Ein Hauch von Feuer

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Ich wollte zurück. Trotz meiner wieder aufflammenden Angst wollte ich sehen was dort vor sich ging und sicher gehen, dass es meiner Mutter gut ging.
„Wir müssen zurück. Loki! Schick uns zurück." Er starrte auf einen Punkt hinter mir. Als könnte er etwas sehen, das mir verborgen blieb. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. So schnell, dass ich es kaum wahr nahm, warf er sich nach vorne und über mich, schlang seine Arme um meinen Körper und drückte mich zu Boden. Alle Luft wich aus meinen Lungen. Für seine schlanke Figur war er erstaunlich schwer. „Loki,.. Loki ich krieg keine Luft!" presste ich hervor, aber es half nichts. Ich konnte mich nicht bewegen. Seine Atmung ging schwer. Ein Blick in sein Gesicht ließ mich zusammen zucken. Seine vorher so blasse Haut nahm einen blauen Hauch an und verfärbte sich dann komplett. Er schloss die Augen und kniff sie zusammen. Ein Keuchen entfuhr seiner Kehle. Mit Schrecken sah ich, dass sich seine Linke Gesichtshälfte plötzlich schwarz färbte, wie von Ruß. Es breitete sich langsam aus. Seine Haare fingen Feuer und verglühten. Die Haut vertrocknete und bekam Risse. Ein Zittern lief durch seinen Körper. „Loki?..." ich wagte kaum zu atmen. Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus und berührte seine Wange. Sie war glühend heiß und ich zog meine Hand schnell wieder zurück. Mit Tränen in den Augen beobachtete ich, wie sich die Haut auf seiner linken Körperhälfte ablöste und sein Fleisch zu brennen begann. Ein Schrei, der sich tief in mein Gedächtnis einbrannte entkam aus seinen Lippen und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Mein Verstand setzte trotz dieser surrealen Situation langsam wieder ein. Ich versuchte ihn von mir herrunter zu schieben. „Loki bitte, wir müssen hier verschwinden!" schrie ich ihn an. Doch er bewegte sich keinen Zentimeter. Verzweifelt schlug ich um mich, doch es half nichts. Eine geradezu unmenschliche Kraft floss durch seinen Körper, dagegen hatte ich keine Chance.  Er öffnete die Augen. Das leuchtende Grün war verschwunden und ersetzt durch ein tiefes dunkles Rot. Flammen tanzten dort in ihrem Inneren und ein Bedauern, so schien es mir jedenfalls.
„Hab keine Angst." es war kaum mehr als ein Flüstern. „So ein bisschen Feuer kann mir nichts anhaben. Ich bin Loki, Loki Laufeyson und Prinz von Asgard, das wäre doch gelacht!"

Es war als hätte das Universum ihn gehört.

Ein ratschen. Wie Messer durch Papier. Seine Augen weiteten sich vor Schreck. Ich verstand erst nicht was passiert war, doch dann spürte ich, wie sich erwas warmes auf meiner Brust ausbreitete. Sehr schnell ausbreitete. Und ich roch Blut, eine Menge Blut. Ich presste mich an ihn und zog mich nach oben, um besser sehen zu können. Ein riesiger Metallsplitter hatte sich durch seine Brust gebohrt und ihn einfach aufgespießt.  Ich plumpste zurück und versuchte verzweifelte etwas gegen die Blutung zu unternehmen. Doch ich konnte rein gar nichts tun. Ich weinte und schrie ihn an, er solle gefälligst von mir runtergehen. „Du sturer Esel!" Er lächelte. „Ich werde hier nicht einfach liegen bleiben und zusehen wie du krepierst. Nur damit du den Helden spielen kannst!"
Sein Mund öffnete sich zu einem breiten Grinsen und Blut lief im das Kinn hinunter. „Den Helden..." Er drehte den Kopf und spuckte Blut ins Gras. Er wand sich zu mir zurück und sah mir in die Augen. Ich hatte solche Angst das er sterben würde, jetzt gleich, hier. Und doch konnte ich mich von seinen Augen nicht losreißen. Dieser grüne Strudel tief im Inneren, der mich in sich hineinzog mir alles nahm und alles gab und dem ich mein Herz geschenkt hatte, ohne es zu merken.
„Noch nie bin ich einer Sterblichen wie dir begegnet." Seine Stimme klang rau und kratzig, ausgetrocknet von der uns umgebenden Hitze. Im Hintergrund flogen Funken über uns hinweg. Der Himmel war rot und die Erde unter uns hatte sich zu Asche verwandelt. Ein orangener Schein tanzte in seinem Gesicht und spiegelte sich in meinen Augen wieder. Wir lagen mitten in einem Trümmerfeld. Um uns herum brannten einige Feuer und der Rauch war so dicht, dass man ihn fast greifen konnte.

Die Boeing mit der meine Mutter und ich die Reise unseres Lebens unternehmen wollten war etwa 3 Stunden nach dem Start in Turbulenzen geraten und abgestürzt. Ingenieur und Mechaniker Ben Losse hatte nach einem Ehekrach eine kurze Nacht verbracht. Den folgenden Tag war er recht unkonzentriert und so entging ihm, dass eine Schraube im rechten Triebwerk nicht so fest saß, wie sie hätte sitzen sollen. Durch die Turbulenzen verließ sie ihren Platz und wurde ins Triebwerk hineingesogen. Dieses wurde zerfetzt und verabschiedete sich mit einer gewaltigen Explosion vom restlichen Flugzeug. Was folgte war recht unvermeidlich. Die Maschine neigte sich Richtung Erde und zerschellte an den schwarzen Felsen der wunderschönen Küste Griechenlands.

Ich hatte von alledem nichts mitbekommen. Ich lag hier. Mit diesem Mann, der behauptete ein Gott zu sein, in den ich mich in halsbrecherischem Tempo verliebt hatte und der sterben würde. Da war ich mir sicher. Sein Gesicht senkte sich meinem entgegen.
„Noch nie.." hauchte er. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Ein Kuss, der alles ausdrücken sollte was hätte sein können. Drängend presste ich mich an ihn, als ob mir so, dieser Kuss alles geben könnte was ich mir erhofft hatte. Er erwiderte den Kuss in einer Dringlichkeit, als spürte er das Selbe. Seine Zunge fand die meine und für einen kurzen Augenblick hörte die Welt auf sich zu drehen.
Doch etwas veränderte sich. Da war etwas. Ein Gefühl das hier ganz bestimmt nicht dazu passte. Ich erkannte es nicht gleich, was mich überraschte, doch es war: Angst. Ich spürte sie, in all ihrer Macht, sie wogte um mich herum und doch blieb ich von ihr unbescholten. Mit einem Mal war sie verschwunden. Ich verstand recht schnell warum das so war. Es war nicht meine Angst gewesen. Ich sah ihn an. Das leuchten in seinen Augen war erloschen und sie blickten mir stumpf entgegen. Seine Arme hingen schlaff herunter. Sein Körper nun nur noch gestützt durch das scharfe Metall, das in ihm steckte und nur wenige Zentimeter neben mir in den Boden gerammt worden war. Ganz langsam glitt er daran herunter, jetzt da er sich nicht mehr abstützen konnte und sank auf mich herab. Seine Stirn kam auf meiner zum ruhen und ich spürte wie die Wärme aus ihm wich. Sonst nichts. Ich spürte nichts. Sein Gewicht machte mir das Atmen kaum noch möglich. Ich keuchte und schließlich wurde die Welt um mich herum Schwarz.

Wie ich mein Herz verlorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt