◇Chapter 30◇

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Genau zwei Monate später saßen wir im Flieger in die USA. Ich war ziemlich aufgeregt und hatte keine Ahnung, was in Kalifornien auf mich zukommen würde. 

Ich setzte mich zusammen mit Paola auf unseren Platz am Fenster. Ich hoffte, dass sie einigermaßen ruhig sein würde während dem Flug, aber sie war allgemein ein sehr stilles Baby, sodass wir auch schon einige Nächte durchschlafen konnten.

Ja, in den letzten Wochen hatte sich viel verändert, aber nur zum positiven. Meine Ängste vom Anfang hatten sich gelegt, mir ging es allgemein psychisch besser. Das Leben mit dem Baby war anstrengend, vor allem weil ich seit ein paar Wochen wieder zur Schule ging, aber ich liebte Paola über alles und deshalb war es mirvdas definitiv wert. 

Marcus erfüllte seine Rolle als Ersatzvater wirklich wunderbar, es war, als wäre Paola seine Tochter und ich hatte das Gefühl, dass er sie auch so sah.

Trotzdem kam auch unsere Beziehung nicht zu kurz, davor hatte ich lange Angst gehabt, dass wir beide zu müde und k.o. sein würden, um noch ein wenig Zeit zu zweit zu verbringen. Doch das war zum Glück kein Problem.

Kurzum, ich war richtig glücklich.

◇◇◇

Ich fühlte mich wie zuhause, als wir schließlich den Flughafen in Los Angeles verließen und mir die schwül-heiße Luft Kaliforniens entgegenschlug. Kjell-Erik bestellte uns ein Taxi, das uns in unser Hotel am Stadtrand brachte. 

Wir würden zwei Wochen hier verbringen, aber für die zweite Woche hatten wir ein Hotel im Zentrum gebucht. Dieses hier lag allerdings näher am Internat, das sich ebenfalls am Stadtrand von Los Angeles befand und deshalb war es praktischer, vorerst hier zu wohnen.

Im Hotel angekommen, bezog ich zuerst mit Marcus unser Zimmer, während Kjell-Erik das Leihauto abholte. Marcus packte die Koffer aus und räumte alles in den Schrank, während ich Paola ihr Fläschchen gab und mich dann zusammen mit ihr aufs Bett legte und versuchte, mich vom Jetlag nicht runterziehen zu lassen.

"Bist du aufgeregt, wenn wir gleich ins Internat fahren?", fragte Marcus schließlich und legte sich auch dazu. 

"Ja", gab ich offen zu. "Ich habe ein bisschen Angst davor, David wiederzusehen."

"Ich glaube, Dad hat es so geplant, dass du ihn erst morgen siehst. Dad will mit der Schulleiterin sprechen und du kannst solange... deine Freundinnen treffen?"

Ja, meine Freundinnen, wenn ich denn noch welche hatte. Ich wusste nicht was Isabelle sagen würde wenn ich plötzlich wieder auftauchte.

"Du kannst sie mir auch gerne vorstellen", bot Marcus an, obwohl es viel mehr nach einer Bitte klang. Ich verstand seinen Drang, mehr über meine Vergangenheit zu erfahren, denn ich sprach kaum über das was passiert war, bevor ich nach Norwegen gekommen war.

Ich hingegen brauchte nur seinen Namen zu googeln und schon konnte ich alles über seine Vergangenheit nachlesen. Ein bisschen unfair war das schon, das musste ich zugeben.

Plötzlich steckte Gerd-Anne den Kopf ins Zimmer. "Seid ihr fertig, ist Paola satt? Unf, wollt ihr euch nicht die warmen Sachen ausziehen?" 

Tatsächlich trug ich immer noch das, was ich heute morgen in Norwegen angezogen hatte. Schnell tauschte ich Jeans und Pulli gegen Shorts und T-Shirt und dann konnte es auch schon losgehen. Martinus blieb mit Emma im Hotel, damit Gerd-Anne und Kjell-Erik ungestört mit der Schulleiterin sprechen und Marcus und ich auf die Suche nach Isabelle gehen konnten.

Im Internat angekommen zeigte ich Gerd-Anne und Kjell-Erik den Weg zum Direktorat. "Ich gehe davon aus, du findest dich hier zurecht?", erkundigte sich Gerd-Anne dann etwas besorgt. 

"Natürlich", antwortete ich lachend. 

"Wir melden uns wenn wir fertig sind, dann kommt ihr bitte zum Auto", bestimmte Kjell-Erik.

Ich nickte und wollte schon weitergehen, aber Gerd-Anne hielt Marcus zurück. "Pass bitte auf Evelyn auf. Ich will nicht, dass noch irgendwas passiert."

"So, weißt du denn, wo du deine Freundinnen findest?", wandte sich Marcus schließlich an mich.

Da gab es eigentlich nicht viele Möglichkeiten, ich wollte es um diese Uhrzeit zuerst bei Isabelles Zimmer versuchen. 

Aber zuvor musste ich noch etwas anderes erledigen. Alleine. 

"Wartest du kurz hier auf mich? Ich möchte noch etwas erledigen, alleine. Ich nehme auch Paola mit!", bat ich Marcus schließlich. 

Er sah zwar nicht begeistert aus, stimmte dann aber doch zu und ich verschwand für ein paar Minuten im Garten.

"Ach komm Evelyn, gib mir Paola! Du musst dich doch nicht so unnötig anstrengen", sagte Marcus später plötzlich auf der Treppe und nahm mir das Maxi-Cosi aus der Hand.

Besonders beim Trepoensteigen fiel es mir mit meinem Bein immer schwer, Paola zu tragen und das machte mir ziemlich zu schaffen. Ich wollte nicht ständig die Hilfe von jemand anderem in Anspruch nehmen müssen. Doch ich sagte nichts, ich war viel zu nervös, um über solche Kleinigkeiten zu diskutieren.

Vor Isabelles Zimmertür blieb ich stehen, man konnte von drinnen Gelächter hören, was bedeutete, dass sie tatsächlich hier war. 

"Du schaffdt das schon, keine Sorge. Ich kümmere mich so lange um Paola." Sanft schob Marcus mich näher zur Tür.

Zitternd klopfte ich schließlich und wartete, bis jemand "Herein" schrie. Es klang fast so, als würden sie noch jemanden erwarten, aber mit mir rechneten sie bestimmt nicht. Vorsichtig öffnete ich die Tür. In meinem alten Zimmer, das Isabelle jetzt allein bewohnte, waren alle Mädchen versammelt, die ich vor einem Jahr noch zu meiner Clique gezählt hatte.

Sie verstummten schlagartig, als sie mich sahen, bis Isabelle sich schließlich erhob. "Evelyn", sagte sie nur und umarmte mich dann stürmisch. "Ich hab dich vermisst", flüsterte sie mir ins Ohr, bevor die anderen Mädchen sich dann auch trauten, mich zu begrüßen.

"Und wer ist das?", fragte Isabelle dann mit einem misstrauischen Blick nach draußen, wo immer noch Marcus stand.

"Das... ist Marcus", sagte ich nur. 

"Ist er dein Freund?" Sie klang ganz aufgeregt.

"Ja", antwortete ich schließlich etwas verlegen, weil dieses Gespräch so schnell eine unerwartete Richtung annahm. 

"Und... ist das euer Kind?" Isabelle machte vorsichtig einen Schritt auf das Maxi-Cosi zu und warf einen Blick hinein.

"Nein",stellte sie dann fest. "Euer Kind hätte keine blauen Augen. Aber von wem ist es dann?"

Ich holte tief Luft und warf noch einen Blick auf Paolas blaue Augen. "Es ist von David."

Mit einem Mal war alles still und die Mädchen starrten mich entgeistert an. 

"Das musst du mir nachher genauer erklären", beschloss Isabelle schließlich. 

"Aber deine Kleine ist ja einach zu süß! Wie heißt sie denn?" 

Trust Me ~ Marcus and Martinus ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt