Der Geheimgang

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„Ge, Albus, du steckst wirklich voller Überraschungen", sagte Gellert, kaum dass er sich auf dem Fensterbrett aus der Rabengestalt zurückverwandelt hatte.

„Du bist spät", sagte Albus.

„Also bitte! Ein Schwarzmagier kommt niemals zu spät – oder zu früh. Er trifft genau dann ein – "

„Ist ja gut", sagte Albus knapp. Er war schrecklich ungeduldig und brannte darauf, endlich aufzubrechen.

Gellert sprang in den Raum. Über seinem typischen schwarzen Umhang trug er einen ledernen Umhängeschlauch, der vermutlich mit einem Ausdehnungszauber belegt war. Albus hatte die Taschen seines Umhangs in der gleichen Weise präpariert und dort neben Proviant auch ein paar nützliche Tinkturen wie Aconitum und Vielsafttrank verstaut – die Phönixspange kam natürlich auch in seiner Brusttasche mit.

„Die Ziegen deines Bruders geb'n jetzt also Milch?"

„Du solltest wirklich aufhören, anderen mit der Kristallkugel hinterherzuspionieren", sagte Albus kopfschüttelnd und wünschte sich eben diese Kugel herbei, um seine jüngste „Ziegen-Erinnerung" zu entfernen. Als er sich zu Gellert umdrehte, begann sein Herz nervös zu schlagen. Dieser Ausflug war wirklich wahnwitzig.

Gellert deutete auf Albus' Kleidung. „Ja, wie schaust du denn aus?"

Albus rückte sich die rotgoldene Krawatte zurecht und räusperte sich. „Das, äh, ist meine Hogwarts-Uniform." Zusätzlich zu seinem weißen Hemd und der Weste hatte er sich den schwarzen Schul-Umhang und den rotgoldenen Schal umgelegt. Sogar sein altes Schulsprecher-Abzeichen hatte er ordentlich neben das Gryffindor-Wappen an die Brust gesteckt und konnte kaum fassen, wie gut es sich anfühlte, wieder diese Kleidung zu tragen.

Gellert zog eine Augenbraue hoch. Er kam auf ihn zu, ergriff Albus' Krawatte und zog ihn daran zu sich. „Nun, ich hab' zwar nicht direkt ein' Fetisch für so was, aber ist ja dein Geburtstag heut' ..."

„Das war nicht die Absicht!", lachte Albus und machte sich los. „Die Uniform ist zur Tarnung, Gellert. Wir machen einen Ausflug."

„Zu deiner alten Schule?", fragte Gellert.

„Ja", strahlte Albus und hielt ihm ebenfalls ein weißes Hemd und eine rotgoldene Krawatte entgegen.

„Auf gar keinen Fall!", protestierte Gellert.

„Nun, hab dich nicht so!"

Er redete weiter auf Gellert ein und argumentierte, dass das die beste Tarnung sei, die sie haben könnten. Der wiederum meinte, dass es ebenso wenig Tarnung war, wenn zwei Schüler mitten in den Sommerferien durch das Schloss streiften, wie zwei Zauberer in zivil.

Albus widersprach ihm heftig, immerhin könnten sie ja wegen eines Gesprächs mit dem Schulleiter in den Ferien angereist sein. „Ich war Schulsprecher, verstehst du? Es ist gut möglich, dass ich noch eine Sache mit Professor Black zu klären habe."

„Und ich? Das ergibt doch kein' Sinn, Albus. Da werd' ich besser zum Raben, falls uns jemand entdeckt."

Albus dachte darüber nach. „Deine Animagus-Fähigkeiten könnten tatsächlich nützlich sein."

Gellert lachte. „Ge, ich bin doch kein Animagus!"

Er schien einen Moment zu überlegen. Dann verschwammen seine Umrisse, formten sich neu und mit einem Mal stand Bathilda Bagshot in Albus' Zimmer – absolut lebensecht in ihrem fliederfarbenen Lieblingskleid, die Hände gestützt auf ihren kugelrunden Bauch.

„Dieser Gellert", sagte Bathilda lachend, „kann einfach alles werden, was er will. Er ist ein Gestaltwandler, weißt du?" Sie kam auf Albus zu und berührte seine Wange. „Hab' ich dir eigentlich schon mal gesagt, was du für wundervolle blaue Augen hast, mein lieber Junge?"

Summer of '99 - Die Herren des TodesWhere stories live. Discover now