Der Blutpakt

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Gellert öffnete die Tür und lugte ins Innere der Scheune. Sein zunächst abschätziger Blick ließ Albus fast schon Einwand erheben wollen. Nach all den malerischen Orten, die sie in den letzten Stunden gesehen hatten, war es geradezu ironisch, dass sie nun hier gelandet waren. Doch Gellerts Miene hellte sich auf, als ein Strahl der frühen Morgensonne durchs Dachfenster ins Innere fiel.

„Eigentlich perfekt", sagte er und trat ein, wobei er Albus am Ärmel hinter sich herzog. Als sie beide im Inneren waren, verriegelte er die Tür und begann sogleich damit, Schutzzauber zu wirken.

Albus sah sich um. Es musste eine von Enid Sneeks Futterscheunen sein, in die sie hier geraten waren. Die ordentlich geschnürten Heuballen an der hinteren Wand der Scheune verbreiteten einen heimeligen Geruch, der ihn an ihre Duelltreffen auf dem Feld während dieses Sommers erinnerte. Vielleicht befanden sich sogar Spuren der Dämonenfeuer-Asche in dieser Ernte. Dieses Kräftemessen würden sie nun aufgeben, genauso wie jene schwarzmagischen Zauber, die in Ekstase und pure Lust versetzen konnten.

Nervosität stieg in Albus auf und ließ ihn, wie es seine Eigenart war, auf dem Lehmboden der Scheune auf und ab gehen.

... dass er zu so einem Zugeständnis bereit ist, um mich nicht zu verlieren ...

Gellert beobachtete ihn belustigt, doch gleichzeitig spürte auch er die Aufregung in sich hochsteigen – ebenso allerdings eine nicht zu vernachlässigende Erregung. Verdammt, er hatte Albus immerhin gerade sein Herz ausgeschüttet. So ein Geständnis von Gellert Grindelwald kam nicht ohne Quittung! Die einladende Atmosphäre der Scheune beflügelte seine Fantasie, und er benötigte einige tiefe Atemzüge, um dem Impuls zu widerstehen, diesen Vorstellungen nicht nachzugeben. Das nun anstehende Ritual war entscheidend, nichts anderes. Nur für alle Fälle wirkte er aber einen kleinen Zauber, der eine romantische Atmosphäre schuf und den Boden zu einem weichen, gepolsterten Untergrund verwandelte.

Albus hielt irritiert inne. „Was soll das?", fragte er.

„Na, ich versuch's uns hier schön zu machen. Weißt, das Ganze ist ein' sehr emotionale Angelegenheit ..."

„Funktioniert das nicht wie ein unverzeihlicher Schwur?"

„Nicht ganz. Ein' unverzeihlichen Schwur kannst' theoretisch brechen – na stirbst halt. Aber ein' Blutpakt bannt dich, so dass'd schlichtweg nichts ander's tun kannst, als das, was du g'schworen hast. Also: Wir schwören, dass wir uns nicht bekämpfen wer'n – und dann wird's nie zu diesem Duell kommen."

Albus nickte. „Gut. Ich will aber noch etwas hinzufügen. Diese Zaubersprüche, die ich kreiert hab' – Volito, Malito und Nolito – ich will, dass du versprichst, sie niemals zu benutzen."

Er hatte Travers' Schicksal in ihrer Vision noch lebhaft vor Augen, und ihn schauderte bei der Erinnerung daran.

Gellert trat auf ihn zu. „Einverstanden. Für das Größere Wohl."

„Für uns", verbesserte Albus und machte ebenfalls einen Schritt nach vorn.

Sonnenlicht fiel durch das Dachfenster auf ihn herab und ließ sein weißes Hemd erstrahlen. Er hob die Hand zum Zeichen dafür, dass er bereit war. Sie krempelten die Ärmel ihrer Hemden nach oben, Gellert rechts, Albus links. Dann zogen sie die Zauberstäbe und ritzten ihre Handflächen ein.

„Zusammen", flüsterte Gellert. Sie hoben ihre Hände und drückten die Innenflächen gegeneinander. Albus zuckte, als die Blutverbindung zwischen ihnen entstand und schloss mit einem Keuchen die Augen. Gellerts betrachtete ihn kurz, doch die Emotionen waren so stark, dass auch er fortgerissen wurde und seine Lider sich flackernd über die Augen senkten. Albus fühlte Gellerts Herzschlag in seiner eigenen Brust, hörte seine Gedanken in seinem Kopf, fühlte selbst, wie er unter Gellerts Haut kroch, als sie zu einem Wesen verschmolzen. Ihre Finger verschränkten sich ineinander, und sie klammerten sich fest. Gellert begann in Gedanken den Schwur zu leisten, und Albus wiederholte ihn: „Ich schwöre, dass ich dich niemals bekämpfen werde, Gellert Grindelwald. Für das Größere Wohl, für uns und alle, die ich liebe."

Summer of '99 - Die Herren des TodesWhere stories live. Discover now