◇Chapter 2◇

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Ich wachte mit höllischen Kopfschmerzen auf. Besser gesagt, ich wurde geweckt, durch hektisches Rütteln an meiner Schulter und aufgebrachte Rufe. Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen und siehe da, es funktionierte alles wieder.

Ich sah mich ein wenig um und stellte fest, dass ich immer noch auf dem Sofa im Partyhäuschen war. Mir war eiskalt, kein Wunder, schließlich trug ich nur meine Unterwäsche, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wer mir die angezogen hatte. Neben mir saß David und legte eine Hand auf meine Schulter. Auf einmal kamen all die schrecklichen Erinnerungen an letzte Nacht zurück und ich rutschte ans andere Ende des Sofas.

„Du sagst niemandem etwas davon, sonst wird es dir leidtun!", zischte er drohend und kam etwas näher. Schnell kauerte ich mich ganz klein zusammen und nickte. Meine Lehrerin, Mrs. Miller kam herangeeilt. „Evelyn! Gut, dass wir dich gefunden haben! David, du kannst zurück in den Unterricht gehen."

Er nickte brav und verschwand dann endlich. Langsam beruhigte sich mein Puls ein wenig und ich konnte wieder normal atmen. „Geht es dir gut? Was ist passiert? Hat dir jemand was getan?", fragte Mrs. Miller und wickelte mich in einen Bademantel. Ich antwortete nicht, gerade war irgendwie alles zu viel und ich begann zu zittern. „Würdest du bitte meine Frage beantworten? Geht es dir gut?", fragte sie jetzt mit Nachdruck. Ja. Nein. Vielleicht. „Ich weiß nicht", sagte ich lahm. „Was ist passiert?" „Da will ich nicht drüber sprechen", antwortete ich verkrampft und presste meine Lippen zusammen. „Naja, am besten gehen wir erst mal rein."

Im Hauptgebäude lieferte sie mich zuerst auf der Krankenstation ab, wo ich von einem Arzt komplett durchgecheckt wurde und bis das erledigt war, kam sie mit frischen Klamotten aus meinem Schrank zurück. Ich war ziemlich froh, als ich die endlich anziehen konnte, denn ich hatte Mühe gehabt, nicht in Panik auszubrechen, als ich da so halbnackt diesem Arzt gegenübergesessen war.

Dann brachte Mrs. Miller mich zur Direktorin. Die blätterte zuerst noch durch irgendwelche Akten, bevor sie sich mir zuwandte. „So Evelyn. David hat mir gesagt, dass du schon auf dem Sofa geschlafen hast, als er gegangen ist und Mrs. Miller vermutet, dass dir vielleicht jemand was getan hat und dass du nicht darüber sprechen willst. Wenn ich dir helfen soll, musst du aber mit mir reden und mir das Vorgefallene erzählen."

Ich nickte und schwieg trotzdem weiter. Ich musste ständig an Davids Drohung denken. „Es wird auch keine negativen Folgen für dich haben, wenn du mit mir darüber sprichst." Klar, wenn ich sagte, was passiert war, dann würden sie David bestrafen und dafür sorgen, dass er sich nicht rächen konnte. „David hat mich vergewaltigt", sagte ich schnell, bevor ich es mir nochmal anders überlegen konnte und sah dann beschämt auf meine Hände.

Die Direktorin seufzte und sah mich ernst an. „Evelyn, das ist eine schwere Anschuldigung. Ich bezweifle nicht, dass dir irgendwas passiert ist, aber das kann ich dir leider nicht glauben." „Warum...?", stotterte ich entsetzt. „In deinem Blut sind Drogen. Ich weiß nicht, ob und was das damit zu tun hat aber damit kann ich deine Aussage nicht gelten lassen. Und für den Drogenkonsum muss ich dich von der Schule verweisen. Laut dem Vertrag bleibst du noch zehn Wochen hier und gehst dann ins Heim." „Aber... David hat mir das ins Getränk getan, damit ich mich nicht mehr bewegen kann und er machen kann, was er will", verteidigte ich mich. „Du hast es gehört, ich kann deine Aussage nicht gelten lassen. Vor allem, weil David etwas ganz anderes erzählt hat. Es tut mir leid."

Damit schien für sie das Gespräch beendet und sie wandte sich wieder dem Papierkram zu. Ich stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Direktorat. Ich zitterte am ganzen Körper und konnte gar nicht glauben, dass ich gerade von der Schule geflogen war. Das konnte doch nicht sein, die Schule war mein Leben, ich war gern hier und hier waren auch alle meine Freunde. Jetzt musste ich ins Heim und warten bis ich achtzehn wurde oder adoptiert wurde. Aber wer wollte schon eine Sechzehnjährige adoptieren? Richtig, niemand.

Langsam ging ich in den Unterricht. So aufgeregt war ich noch nie, als ich die Klasse betrat. Schon allein der Anblick der fünfzehn Jungs machte mich irgendwie nervös und ich fühlte mich einfach schrecklich, als ich mich neben Isabelle setzte, die mich ignorierte.

Was ist los?, kritzelte ich auf einen Zettel und schob ihn zu ihr rüber.

David hat uns alles erzählt, schrieb sie und drehte mir dann demonstrativ den Rücken zu.

Naja, dass David natürlich nicht die Wahrheit erzählt hatte, das war ja wohl klar. Er hatte bestimmt irgendwie mir alles in die Schuhe geschoben. Und wenn ihm das auch noch alle glaubten, konnten meine letzten Wochen hier noch ganz schön schrecklich werden.

In der Mittagspause wollte ich eigentlich mit Isabelle in den Speisesaal zum Essen gehen, aber sie verschwand sofort mit ein paar anderen Mädchen. Also ging ich allein und stellte fest, dass ich ganz schön wackelig auf den Beinen war und immer noch heftig zitterte.

An der Treppe kam mir David entgegen, sein Gesicht war rot vor Zorn. Ich versuchte, ihn zu ignorieren, aber er kam direkt auf mich zu. „Du dämliche Schlampe", knurrte er. „Ich hab doch gesagt, du sollst die Klappe halten!" Oh nein! Er war gegen Ende der letzten Stunde zur Direktorin gerufen worden und die hatte sich wahrscheinlich nicht an das Versprechen, dass es keine negativen Folgen für mich haben würde, gehalten und ihm das auf die Nase gebunden, was ich ihr heute Morgen erzählt hatte.

„Weißt du was, es ist mir egal. Ich bin noch zehn Wochen hier und dann muss ich dich nie wieder sehen!" „Gut, aber du kannst mir glauben, diese zehn Wochen werden für dich die Hölle, Schätzchen!"


Trust Me ~ Marcus and Martinus ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt