26 September 2019

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21:08 Uhr

Liebes Tagebuch,

ich glaube, ich habe wieder Mist gebaut.

Heute saß er wie gewohnt gegenüber von mir, wie jeden Donnerstag und Dienstag. Er hat mich sogar begrüßt als er sich hingesetzt hat, mit einem Lächeln.
Ich wollte ihm eigentlich sofort seine Kopfhörer zurück geben, doch die Angst, dass er meine schwulen Gedanken durch ihnen hören konnte, nagte an meinem Hinterkopf.

"Heute hast du wieder deine eigenen Kopfhörer dabei, huh?", stellte er fest und deutete dabei mit seinem Zeigefinger auf die schwarzen Kopfhörer, welche aus dem Kragen meines Pullover baumelten. Ich hatte sie am Dienstag wirklich in der Mediothek vergessen.

Ich nickte wortlos und kramte dabei seine Kopfhörer aus meinem Rucksack, um sie ihm hinzuhalten. Vielleicht mag er ja meine Gedanken.
Als er sie entgegennahm, berührte seine Hand für einen viel zu kurzen Moment meine. Seine Hand war so warm. Er war so heiß.

Ich versuchte mein Zittern zu unterdrücken, als er ein Gespräch mit mir anfing. Er fragte mich, mit seiner verdammt tiefen Stimme , von wo ich denn jeden Tag mit dem Zug fuhr.

Ich dachte mir "Ich möchte deine Hand halten.", aber antwortete: "Von der Schule."

"So spät?", fragte er daraufhin und legte dabei sogar seinen Kopf schief.
Er ist so süß und ich bin so scheiße homo.

"Nachhilfe.", zuckte ich mit den Schultern.

Er nickte langsam und wollte wissen, welches Fach.

Ich wunderte mich, warum mein Körper immernoch so stark zitterte, doch antwortete: "Mathe."

Als er dieses Wort hörte, stöhnte er laut auf: "Urgh, ich hasse Mathe, wie die Pest! Sobald Buchstaben dazu kamen war es aus und vorbei für mich."

"Ich gebe Nachhilfe in Mathe.", erklärte ich und musste mir dabei ein Lächeln verkneifen. Er ist lustig.

"Warte, wirklich?", seine dunklen Augenbrauen hoben sich, "Vielleicht solltest du mir ja Nachhilfe geben, als Entschädigung für die Kopfhörer oder so."

Mir wurde schrecklich warm im Gesicht, es fühlte sich so an, als würde ich jeden Moment ersticken.
Ich wollte zusagen, ihm meine Nummer geben. Ich wollte so viel. Ich will so viel von ihm.

Zum Glück retette er mich wieder, indem er sprach: "Ich bin viel besser in musikalischen Dingen. Komme selbst gerade vom Klavierunterricht."

Donnerstags also Klavierunterricht und Dienstags wahrscheinlich auch.
Ich wollte nach seinem Namen fragen aber wusste beim besten Willen nicht wie oder wann der angemesse Zeitpunkt dafür wäre.
Ich wollte ihm immernoch meine Nummer geben, aber ganz ehrlich, wie macht man sowas überhaupt?

Bevor ich irgendetwas sagen konnte, vibrierte sein Smartphone und er beschäftigte sich für den Rest der Fahrt damit. Er tippt schnell, ich habe seine Finger beobachtet- Nein, ich habe seine ganzen Hände beobachtet.
Ich wollte sie halten, ihre Wärme spüren. Deswegen habe ich es getan.
Deswegen habe ich Mist gebaut.
Oh man.

Ich weis nicht, wann genau ich zu Hause angekommen bin aber der Gedanke daran, seine Hand zu halten war immernoch anwesend. Ich weis, ich bin wirklich scheiße schwul.
Aber seine Hand war so warm, so unglaublich tröstend.
Ich will seine Hand halten.
Und um die Wärme seiner Hände nachzustellen, wenn auch nur für einen kurzen Moment, habe ich mein Feuerzeug rausgeholt.
Mama denkt immernoch ich benutze es lediglich für die Kerzen in meinem Zimmer, sie ahnt Nichts von meiner Nikoinsucht.

Es tat nicht weh, am Anfang zu mindestens. Es war ein schönes Gefühl, um ehrlich zu sein. Diese Wärme gegen meiner Handfläche zu fühlen.
Dann wollte ich aber noch mehr und mehr und mehr und ich-
Ich habe die Flamme immer und immer wieder an meine Handfläche gehalten, bis ich es nicht mehr aushielt.
Das bekomme ich halt für meine schwulen Gedanken.

Zum Glück ist es meine rechte und nicht meine linke Hand gewesen.

- J

Kopfhörer || boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt