4

34 8 5
                                    


Ich wich lachend vom Tresen zurück und lehnte mich gegen die milchige Glasscheibe in meinem Rücken. Rot sprudelte vor meinen Augen und ich zog die Schublade auf, in die ich meine letzte Arbeit gestopft hatte. Mit einem Knall landete der zusammengeheftete Stapel Papier auf der Lackbeschichtung des Tresens.

"Steht in dem Manuskript, das Sie mit ihrem Rotstift malträtiert haben, Herr Byun."

Ein Blick auf den Minutenzeiger erleichterte mir meinen dramatischen Abgang extrem. Schichtende. Theatralisch riss ich mir die Schürze vom Hals, griff nach meiner Tasche und hüpfte an Byun Baekhyun vorbei. Mit Wucht schwang ich einmal um den Türrahmen und sang dem völlig fassungslos dreinblickenden Menschen, der seit drei Jahren jedes meiner Manuskripte mit gespitztem Rotstift ausradierte, ein spöttisches auf Nimmerwiedersehen.

"Freiheit!", schrie ich über die Straße. "Süße Freiheit!"

Von diesem oscarverdächtigen Ende meines Auftritts auf der "Seven Eleven"-Bühne hatte ich vier Jahre lang geträumt. Jahrelang hatte ich mir zwischen Studium, Nebenjob und der Arbeit an meinen Manuskripten die Nächte um die Ohren geschlagen, jede Sekunde meiner freien Zeit ausgenutzt, um an meinem Stil zu arbeiten, mein Vokabular auszuweiten. Schlicht besser zu werden, mir einen Wiedererkennungswert zu erarbeiten. Und endlich konnte ich mich voll und ganz dem Schreiben hingeben, meine nächsten Schritte planen.
Und der nächste Schritt den ich tun würde, würde ein großer sein, dessen war ich mir sicher.

Triumphal führte mich mein nächster Schritt, hocherhobenen Hauptes, das heroische Gesicht des nächsten Goethe voran an einen Laternenpfahl und mit gebrochener Nase in die Notaufnahme.

Das Dröhnen in meinen Schläfen war noch nicht abgeklungen, als er mich anrief. Der Gips auf meinem Nasenrücken juckte unerträglich und eigentlich wollte ich doch nur endlich dieses gottverdammte Kapitel hinter mich bringen.

"Mein König, mein Idol, meine große (platonische) Liebe!!!" leuchtete mir vom Display entgegen und ich nahm mir fest vor ihn unter "Personifikation der milchreiswerfenden Arschlöchigkeit" einzuspeichern.

Ich legte den Beutel Eis zur Seite und nahm den Anruf an.

"Was?!"

"Wow.", klang es verblüfft von der anderen Seite der Leitung. "Bist du immer so höflich oder hast du mich gerochen?"

"Der Nasenwitz war deplatziert." Ich legte den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen. Diese Scham, diese Schmach! "Und wann hab ich Ihnen das Du angeboten?"

"Ich bin der Ältere, akzeptier es wie es kommt, Jungchen."

"Bitte."
"Wie geht es deinem Gesichtserker?"

"Besser.", log ich. Ich ließ mich in die Sofakissen zurückfallen. "Was willst du Schreckgespenst jetzt wirklich?"

"Erfahren warum du mir nie gesagt hast, dass du das Meisterhirn bist das diese wundervollen Romane schreibt, zum Beispiel?"

Ich verschluckte mich an meiner Spucke und hustete lauthals in den Hörer. Ich musste mich verhört haben. Niemals hatte er das gesagt.

Mein Finger schwebte über dem roten Hörer und ich gluckste benommen vor mich hin. "Gute Nacht, Byun Baekhyun."

"Und ich will dich kennenlernen.", setzte er hastig nach, seine Stimme schrill und aufgekratzt. "Auf ein Glas Wein? Morgen Abend?"

"Wie bitte?" Ermüdet lachte ich auf. Verstand dieser Mann wirklich keine Abfuhr, wenn man sie ihm unter seiner Nase vortanzte? "Das ist doch ein schlechter Scherz."

"Wir könnten uns endlich vernünftig über deine Arbeiten unterhalten.", bot er an, klang aufgeregt wie ein Kind und professionell wie ein Geschäftsmann zur selben Zeit. "Der beste Verlag zur Veröffentlichung, das richtige Lektorat und zum Beispiel auch die zielführendste Marketingstrategie."

Die Belustigung fiel mir aus dem Gesicht.

"Aha." Hielt er mich tatsächlich für so versessen darauf verlegt zu werden, dass ich mir meinen Erfolg ervögeln würde? "Wenn du jemanden in die Kiste kriegen willst, findest du wohl jedes Manuskript großartig."

Der wuchtige Ärger in meinem Tonfall schien ihn für einen Moment zu versteinern, doch setzte er gleich darauf zu Rechtfertigungen an, die mich nicht interessierten.

"Wo ich herkomme, nennt sich das sexuelle Belästigung."

Ich legte auf und ignorierte die folgenden 127 Anrufe. Seinen Namen änderte ich nicht.

Ja hm

Meine Idee scheint zu fruchten.
Ich habe seit etwa vier Tagen nicht mehr länger als drei Stunden am Stück geschlafen, deshalb entschuldigt bitte mein kurzes Nachwort :")

♡ Alles Liebe ♡
christinchen

MilchreisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt