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Nachdem ein Wachmann mich in mein Apartment gebracht hatte, beschloss ich schon einmal zu duschen. Ich war ziemlich nervös und freute mich Odette wieder zu sehen, obwohl sie mich erst gestern verabschiedet hatte. Aber die Erleichterung, dass ich sie statt nie wieder, in ein paar Momenten sah, ließ mich fühlen, als wären es Jahre.
Megan war nicht im Apartment, das war zwar ziemlich eigenartig, aber durch meine Aufregung machte ich mir keine Sorgen um sie. Sie traf sich bestimmt irgendwo mit den anderen Kindern oder wurde irgendwo anders für den Empfang fertig gemacht.

Nachdem mich die Dusche getrocknet hatte und meine blonden, leicht gewellten Haare seidig über meine Schultern fielen, zog ich mir einen Bademantel über und ging in mein Zimmer. Dort öffnete ich den Kleiderschrank.
Alle anderen würde wohl die Masse der Kleider überwältigen, aber für mich war es normal, die meisten Kleider kamen sogar aus meinem Kleiderschrank im Palast.
Ich mochte Kleider ja eigentlich ziemlich gerne, aber ich würde schon gerne ein paar Hosen im Schrank haben. Ich hatte zwar ein paar, doch diese durfte ich nur zum Reiten, Fechten und Sport anziehen und waren nicht in diesem Schrank.

Es klopfte an der Tür. Das musste Odette sein. Ich stürmte auf die Tür zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals vor Aufregung.
Fragte sich nur, wie ich die Tür öffnen sollte, sie war ja eigentlich abgeschlossen. Trotzdem versuchte ich es und wie ich mir gedacht hatte, war sie abgeschlossen.
So ein Mist, wie sollte sie denn reinkommen? Oder hatte ich mich doch nur getäuscht? Immerhin wartete ich ja nur auf dieses eine Geräusch. Ich ging ins Wohnzimmer und beschloss zu warten.
Eine Viertelstunde später tat sich immer noch nichts. Zunehmend würde ich nervöser und unruhiger. Also war das Klopfen wohl wirklich nur meiner Fantasie entsprungen.
Ich ging nochmal zur Tür und versuchte sie erneut zu öffnen. Ich wollte mich einfach nicht damit abfinden. Sie war immer noch verschlossen. Zögerlich fragte ich:"Odette bist du da?" Keine Antwort.
Jedoch wartete ich noch eine Weile. Ich wollte es einfach nicht wahr haben. Als ich gerade wieder ins Wohnzimmer wollte, weil ich nun doch endlich vorhatte, aufzugeben, hörte ich Schritte und ein klacken des Türschlosses. Ruckartig und blitzschnell drehte ich mich wieder der Tür zu, da ich schon einige Schritte gegangen war.
Langsam wurde sie geöffnet. Ich starrte wie hypnotisiert auf das Türschloss. Und da stand sie, mit ihrem langem, schwarzem, geflochtenem Zopf, ihren blauen Augen und dem freundlichen und doch strengem herzförmigen Gesicht. Meine Odette.
Ich fiel ihr stürmisch um den Hals und schluchzte hemmungslos in sie herein. Sie erwiderte meine Umarmung und strich mir sanft mit den Händen über den Rücken. Das tat so gut... "Beruhig dich Harmonia, ist doch gut. Wir schaffen das schon", versuchte sie mich aufzumuntern.
Sie löste sich sanft, aber bestimmt aus meiner Umklammerung und zog mich ins Wohnzimmer auf die Couch, danach machte sie uns einen Tee und setzte sich zu mir. Ich konnte nicht anders und musste sie einfach anstarren. Sie war wieder hier...
"Das war ein Schock für dich, oder? Das alles hier."
Ich nickte: "Ja, du wusstest davon, oder? Und doch hast du es mir nicht erzählt", ich sagte es nicht wütend sondern eher enttäuscht, denn das war ich, ich war von meinem ganzen Leben enttäuscht.
Sie sagte ruhig und leise: "Ich weiß, ich hätte es dir früher sagen sollen, aber wir wurden überwacht, immer. Ich hatte Angst sie tuen mir etwas an und dann wärst ganz alleine. Ich wollte dich nur schützen. Es ist alles so blöd gelaufen."
Erst jetzt merkte ich, wie ausgemergelt sie aussah. Ihre Lippen waren waren ganz trocken und rissig, ihre Augen trübe, die Haut hatte eine fahlen Ton, ihre Wangen ein wenig eingefallen. Ich runzelte die Stirn. Was war nur von gestern auf heute mit ihr passiert? Da stimmte doch was nicht.
"Wo warst du nachdem ich dich verlassen hatte?", fragte ich sie leise, fast flüsternd.
Sie wich mir aus und meinte: "Nicht so wichtig. Es ist schön, dass du mich verstehst. Wir müssen dich jetzt aber erstmal fertig machen." Ich beließ es dabei. Ich war einfach nur froh, dass sie wieder bei mir war, das ich nicht gleich einen Streit lostreten wollte.
Nachdem wir ein grün schimmerndes Kleid ausgesucht und ich es angezogen hatte, schminkte Odette mich und machte wie immer meine Haare. Es hätte ein ganz normaler Tag sein können, doch leider war nichts wie immer, ihre Hände zitterten und sie mühte sich bei jedem Lächeln ab, welches sie mir schenkte.
Was hatten sie nur mit ihr angestellt? Sie war völlig kaputt und am Ende und mit mir reden wollte sie auch nicht und ich ließ es auch noch zu.

Eine halbe Stunde später standen wir vor einem Spiegel und bewunderten unser Werk. Das Kleid hatte die selbe apfelgrüne Farbe wie meine Augen, schimmerte und passte einfach perfekt, der Perlenschmuck und die dezente Schminke ließ mich kindlich und unschuldig wirken. Genau so wie ich wollte. Es war ein perfektes Outfit für mich, auch wenn ich lieber warme Farben trug.

Bald darauf klopfte es an der Tür und ein Wachmann kam, um mich abzuholen. Es tat mir weh Odette wieder alleine hier zu lassen, aber ich hatte keine Wahl. Ich drückte sie noch einmal fest an mich und sie ließ es zu. Odette schenkte mir ein beruhigendes Lächeln und ich ließ mich von den Wachleuten abführen.
Der Wachmann führte mich zu einem Auto und wir fuhren zum Bahnhof. Ich blickte durch die getönten Scheiben der Limousine. Die anderen Kinder waren bereits da und standen auf dem Bahngleis aufgereiht. Manche beugten sich aufgeregt vor und sahen die Schienen entlang, aber die Meisten blickten reglos in die Ferne und wussten wohl nicht ganz, was sie eigentlich dort taten.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich. Ich hatte keine Minute an Megan gedacht und sie sah sich jetzt nervös suchend um. Wahrscheinlich suchte sie mich. Vielleicht suchte sie mich... Vielleicht mochte sie mich wirklich.
Ich stieg aus dem Auto und alle Blicke der Schaulustigen und Kinder ruhten auf mir. Ich ging stolzen Schrittes die Stufen hoch und stellte mich neben Megan, die in ihrem goldenen, weißen Kleid, als Kontrast zu ihrer dunklen Haut, einfach wunderschön aussah. Unsere Blicke trafen sich und ich warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu.
Dann fuhr langsam der Zug ein, er schimmerte in allen Farben, so wie Perlmutt, und war wohl auf dem neusten Stand der Technik. Jedoch stiegen nicht die Kinder aus, sondern mein Vater. Aber wieso? Vor eineinhalb Stunden hatten wir doch noch zusammen geredet und zwar in der Hauptstadt, in der kurzen Zeit konnte er doch nicht weggefahren sein.
Wie dem auch sei, fing er mal wieder an zu reden. Langsam fragte ich mich, warum er bei jedem Ereignis, das mit uns "Auserwählten" zu tun hatte, anwesend war. Er hätte auch einfach jemanden schicken können, jemand der redete, der das ganze anpries und doch machte er es selber.
Er sagte, wie stolz er sei, uns alle hier zu haben und schwafelte noch eine Weile, wie wichtig das alles sei. Ich musterte alle um mich herum und blendete seine elende Stimme einfach aus. Doch die letzten Sätze ließen mich aufhorchen.
"Wie Sie alle wissen, werden heute die einundzwanzig weiteren Auserwählten ankommen, doch heute hat sich unser Plan ein wenig geändert. Ein Verbrecher hat es heute Nacht gewagt, unsere wunderbaren auserwählten Mädchen anzugreifen. Wir haben beschlossen ihn zu bestrafen, in dem wir ihn in die Aufgaben schicken, da er jedoch siebzehn ist, werden diese erschwert und dort muss er immer unter den top fünf Teilnehmern sein, sonst wird er uns leider verlassen müssen. Nun begrüßen Sie Joshua Miller."
Joshua trat in Begleitung zweier Wachmänner aus dem Zug und lächelte alle mit seinem Engelslächeln an, wodurch die meisten Buhrufe verschwanden. Ich sah sogar wie einige Frauen sich Luft zu fächelten, als er sie anlächelte, übertriebener ging es nicht mehr. Er kam direkt auf mich zu, um sich neben mich zu stellen.
Ich warf ihm einen kalten Blick zu, Megan ebenfalls. Als er neben mir angekommen war, raunte er mir zu: "Gut gemacht, Prinzessin."
Ich musste mir ein Lächeln unterdrücken, wenn er mich nicht bedroht hätte, würde ich ihn wahrscheinlich sogar mögen. Fakt war aber, er hatte mich bedroht.

Nachdem der prunkvolle Zug verschwunden war, tauchte ein weniger modernes Modell auf, das selbe, mit dem ich hergekommen war.
Zuerst stiegen die abgemagerten niedrig Geschichteten aus, jedoch waren auch ein paar Mittelschichtler unter ihnen, also hatten sich schon Freundschaften gebildet.
Dann stiegen die restlichen Mittelschichtler aus, ein paar erkannte ich von den Fotos wieder.
Als nächstes stiegen Niff und das hochnäsige Mädchen aus, danach die restlichen.
Bis auf eine, wo war Heather Monroe? In dem Moment fuhr eine Limousine vor, alle Blicke wanderten zu ihr.
Und Ausstieg - natürlich, wer auch sonst - Heather Monroe.
Diese nahm den Platz neben Joshua ein und warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich fragte mich, ob sie sich kannten. Diesen Blick warf man nicht so einfach jedem einfach so zu. Da steckte mehr dahinter. Ich wusste bloß nicht was.
Ein eigenartiges Brummen durchzog die Luft. Ich runzelte die Stirn und blickte zum Himmel.

Gezüchtet - Die Offenbarung #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt