*Leyla*
"Was denkst du? Gefällt dir der graue?", ich hielt Ben, der gähnend neben mir auf dem Sofa saß das iPad hin und sah ihn erwartungsvoll an. Müde betrachtete er den Kinderwagen, den ich ausgesucht hatte. "Und was genau ist jetzt der Unterschied zu den anderen zehn, die du mir vorhin schon gezeigt hast?", fragte er mich dann und runzelte die Stirn. "Dein Ernst? Der hat eine ganz andere Farbe!", klärte ich meinen Freund auf und zoomte das Bild heran. "Oh - und er lässt sich richtig klein zusammenklappen und würde so prima in mein Auto passen, bis wir uns ein größeres kaufen." Ben schüttelte nur grinsend den Kopf. "Was!?", fragte ich ihn gespielt beleidigt und boxte ihn in die Seite. Der Nestbautrieb hatte in den letzten Tagen bei mir eingesetzt - und zwar extrem! Da ich nur noch an zwei Tagen die Woche arbeitete, hatte ich jetzt auch viel Zeit um nach Babysachen zu schauen und nach Herzenslust zu shoppen.
Wir hatten Zoes altes Zimmer schon entrümpelt, um Platz für Neues zu schaffen. Wo ihr Bett gestanden hatte, befand sich jetzt eine wunderhübsche weiße Wiege und ein gemütlicher Ohrensessel. Dort würde ich schon bald mit unserem kleinen Wunder im Arm sitzen und das Mama-Dasein genießen. Plötzlich zuckte ich zusammen und Ben erschrak. "Alles gut, Schatz?" Ich griff nach Bens Hand und legte sie mir auf den Bauch. "Da! Fühlst du es?", fragte ich ihn und hielt kurz die Luft an. Das Kleine war wohl gerade wach geworden, denn ich spürte seine Tritte irgendwo in der Nähe meines Bauchnabels. Ben begann zu strahlen und streichelte mit seiner Hand über die kleine Beule, die jetzt unter meinem roten Umstandskleid zu sehen war. "Er wird ganz bestimmt mal Fußballer!", stellte Ben stolz fest. Ich verzog kurz das Gesicht, denn der nächste Tritt galt meinen Ripp en. "wohl eher Kickboxer!", mutmaßte ich. "Außerdem habe ich immer noch das Gefühl, dass es doch ein Mädchen wird!", fügte ich hinzu. Julia hatte sich beim letzten Ultraschall alle Mühe gegeben, das Geschlecht zu bestimmen, aber das Baby wollte dieses Geheimnis einfach noch nicht lüften.
"Es wird zu hundert Prozent ein Junge! Kennst du denn den Hebammen-Spruch nicht? - Mädchen nehmen Schönheit und Jungen geben sie - Nicht, dass du nicht schon immer eine Bombe gewesen wärst, Leyla Sherbaz... aber in letzter Zeit blühst du noch mehr auf, mein Engel!". Mit diesen Worten nahm Ben mir das iPad aus der Hand, legte es auf den Couchtisch, zog mich zu sich heran und küsste mich zärtlich. Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, kicherte ich und strich Ben über das zerzauste Haar. Er hatte im Gegensatz zu mir heute gearbeitet und sah wirklich müde aus. Ich war nun im siebten Monat schwanger und es wurde allmählich Zeit etwas zurück zu schrauben. Im OP hatte ich schon ewig nicht mehr gestanden. Es war einfach zu anstrengend mit meiner riesigen Kugel, die gefühlt von Tag zu Tag wuchs. Aber die Betreuung der Assistenzärzte lag mir trotzdem noch sehr am Herzen und ich wollte so lange ich konnte für sie da sein. Seitdem Ben seinen Facharzt hatte, unterstützte er mich dabei auch wo er nur konnte. Ich war so stolz auf ihn! Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sowohl seine Facharztprüfung, als auch die Doktorarbeit zu beenden, bevor unser Kind geboren wurde. "Dr. med. Benjamin Ahlbeck" - das hörte sich fantastisch an und er hatte es tatsächlich geschafft. Ich schmiegte mich an seine Schulter, er legte den Arm um mich und kraulte über meinen Rücken. Ich schloss die Augen, um einfach den Moment zu genießen.
Uff - Schon wieder ein Tritt. Dieses Kind war einfach wahnsinnig aktiv! „Schatz? Ist noch was von der Pizza da?", fragte ich und sah Ben an. Kein Wunder, dass sich das Baby so rasant entwickelte, ich hatte einfach immer Hunger. „Ein paar Stück, ja. Aber ich erinnere an deine Worte vor einer halben Stunde, Leyla: Wenn ich noch einen Bissen esse, platze ich!", zitierte er mich in einem theatralischen Tonfall, stand aber trotzdem auf und lief in die Küche um mir mein Objekt der Begierde zu holen. „Ginger Ale dazu, die Dame?", rief er und öffnete den Kühlschrank. Ja, Ben konnte scheinbar wirklich meine Gedanken lesen...
