir zuwenden. Soweit ich es beurteilen kann, sind sie ganz sympathisch.

,,Vielen, vielen Dank. Wie kann ich dir nur danken?'', pure Erleichterung zeichnet sich auf dem Gesicht des Vaters ab, während die Mutter mich sogar umarmt.
,,Alles gut, ich habe gerne mit ihren Sohn Zeit verbracht.'', antworte ich, ebenfalls wie er, auf deutsch. Auffallend ist direkt seine Größe, er muss bestimmt an die zwei Meter rankommen.
,,Danken kannst du ihr, indem ich morgen was mit ihr machen darf.'', mischt Jasper sich in das Gespräch ein.

,,Ich kann morgen leider nicht.'', sage ich ehrlich enttäuscht. Ich würde genug Stress haben aufgrund des Umzuges. Trotzdem hätte ich mir gerne mit dem Kleinen die Zeit vertrieben und vielleicht sogar Kiel zeigen lassen.

Momentan bin ich über jede Ablenkung froh.

,,Dann wann anders.'', Jasper lässt nicht locker und so kommt es letztendlich, dass ich dem Mann meine Nummer gebe, um ein Treffen zu vereinbaren.

Haralds Sicht

Immer noch erleichtert machen Lise und ich uns auf den Weg in unser Zimmer. Wie konnte Jasper uns so einfach verloren gehen? Das ist uns noch nie passiert und ich wäre froh, wenn es bei diesem einem mal bleiben würde.

Das Mädchen ist mir von Anfang an sympathisch gewesen, das lag vor allem daran, dass sie sich so gut um Jasper gekümmert hat. Sie hätte ihn schließlich auch einfach ignorier können, doch sie hat Herz gezeigt.

Vielleicht kann sie ja unser neuer Babysitter werden, denn unsere ehemalige hat gerade leider gekündigt.  Dadurch, dass Lise und ich gerne mal abends ausgehen oder etwas zu zweit unternehmen, wäre ein Babysitter wirklich vorteilhaft.

Zwar haben sich auch schon welche aus der Mannschaft angeboten auf Jasper aufzupassen, aber das will ich den Jungs nicht zumuten. Außerdem seien wir mal ehrlich: traue ich den Jungspunden wirklich zu, auf einen 8 jährigem Jungen aufzupassen? Gute Frage...

Aber die Entscheidung würden wir natürlich nicht direkt fällen. Sie hat aber auf jeden Fall schon mal einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Voraussetzung ist natürlich, dass das Mädchen das auch möchte.

Wie alt sie wohl ist? Und wenn ich mal genauer darüber nachdenke... hat sie nicht auch einen Dialekt gehabt? Das erkenne ich immer ziemlich schnell, da in meiner Mannschaft ja genügend Skandinavier spielen.

Ich entscheide mich dafür nicht länger über das Mädchen nachzudenken und mich lieber wieder auf das hier und jetzt zu konzentrieren.

Inzwischen sind wir im Zimmer und Jasper liegt hellwach in seinem Bett.

,,Ich möchte Freya unbedingt wieder sehen. Bitte verspreche es mir!'', bettelnd schaut er mich an.

Freya heißt sie also. Eindeutig ein Name norwegischer Herkunft. Das Mädchen muss Jasper ja echt den Kopf verdreht und ihn beeindruckt haben.

,,Ja ich verspreche es dir. Aber nur wenn sie es auch möchte.''

,,Das wird nicht das Problem sein.'', grinst Jasper. Ich nicke, wuschele meinem Sohn noch einmal liebevoll durch die Haare, ehe ich das Zimmer verlasse und das Licht erlösche.

Ebenso wie meine Frau überfällt mich in meinem Bett schnell die Müdigkeit, aufgrund der aufregenden Strapazen.

Moin, yessss Kieler Woche startet :D Obwohl ich gar nicht so oft hingehen werde, zumindest nicht täglich haha ;) Geht ihr dort hin?

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