Kapitel 2

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Ich war spät dran, weil Mikko mich aufgehalten hatte. Schnell zog ich meine warme Jacke aus und schloss meinen Spind auf, der mich mit bunten Bildern von meinen lächelnden Lieblingskollegen und gleichzeitig Freunden empfing. Die Stimmung dieser Bilder färbte direkt auf mich ab und ich lächelte in den Spiegel, der gegenüber an der Wand hing, und machte mir einen Dutt. Schnell zog ich mir noch mein Outfit an und beeilte mich dann, um zum Ärztezimmer zu kommen, wo ich meine heutige Einteilung im JTK erfahren würde.
Als ich eintrat, schaute Dr. Niclas Ahrend mit leicht erhobener Augenbraue auf seine Armbanduhr, doch da er nichts anmerkte, musste ich es wohl noch gerade so geschafft haben. Alle anderen waren schon da, bis auf Tom Zondek. Naja, wie eigentlich fast immer. Wir begannen schon einmal die Verteilung auf die Stationen und die heutigen Abläufe. Als wir fast fertig waren, stieß Tom dazu.
"Und mit Herrn Zondek rede ich dann gleich nochmal über die Pflichten... Auf geht's!", schloss Dr. Ahrend unser morgendliches Treffen.
Ich war mit meinem Halbbruder Matteo in der Notaufnahme eingeteilt. Meistens machte es mir wenig aus, dass er etwas speziell war und sein Umgang rau. Denn ich wusste ebenso gut, dass er eine sehr liebenswürdige Seite hatte und auch einige seine Mitmenschen liebte und schätzte und sich um sie kümmerte. Doch zeigen konnte er es nie so richtig. Schon gar nicht seit der Sache mit seiner Frau. Ich wünschte ihm Glück, dass er die Chance bekäme noch einmal so zu lieben. Doch es war schwer mit seiner Art und Weise einen netten Menschen kennenzulernen... Er müsste sicher schon verzaubert oder stark beeindruckt sein von dieser Person.
Es war ein ruhiger Tag in der Notaufnahme. Es gab einige Patienten, die mit leichten bis mittelschweren Erkrankungen oder Verletzungen bei uns erschienen waren, doch die Kapazität des Personals genügte wie sonst eher selten. Doch plötzlich hörte ich mehrere Martinshörner. Vermutlich ein Verkehrsunfall mit mehreren Patienten.
Als der Notarzt aus dem ersten Krankenwagen ausstieg, erklärte dieser: "Verkehrsunfall bei Kreuzungscrash. Fahrradfahrer wurde die Vorfahrt genommen. Beim Ausweichen fuhr das Auto vermutlich gegen einen Baum. Drei Schwerverletzte." Er schob den ersten Patienten aus dem Wagen.
"Behandlungssaal drei!", rief mir Matteo zu.
Ich übernahm die Trage und führte den Patienten in einen leeren Behandlungsraum.
Als ich mit der Untersuchung begann, wurde mir erklärt, dass es der Fahrradfahrer sei und er keinen Helm getragen hatte und vermutlich beim Zusammenprall über den Lenker geflogen war. Ein Name wäre nicht bekannt, die Polizei suche noch nach der Tasche des Mannes, die bei dem Unfall weggeschleudert worden war.
Der Kopf war fast komplett bandagiert, ich konnte kaum das Gesicht ausmachen, doch als ich diese schwerverletzte Person vor mir liegen sah, verbunden und verpackt, wurde mir auf einmal mulmig. Die Nase und das eine geschlossene Augenlid... Daran kann man niemanden erkennen, redete ich mir schnell ein. Es könnte jeder Mann sein.
Er war ohnmächtig, aber halbwegs stabil. Ich tastete seinen Kopf ab und ordnete ein komplettes CT an. Dann öffnete ich die Trage des Patienten, um seinen Bauch abzutasten. Und dann erkannte ich seinen Pulli. Ich schlug mir die Hände vor den Mund um nicht zu schreien. Ich wollte helfen, ich wollte Hilfe holen, aber ich stand einfach nur da und konnte gar nichts tun. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ich starrte einfach nur auf diesen Pulli, dann zum verbundenen Gesicht. Zu den Schuhen. Er war es. Mikko.

Die jungen Ärzte - Mikko und ViviWo Geschichten leben. Entdecke jetzt