Es war mittlerweile Mitte August und ich würde heute Bescheid bekommen, ob ich an der Universität angenommen wurde oder nicht. Unruhig rutschte ich auf der Couch herum und wurde immer nervöser.
Ich wurde durch die Klingel aus meinen Gedanken gerissen. Wer das wohl war? Kadeen konnte es nicht sein, er hatte seinen Schlüssel immer dabei. Ich öffnete die Tür und sah geradewegs in ein paar braune Augen, die ich unter tausenden wiedererkennen würde. Es war Mikail.
"Hey Canim", begrüßte dieser mich, während er mich in eine Umarmung zog. "Hey Habibi", erwidere ich nur und gehe einen Schritt zur Seite um ihn reinzulassen. Er streift sich die Jacke ab und zieht seine Schuhe aus und folgt mir darauf in das Wohnzimmer. "Huda, ich will ja nichts sagen, aber es ist schon 14 Uhr und du trägst immer noch deinen Harry Potter-Pyjama, was ist los, wir wollten uns doch heute noch treffen, warum antwortest du nicht auf meine Nachrichten, genauso wie Luana?", fragend sieht er mich an.
"Hast du's vergessen? Luana und ich bekommen heute die Bescheide von den Unis.", antworte ich ihm. "Oh, shit. Das habe ich ja voll vergessen.", murmelt dieser nur. "Wann kommt denn die Antwort?", neugierig sieht er mich an. "Sie sollte zwischen 13 und 14 Uhr kommen und langsam habe ich echt Angst, dass ich nicht angenommen wur-", ich wurde durch das Klingeln meines Handys unterbrochen.
"Oh mein Gott!", kreischte ich und atmete ein Mal tief durch bevor ich den Anruf entgegennahm. "Mansoor?", fragte ich nervös. "Guten Tag, Frau Mansoor. Es tut mir leid, für die späte Antwort, aber es freut mich Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie zum Zahnmedizin-Studium an der Charité Universitätsmedizin Berlin zugelassen wurden. Alle nötigen Unterlagen werden Ihnen per E-Mail zugeschickt. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.", und die Frau legt auf.
Mikail sieht mich erwartungsvoll an, doch vor Freude kann ich gerade keinen ordentlichen Satz bilden, also kreische ich auf und werfe mich auf ihn. "ICH HAB IHN, DEN STUDIENPLATZ!!!! DIE GANZE ARBEIT WAR NICHT UMSONST!!!!!", schreie ich. Von Mikail kommt nur ein schmerzvolles Stöhnen, anscheinend kam mein Sprung etwas ungelegen, doch das interessierte mich herzlich wenig. Auch Mikail fing sich wieder und umarmte mich fest. "Glückwunsch, ich wusste doch, dass du es schaffst.", lächelnd löst er sich von mir und ich grinse ihn an wie ein Honigkuchenpferd.
Ich will gerade Luana anrufen, um mal bei ihr nachzufragen, da klingelt es an der Tür. Schon zum zweiten Mal heute wurde ich durch die Klingel unterbrochen. Ich rutsche auf meinen Kuschelsocken zur Tür und öffne diese schwungvoll. Vor mir steht eine über beide Ohren grinsende Luana, dessen Grinsen ich augenblicklich erwidere.
Wir fallen uns kreischend um den Hals und springen im Kreis herum. "We did it, we did it!", singt meine beste Freundin das Lied aus 'Dora' und bringt Mikail und mich zum lachen.
"Okay Leute, das muss gefeiert werden."
Am Ende entschieden wir uns doch nur für einen gemütlichen Netflix & Chill-Abend bei mir Zuhause. Solche Momente hatte ich am meisten vermisst und gefielen mir viel besser, als irgendwo draußen herumzuhängen.
*****
Ich arbeitete heute wieder und mir fielen fast die Augen zu, wären da nicht diese Kunden mit tausenden Extrawünschen, was ihr Getränk anging. So blieb die Arbeit aber wenigstens spannend, bei Starbucks kamen so viele verschiedene Menschen vorbei, es wurde also nie langweilig und machte meistens wirklich Spaß. Bis auf die Schichtleiter waren auch meine Mitarbeiter alle locker drauf und wir waren ein gutes Team.
Heute war ich mal wieder an der Kasse, nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber es geht schon. Ich bediente gerade eine ältere Frau, die anscheinend aus China kam und kein Deutsch oder Englisch sprach. Während ich also versuchte, ihren Getränkewunsch zu entziffern, fiel mein Blick auf die Tür, durch die ein mir bekanntes Gesicht hereinspazierte. Es war Younes. Da ich immer noch nicht wusste, was die Frau vor mir haben wollte, konnte ich Younes jetzt nicht abchecken und widmete mich wieder der Arbeit.
Endlich hatte die Frau ihr Getränk und ich nahm schnell die Bestellungen der anderen Kunden auf, da sich bereits eine kleine Schlange gebildet hatte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Younes mir immer näher kam. Ich beschloss zu warten, ob er mich erkennt und ihn ganz normal zu behandeln, vielleicht hatte ich beim Paintball einfach an seinem Ego gekratzt und er war deshalb so schlecht gelaunt. Ich denke man merkt, wie sehr ich Unfreundlichkeit hasse, ich meine, man kann sich doch einfach normal benehmen, das kostet ja nichts.
Er war nun an der Reihe. „Hallo", sagte er mit seiner angenehmen rauen Stimme.....warte, was?! Sie ist ganz und gar nicht angenehm! und sah auf die Karte. Diese Zeit nutzte ich, um ihn etwas näher zu betrachten. Er hatte einen gepflegten Drei-Tage-Bart und seine Augen waren heute hinter einer Brille mit goldenem Rahmen versteckt, man sah dennoch, dass sie eine schöne Farbe haben. Das mit den schönen Augen kann man ihm doch lassen, oder?
Oh Gott, was ist nur los mit mir?
Zum Glück war ich frühzeitig mit dem Starren fertig, sodass er nicht merkte, dass mein Inneres jeden Zentimeter seines Gesichts analysierte. Er hatte anscheinend das passende Getränk gefunden, denn er sah zu mir und setzte zum Reden an. „Ich hätte gerne einen großen Iced-", doch er beendete seinen Satz nicht, da er mich anscheinend erkannt hatte. „Oh, dich kenne ich doch!", ich wollte keine Szene machen, das war gar nicht mein Ding und wir waren ja auch nicht verfeindet oder so, also nickte ich nur leicht lächelnd. ich war überhaupt überrascht, dass er mich überhaupt erkannte. Er schien irgendwie netter zu sein, vielleicht lag es daran, dass er heute alleine unterwegs war und wir nicht Paintball spielen. „Also, was möchtest du denn?", fragend sah ich ihn an. „Einen großen Iced Latte, bitte", er beobachtete jede meiner Bewegungen, das spürte ich auch ohne ihn anzusehen. Ich nahm schnell einen Becher und schrieb seinen Namen darauf, gab diesen anschließend an Mina weiter, die die Getränke zubereitete.
„Du weißt meinen Namen noch.", stellte Younes fest. Ja, es kann schon sein, dass ich in den letzten Wochen ein paar Mal an ihn gedacht habe und ihn möglicherweise sogar auf Instagram gesucht aber nicht gefunden habe, ich bin nicht stolz drauf. Ich sah zu Younes und dieser schien auf eine Antwort zu warten. „Ich kann mir Namen gut merken.", zuckte ich nur die Schultern. „Das ist aber nicht fair, jetzt will ich auch deinen Namen wissen.", grinste er mich an und dieses Grinsen, oh mein Gott. Ich fing mich schnell wieder und sah ihn ebenfalls grinsend an. „Tja, ich schätze das Leben ist nicht immer fair, c'est la vie". Wäre er schlau, hätte er auf mein Namensschild geguckt, dieses wurde aber momentan von meinen Haaren bedeckt. „Na gut, ich werde ihn sowieso herausfinden.", er bezahlte. „ Bis dann, hayati", sagte er nur noch lächelnd und ging weiter. OH MEIN GOTT, er hatte mich gerade ernsthaft als sein Leben bezeichnet?! Okay, hayati ist vielleicht etwas kitschig, aber bei ihm klang es einfach nur schön und so liebevoll. Seit wann ist Younes bitte so? Okay ich tue so, als würde ich ihn seit Jahren kennen, aber wirklich er sieht nicht so aus, als würde er solche Wörter benutzen. Ich lächelte kurz vor mich hin, kassierte aber weiter.
Younes hatte mittlerweile sein Getränk und lief auf einen der Plätze zu. Ich merkte erneut wie er mich ansah, ignorierte es aber und ging lächelnd meiner Arbeit nach, trotz dem brennenden Blick auf mir. Es war mir wirklich unangenehm, aber ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.
Schließlich ging er, doch bevor er das Café verließ, drehte er sich noch einmal zu mir um und lächelte das süßeste Lächeln, das ich je in meinem Leben gesehen habe. Oh mein Gott, alter. Sowas passiert mir auch nicht oft.
Ich widmete mich also wieder meiner Arbeit, die in 2 Stunden vorbei sein würde. Dann werde ich mich mit Luana und Mikail treffen, wir hatten uns wegen unseren Jobs schon etwas länger nicht mehr gesehen.
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Der Abend war noch sehr lustig. Die beiden holten mich von der Arbeit ab und wir gingen bei Vapiano etwas essen. Schließlich wollte Mikail unbedingt in eine Shisha Bar, was eigentlich gar nicht so mein Ding war, aber ihm zuliebe kam ich mit.
Wir fuhren nach Kreuzberg zu Yeditepe und rauchten unsere Pfeifen. Ich teilte eine mit Luana, da ich immer nur ein paar mal zog.
„Ich hab doch gesagt, man sieht sich immer zwei Mal im Leben."
Uuund ein neues Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch.
Mehr habe ich eigentlich nicht zu sagen. :)
irem
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Hayati | Huda & Younes
Подростковая литература"Ich hab schon gedacht du schreibst nie, hayati, war Younes' Antwort. Und schon wieder nannte er mich Hayati." Huda und Younes lernen sich durch eine Reihe von Zufällen kennen und obwohl Berlin so groß ist, treffen sie immer wieder aufeinander. Werd...