Ich wartete bis die schwere Eichentür krachend ins Schloss gerast war, dann holte ich zischend Luft und stieß sie lauthals wieder aus. Seit jäh her mein Ritual um meinen Unmut zu äußern, ich konnte ja nicht an Ort und Stelle anfangen loszuschreien. Ein paar Mal wiederholte ich diesen Vorgang, bis die schwarzen Punkte in meinem Sichtfeld verschwunden waren und ich wiederklar denken konnte. Ich musste meinen Bruder sprechen.
Dieses Mal störte ich mich nicht an dem Widerhall meiner Schritte im Flur, ich lief sogar extra neben dem Teppichstreifen um möglichst viel Krach zu machen. Bei jedem Schritt schien ein Teil meiner Wut sich im Lärm aufzulösen. An der Tür zu seinen Gemächern angekommen, wartete ich nicht darauf das mich sein Butler ankündigte, ich stürmte einfach hinein.
„Was hast du dir bloß dabei gedacht? Vermutlich gar nichts! Macht es dir Spaß mein Leben zu ... - Oh".Mein Bruder saß auf meinem Armsessel vor dem Kamin, der vom Eingang aus, verborgen hinter einer Wand lag. So merkte ich erst nicht das mein Bruder nicht alleine war. Sir Janis Willow und Graf Erus Quin, die schon als Kinder Freunde Davians waren, saßen neben ihm, dem Gesichtsausdruck gleich erschrocken und belustigt. Schamesröte stieg mir ins Gesicht, doch mich zu schämen verbat ich mich schnell wieder. Der einzige der dies tun sollte war mein Bruder.
Janis, dessen orangen Haare von Jahr zu Jahr mehr ausblassten, legte seine Spielkarten ab und erhob sich.
„Komm Erus, wir lassen die beiden besser alleine". Er warf dem kleingewachsenen Jungen einen vielsagenden Blick zu und sah mich dann mit einem schelmisches Lächeln an. Die Tatsache das Janis gar nicht erst versuchte seiner Belustigung zu verbergen.„Schade, ich war gerade dabei zu gewinnen", maulte Erus, erhob sich kurz aber darauf trotzdem.
Als sie bei mir vorbei gingen, verbeugte sie sich knapp, doch auch hier konnte Janis seine Zunge nicht zügeln.
„Es war mir ein wahrhaftes Vergnügen Prinzessin", feixte er und an Davian gerichtet: „Sag Bescheid falls du Hilfe brauchst. Ansonsten sehen wir uns morgen am Übungsplatz zum Schwertkampf. Du bist wirklich aus der Übung".
Ein schmales Lächeln schlich sich auf Davians Gesicht. „Ich glaube ich komme zurecht, danke."Meine Beziehung zu Janis war immer schon kompliziert. Ich glaube der Ausdruck Hassliebe beschrieb das was zwischen uns war sehr gut. Er nahm nie ein Blatt vor den Mund, seine schonungslose Wahrheit war gleichermaßen niederschmetternd wie erleichternd. Ich schätze deswegen stehen er und mein Bruder sich so nah. Auch wann er wesentlich mehr Freiheiten genoss als ich, ist er wer er ist: Der Kronprinz von Kremera. Die Leute schmierten ihm ebenso Honig ums Maul wie mir, wenn nicht sogar mehr.
Warum er sich mit Erus abgab war mir hingegen immer ein Rätsel geblieben. Er war schon immer still und schüchtern gewesen. Kaum sprach man ihn an, bekam er einen hochroten Kopf, auch bei so gewöhnlichen Themen wie das Wetter. Natürlich habe ich mir daraus immer einen Spaß gemacht.
Ich wartete bis die Tür zugefallen und ihre Schritte im Gang verklungen waren, dann wandte ich mich Davian zu. Seine Arme ruhten auf den Lehnen des, mit Goldfäden bestickten, Sessel, sein Blick auf mir. Mit müden Augen sah er mich an. Seine anfängliche Überraschung war verschwunden, er hatte damit gerechnet, dass ich nachdem Gespräch mit dem König sofort zu ihm eilen würde. Eine Zeit lang starrten wir uns an. Eine hellbraune Strähne hing ihm ins Gesicht und verdeckte eine dünne Narbe.
„Ich schätze du wirst deinen Freunden sagen, dass dies nicht für die Ohren der Öffentlichkeit bestimmt ist?", frage ich ihn und lasse mich auf einem identischen Sessel ihm gegenüber fallen.
„Das ist nicht nötig. Sie wissen es auch ohne meiner Anweisung".
Ich lehnte mich zurück, ließ mich im weichen Samt sinken und lauschte dem prasseln des Kaminfeuers. Davian bückte sich vor und gab die Spielkarten, fein säuberlich, zurück in das, dafür vorgesehene, Kästchen. Mir schien es als wären seine Bewegungen zu überlegt. Als ließe er sich absichtlich viel Zeit. Erst als die Karten verstaut waren, sagte er: „Ich schätze du willst mit mir sprechen". Sein Mundwinkel zuckte nach oben.
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Dem Untergang Geweiht
Historical FictionKremera - ein Reich im Herzen des Kontinents das von Unruhen geplagt wird. Immer öfter kommt es zu Angriffen auf die Königsfamilie und das von ihnen geführte Regime. Während der Großteil der Bevölkerung darum bemüht ist nicht zu verhungern, sorgt si...