Kapitel 1

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Ich war schon total aufgeregt. Ich hatte keine Ahnung wie mein erster Schultag so sein wird. Immerhin war ich noch nie in diesem Internat, ich hatte mir nur Bilder aus dem Internet angesehen. Zwischen dem Internat und meiner Heimatstadt liegen knapp tausend Kilometer. Aus diesem Grund hatte ich mir auch ein Internat ausgesucht. Ich fuhr jetzt schon sechs lange Stunden und sollte in den nächsten Zwei endlich ankommen. Eine Jungenschule hatte ich mir ebenfalls aus einem bestimmten Grund ausgesucht:

Ich bin schwul. In meiner alten Schule, in meiner alten Klasse wurde ich deswegen so richtig fies gemobbt. Ich wurde ständig mit Schimpfworten bombardiert und an meinem letzten Schultag dort, wir hatten Schwimmunterricht, wurde ich in den Umkleiden von allen Jungs zusammengeschlagen. Ich wurde zwar nicht krankenhausreif geprügelt, aber ich hatte am ganzen Körper schlimme blau-viollette Flecken, die sogar jetzt nach vier Tagen später immer noch total sichtbar waren. Da war mir bewusst geworden, dass es nun reichte. Ich wollte, dass das alles aufhörte. Ich wollte endlich von den anderen Mitschülern wertgeschätzt werden. Und das konnte ich nur an einer Schule, die tolerant genug zu Homosexuellen, wie mir, war. Die Schule machte einen so perfekten Eindruck, ich hoffe, das ist sie auch.

Aber ich war nicht nur glücklich, sondern ich war auch mehr als nur traurig. Ich musste meinen Freund zurücklassen und wir hatten uns deswegen auch getrennt. Wir Beide waren einfach zu den Entschluss gekommen, dass es besser für jeden von uns wäre, wenn jeder sein eigenes Leben unabhängig voneinander lebt. Aber ich hätte ihn so gerne wieder bei mir, ich vermisste ihn jetzt schon. Nico... Zum Glück hatte ich ein Bild von uns Beiden auf meinem Smartphone abgespreichert. Somit hab ich ihn dann immer vor Augen. Am Bahnsteig hatte er mir zum Abschied ein Stofftier geschenkt, damit ich nicht vergesse, dass ich nie alleine bin. Meine Schwester war auch da, um sich zu verabschieden. Sie werde ich am Meisten vermissen. Seitdem unsere Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen, hatte ich nur noch sie. Sofie verscuhte wo sie nur konnte, auf mich aufzupassen und mir das zugebe, was ich brauchte. Dafür liebte ich sie so sehr!

"Nächster Halt, next stop Stuttgart." Das war meine Haltestelle! Zügig holte ich meinen Koffer und meine große Tragetasche, sowie meine Schultasche, die ich mir über die Schulter warf. Ich hatte anhand der Bildergalerie im Internet gesehen, dass alle Schüler eine Uniform trugen. Dennoch hatte ich noch zusätzlich einiges an Klamotten mit, man wusste nie, wann man mal was anderes brauchen würde. Ich stand vor dem Ausgang und wartete darauf, dass der Zug zum Stillstand kam. Scheinbar würde mich jemand abholen kommen. Das machte mich nur noch nervöser und ich war aufgeregter als zuvor. Der Zug hielt an und öffnete die Türen. Endlich spürte ich unter mir wieder ruhigen Boden und ich atmete tief durch. Ich blickte mich um und erkannte einen Jungen, der auf mich zukam.

"Hi, bist du zufällig Fabian Meier?"

Oh, das musste wohl derjenige sein, der die Aufgabe hatte, mich abzuholen. Ich nickte ihm einfach nur zu.

"Dann hab ich endlich mal den Richtigen erwischt! Ständig hatten mir die gefragten Jungs immer nur ein unfreundliches Nein zurück gegeben. Aber jetzt hab ich dich endlich gefunden. Wie war deine Fahrt? Oh ehm, lass mich dir helfen!"

Er sprach zu schnell und einfach zu schnell für mich. Ich konnte ihm kaum folgen. Aber als er mir dann abgeboten hatte, mir was abzunehmen, streckte ich ihm meine Tasche entgegen.

"J-ja bitte, danke."

Er zögerte nicht lange und nahm die Tasche und ging schon mal heraus. "Ich bin übrigens Ben. Naja eigentlich bin ich Benjamin, aber ne, so nenn mich lieber nicht, ja? Sonst fühl ich mich wie Benjamin der Elefant und das ist nicht so schön. Und Fabian. Eigentlich wäre es die Aufgabe von dem Zimmergenossen, dass derjenigen den Neuling, der dann das andere Bett belegen wird, abholt. Aber Jonas ist verhindert. Er ist krank. Weißt du, ihn hat es voll mit der Grippe erwischt. Der Arme Kerl liegt nur noch in seinem Bett, aber er freut sich schon, dass du kommst und... ja hehe da würd er sich mit Sicherheit freuen! So einen Leckerbissen zum Vernaschen würde bestimmt jeder gerne bei sich im Zimmer haben. Warum steh ich eigentlich auf Frauen? Es gibt so viele hübsche Jungs in unserer Schule, ich sollte da wirklich mal darüber nachdenken. Aber das mach ich später. Fabian? Sag mal, von wo bist du denn gerade gekommen? Da ist es bestimmt schön dort. Ich komme eigentlich aus Stuttgart, aber meine Eltern wollten mich nicht mehr bei sich haben, zumindest hatte ich so das Gefühl, sie wollten mich loswerden, also schickten sie mich auf diese Schule. Sie hatten gemeint, ich wäre ihnen viel zu anstrengend. Kannst du dir das vorstellen? Ich meine, du kennst mich noch nicht so lange, aber dennoch? Ich bin doch bestimmt nicht nervig oder anstrengend oder? Naja aber nochmal zurück zu Jonas. Hat er momentan einen Freund? Hm, nein ich glaube, er hat schon lange keinen mehr. Fabian? Wie sieht es denn bei dir aus? Bist du vergeben oder kann ich es Jonas weitergeben, dass du noch zu haben bist? Hehe... uh? Was wir sind schon da? Hm auch egal, na komm. Trete zu erst ein."

Er hatte aufgehört zu reden. Jedesmal wenn ich auf seine Fragen hätte antworten wollen, lenkte er ein komplet neues Thema ein und redete einfach weiter. Bewundernswert dieser Mensch, aber ich bin irgendwie dankbar, dass ich bei einem kranken Jonas im Zimmer schlafe und nachts meine Ruhe vor ewigen Gequatsche haben werde. Ich atmete tief durch und schaute mich im Gebäude etwas um.

Ben brachte mich zuerst einmal zum Direktor. Einfach, damit ich das formelle heute schon erledigt hatte. Er wartete brav vor dem Büro und der Direktor machte einen äußerst freundlichen Eindruck. Er begrüßte mich herzlichst und erklärte mir die Grundregeln dieses Hauses, anschließend drückte er mir die Schuluniform, sowie Wechselklamotten in die Hand. Nun war wieder Ben an der Reihe. Er führte mich durch das gesamte Schulgebäude und zeigte mir die wichtigsten Räume. Er zeigte mir auch sein zimmer. Wie zu erwarten bei seinem chaotischen Charakter, war auch sein Zimmer nicht viel ordentlicher. Aber nun endlich war dann mein Zimmer dran. Ich war mittlerweile schon wirklich müde geworden und freute mich einfach nur noch darauf, mich ins Bett fallen zu lassen. Ich wusste, dass ich vermutlich zuerst Jonas begrüßen musste und so, aber ich hatte mir vorgenommen, es so kurz wie möglich zu halten.

Ben ließ mich alleine, nach dem ich ihn fünfmal beim Reden unterbrechen musste, weil ich ihm sgate, dass ich schlafen gehen würde. Ben war wirklich nett, anstrengend aber mit ihm hat man zumindest immer ein Gesprächsthema. Ich öffnete neugierig die Türe, stellte meine Sachen drinnen leise ab und schloss die Türe erneut. Es wirkte groß. Der Gang war breit und links befand sich die Toilette, rechts das Bad mit Dusche. Vorne waren zwei Betten. Beide waren gegen eine Wand gelehnt. Es standen zwei Schreibtische an den Bettenden, dahinter zwei Stühle und weiter dahinten zwei breite Schränke. Mir gefiel es hier.

Da fiel mir wieder ein, dass ja Jonas hier sein musste. Ich betrachtete die beiden Betten und fand mein Leeres. Erschöpft setzte ich mich nieder und blickte gegenüber aufs andere Bett. Aber ich konnte nichts erkennen. Jonas hatte sich die Decke bis weit über den Kopf hochgezogen. Nicht mal eine Haarsträhne war zu sehen. Stattdessen ragten jedoch seine Zehen unten hervor. Ich musste kichern, legte mich hin und zog die Decke über mich. Mit letzten Kräften zog ich mit meine Alltagsklamotten bis auf die Boxershorts aus und legte sie über meinen Koffer. Erschöpft schlief ich zufreiden und mit einem strahlenden Lächeln ein. Es war hier einfach perfekt. Auch wenn ich noch nicht viel gesehen hatte: Der Direktor schien freundlich zu sein, Ben war ebenfalls ertragbar und Jonas unter der Bettdecke war noch ein kleines Geheimnis, welches ich mir für morgen aufhob. Aber ansonsten waren die Räume sowie die Klassenräume schön groß und auch das Zimmer hier war angenehm und gemütlich. Hier werde ich mich sehr schnell wohl fühlen und mich einleben.

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