Ich spürte sandigen Untergrund unter mir. Ich blinzelte langsam und erblickte über mir den Himmel mit vereinzelten grauen und weißen Wolken. Ich setzte mich auf und sah mich verwundert um. Ich war an einem See oder Meer, der Sand unter mir war nass und kalt. Er war von Felsen umgeben, nirgends war ein Ausweg zu sehen.
Ich spürte wie das Wasser meine Füße umspülte und zog sie zurück, dann stand ich auf. Ich zog eine Linie in den Sand und wartete einen Moment. Sie war einige Zeit später vom Wasser verschluckt. Das Wasser verschlang jede Minute ein Stück Sand, das hieß, wenn ich hier nicht wegkam, würde ich schwimmen müssen, aber ich glaubte nicht, dass diese Wassermassen das zulassen würden. Es gab sicher ein paar versteckte Wirbel und Strömungen darin, die nur darauf warteten, mich zu verschlucken. Außerdem gab es nur dieses Stück Land, dass ich mir als Ziel nehmen konnte, denn kein anderes war in Sicht.
Neben mir lag ein Rucksack, ich kniete mich neben ihn und sah hinein. Ich fand Messer, Seil, Flasche, Trockenfrüchte und Verbandszeug. Ich sah in die Flasche, sie war leer. Ich ging zum Wasser, um sie zu füllen und tippte mit zwei Fingern in das Wasser, um zu prüfen ob es salzig war, es war Süßwasser deshalb füllte ich die Flasche bis zum Rand und beschloss noch etwas zu trinken. Zwar war ich nicht durstig, aber wer wusste, wie lange die Flasche reichen würde und musste.
Nun sah ich mir die Felsen um mich herum genauer an. Sie reichten wirklich bis knapp fünf Meter ins Wasser hinein und versperrten mir so ein die Sicht auf das dahinter Liegende.
Ich hatte das komische Gefühl, beobachtet zu werden und blickte mich alle drei Sekunden um. Bestimmt war ich sogar gerade live im Fernsehen zusehen, das jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Heather hatte Recht, sie würden uns nicht trainieren, dafür war es zu spät. Sie fanden es sicher unwichtig, doch warum hatte es mein Vater dann erst gesagt? Es war widersprüchlich.
Ob Heather auch irgendwo hier war? Und wenn, war das gut oder schlecht für mich? Ich glaube es wäre gut, wir könnten uns gegenseitig helfen. Es hieß ja nicht, dass wir wirklich Feinde waren. Ich hoffte, sie würde, wenn wir uns trafen, auch so denken. Es musste niemand sterben, wenn wir uns alle zusammen bemühten, nicht wahr?
Auch wenn ich ernsthaft daran dachte, dass es so sein könnte, ich glaubte es doch nicht. Es würden Menschen sterben und wahrscheinlich war ich darunter.Ich hatte die Felsen nun einmal abgelaufen und nichts gefunden. Ich beschloss noch einmal genau nachzusehen, doch... wieder stand ich auf der anderen Seite der Bucht, ohne Erfolg. Ich hatte noch einmal überall nachgesehen und keinen einzigen Ausweg gefunden. Nirgendwo... Verzweiflung kroch in mir hoch, es war schon ein Meter Strand verschwunden und ich hatte nichts gefunden, das mir helfen würde, geschweige denn einen Ausweg.
Ich würde klettern müssen und schon jetzt wurde mir von der Höhe schwindelig und mein Herz schlug wir bis zum Hals. Ich lief ein weiteres Mal die Felsen ab, um nach einer geeigneten Kletterstelle zu suchen, als ich genauer hinsah, erkannte ich Schlaufen in der Wand. Die erste war drei Meter über mir und sie wurden dann regelmäßig alle drei Meter weiter geführt. Insgesamt waren es fünfzehn, also war die Felswand ungefähr fünfzig Meter hoch. Ich sah einen Hoffnungsschimmer.
Ich nahm das Seil aus dem Rucksack und band es um meine Taille, danach schloss ich den Rucksack und setzte ihn auf, die Gurte zog ich ganz fest, ich wollte ihn nicht verlieren. Ich legte mir die Schlaufen des Seils über die Schulter und machte mich auf den Weg zum ersten Sicherungspunkt. Hofften wir, mein Konten hielt, ich hatte kaum Erfahrung darin.
Jetzt mussten alle Schritte sitzen, sonst sah es nicht gut für mich aus. Zum Glück gab es viele Absätze, Kanten und Lücken für meine Füße. Jedoch konnte ich mich mit diesen Schuhen nicht richtig halten und rutschte immer wieder ab. Ich kletterte wieder nach unten und zog die Schuhe und Socken aus.
Der Sand war eiskalt, aber ich war mir sicher, dass es jetzt besser klappte, auch wenn meine Füße danach eingefroren wären, so wie meine Finger es jetzt schon waren.
Ich begann ein zweites Mal und nun kam sogar die Sonne heraus, meine Füße wurden ein wenig erwärmt, wie meine Finger und auch der Wind, der mir durchs Haar blies, wurde erträglich.Ich erreichte die erste Schlaufe. Mein Verstand betete herunter: "Bloß nicht nach unten sehen." Ich hielt mich lieber daran. Eine Hand klammerte sich an die Felskante, die andere zog das Seil durch die Schlaufe und band es an der Taille fest. Ich hoffte das würde halten. Nur nicht zu viele Gedanken drüber machen.
Ich kletterte unerbittlich weiter, inzwischen kämpfte ich gegen das verkrampfen meiner Zehen und Finger, vor Kälte und Anstrengung, an. Ich durfte aber nicht aufgeben, die Hälfte hatte ich schon geschafft und zurück konnte ich jetzt nicht mehr, nur noch zwei mal zwei Meter von dem Sand waren übrig.
Wieso weißt du das, wenn du nicht nach unten guckst? Meldete sich meine innere Stimme. Oh shit, war das hoch. Meine Hände verkrampften noch mehr. Ich musste weiter, also setzte ich zum nächsten Zug an und fiel erleichtert in meinen alten Rhythmus. Das war knapp.Endlich hatte ich fast die vorletzte Schlaufe erreicht. Nur noch einen Meter.
Erreicht, nur noch sechs Meter. Nur nicht unvorsichtig werden. Leider war dieser Satz umsonst, ich erreicht zwar unversehrt die letzte Schlaufe, wurde aber danach unvorsichtig. Ich wurde schneller und unvorsichtiger mit jedem Zug. Dann passierte es, ich setzte erst den Fuß unvorsichtig, dann verlor dieser den Halt und meine Hand wurde mitgerissen. Auch der andere Fuß rutschte ab und ich hing nur noch mit einer Hand am Felsen. Natürlich machte ich auch noch den Fehler nach unten zu sehen.
So viel Angst hatte ich noch nie empfunden. Sie fraß mich von innen auf. Meine Hand rutschte, dadurch wuchs meine Panik.
Ganz plötzlich legte sichern Schalter in mir um. Ich hatte keine Kontrolle über meinen Körper mehr. Mein abgerutschter Arm griff nach oben und zog den Rest meines Körpers nach oben und meine Füße fanden wieder halt. Weiter kämpfte sich mein Körper nach oben und meine Seele begann zu realisieren, dass ich davon gekommen war. Meine Hand löste das Seil und zog mich danach über die Kante.
Erschöpft rollte ich mich von der Kante weg und schloss danach die Augen. Mein ganzer Körper zitterte und dann fing ich an zu lachen. Ein hysterisches Lachen drang über meine Lippen. Ich war dem Tod entkommen ich war nicht abgestürzt. Die Situation war einfach absurd.Nachdem ich mich meiner Meinung nach genug erholt hatte und das Zittern und Lachen verklungen waren, stand ich wieder auf und nun kam mir das alles gar nicht mehr so lustig vor. Ich musste meine Tränen zurückhalten, ich wäre beinahe gestorben.
Ich wagte es nicht noch einmal über die Kante zu sehen, sondern starrte in den Wald vor mir. Ich kramte meine Schuhe und Socken hervor und gönnte mir einen Schluck Wasser. Dann begab ich mich geradewegs in den Wald hinein. Zuerst war es nur ein dünn besiedelter Nadelwald, doch dann tauchten immer öfter Laubbäume auf und Farn wuchs auf der Erde, genau wie Büsche und dichtes Gras. Mein Marsch wurde immer anstrengender und schwerer. Ich musste immer wieder alles niedertrampeln und ich hatte ein wenig Angst vor den ganzen Kriechviechern, die dort leben mussten.
Die Sonne ging unter und ich beschloss mir ein Quartier für die Nacht zu suchen. Ich hatte zwar eigentlich keine Lust jetzt noch einmal zu klettern, aber die Bäume schienen mir am sichersten und die Sonne war schon fast untergegangen.
Ich suchte mir einen leicht zu erklimmenden Baum und kletterte bis zu einer Astgabelung. Dort band ich mich an den Baum und hoffte, dass nichts und niemand mich fand und ich auch nicht runter fiel.
Schon wieder unterbrach ein Geräusch die Ruhe und ich sah mich erschrocken um. Bis mein Blick auf die Armbanduhr fiel, sie war die Ursache.
Sie zeigte meine Position auf der Insel an und sagte:"Herzlichen Glückwunsch, Miss Ronald. Sie haben es erfolgreich auf die Insel geschafft, wenn sie nun noch zwanzig Kilometer weiter laufen, erreichen Sie Basispunkt eins. Wenn nicht, wünsche ich eine gute Nacht."
Verblüfft sah ich auf die Uhr, sie zeigte meinen Standpunkt, aber nicht die Uhrzeit.
Morgen würde ich diese zwanzig Kilometer laufen, doch jetzt erstmal schlafen. Gähnend schloss ich die Augen und sackte auch gleich in einen tiefen Schlaf. Obwohl ich alleine war, ich hatte keine Angst davor, bei Nacht überfallen zu werden oder ich merkte es nur nicht, weil ich zu erschöpft war.
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Gezüchtet - Die Offenbarung #Wattys2015
Science FictionWas wäre, wenn euer Leben eine Lüge wäre? Was wäre, wenn ihr gezüchtet und nicht geboren wärt? Was wäre, wenn ihr deswegen um euer Überleben kämpfen müsstet? Mit diesen Fragen muss sich die fünfzehnjährige Harmonia auseinandersetzen, als Tochter d...