Ich sah immer noch in Younes Gesicht, war aber eigentlich tief in meinen Gedanken versunken, was sollte ich tun? Woher fand dieser Junge mich immer wieder? Und wie hatte er mich im Dunkeln mitten auf der Straße aus dem Auto erkannt? So viele Fragen und ich würde wahrscheinlich niemals eine Antwort auf sie bekommen.
"Hallo, Erde an Huda?", kam nun von dem Jungen vor mir. Ups, ich hatte ihn nicht absichtlich warten lassen. Ich konnte nicht einsteigen, wenn mein Bruder oder einer seiner Freunde, die gefühlt in der ganzen Stadt verteilt waren mich sehen würden, wäre ich offiziell tot. Sowohl er als auch meine Eltern waren ziemlich streng, und ich war natürlich auch streng mit mir selbst. Aber bei Younes war es irgendwie anders, es scheint als würde es mir nichts ausmachen alle meine Prinzipien über Bord zu werfen, wenn ich mit ihm zusammen bin.
"Ich glaube ich fahre lieber mit der Bahn.", war das Einzige, was ich sagte. Younes schaute mich ungläubig an, "Um diese Uhrzeit willst du mit der U1 fahren? Da sind jetzt nur Perverse, komm ich lass dich jetzt nicht alleine fahren.". "Ich fahr doch nicht zum ersten Mal alleine U-Bahn, ich komm schon klar. Danke für das Angebot, aber du brauchst jetzt keinen Umweg machen, in einer halben Stunde bin ich Zuhause.", erwiderte ich. "Huda, wir kennen uns nicht so gut, aber du musst eine Sache über mich wissen-", hä worauf wollte er hinaus? "ich bin ziemlich stur, also ich werde dich eh nicht fahren lassen, also komm rein oder muss ich dich eigenhändig ins Auto setzen?", an seinem Blick erkannte ich, dass er es wirklich tun würde, also gab ich nach. "Schon gut.", ich setzte mich ins Auto und schnallte mich an.
Wir saßen also im Auto und starrten uns nur an, bis wir durch ein Hupen voneinander abgelenkt wurden. Younes wurde fett angehupt, kein Wunder er stand nämlich mitten auf der Straße. "Was denn?! Denkst du nur du hast eine Hupe, oder was?!", fing er an den Fahrer anzubrüllen, obwohl dieser ihn ja wohl kaum hören konnte. Okay, Younes und ich sind auf jeden Fall beide aggressive Fahrer, das kann ja was werden.
Ich musste lachen, das eben war zu witzig. Younes war mittlerweile losgefahren und überholte mit einem Hupen den Typen von gerade eben, was mich noch mehr zum lachen brachte. Fragend sah Younes mich an, "Chill champion", sagte ich nur und er lächelte leicht. Jetzt waren wir beide wieder still und es war mir etwas unangenehm, ich kannte ihn kaum und saß jetzt einfach bei ihm im Auto. Ich wusste nicht worüber ich überhaupt reden sollte, ich meine wir haben nur etwas gechattet und bei Yeditepe waren die ganze Zeit über die Anderen dabei. Also hielt ich einfach meine Klappe.
"Warst du arbeiten?", kam es nun von ihm. "Ja", gab ich zurück, "und du?". "Nein, ich musste nur ein paar Erledigungen machen, brauchte ein paar Sachen für die Uni.", antwortete er mir und ich gab nur ein kurzes "Achso" zurück. Er fuhr Richtung Kotti und wir unterhielten uns über dies und jenes, im Hintergrund spielte leise Deutschrap und es war einfach eine coole Atmosphäre. Zudem war es schön warm und es roch nach Younes, ich fühlte mich einfach wohl in seinem Auto, auch wenn es kein nagelneuer Mercedes Amg war, sondern ein etwas älterer Golf. Ich brauche sowas einfach nicht, wenn ich etwas haben will, erarbeite ich es mir und Luxus usw. sind schließlich auch nicht das Wichtigste im Leben, nicht mal im Geringsten.
"Hast du Hunger?", fragend sah mich Younes an. Ich hab immer Hunger, aber das musste er ja nicht wissen. Es reicht schon, dass er mich nach Hause bringt, da müssen wir nicht noch essen gehen. "Ach nein, dankeschön Younes, du hast schon genug gemacht.", leicht lächelte ich ihn an. Mittlerweile standen wir an einer Ampel und er sah mich wieder mit diesem unergründlichen, intensiven Blick an. Ich konnte dem Blick nicht ausweichen, also schaute ich nur zurück. "Doch, doch du kommst von der Arbeit, natürlich hast du Hunger. Ich kenne da einen Laden.", sagte er nur und ich schüttelte leicht den Kopf. Bei ihm war jeglicher Widerstand zwecklos.
Nach etwa 5 Minuten standen wir vor einem Dönerladen am Kottbusser Tor. Er hatte ins Schwarze getroffen, ich liebe Döner. Ich grinste ihn an, mich glücklich zu machen war einfach. "Okay gut, du bist nicht so ein Diät-Mädchen.", er atmete auf und ich musste lachen, nein das war ich definitiv nicht. "Wie isst du deinen?", fragte er nur noch und ich sagte es ihm. Mit einem "Bin gleich wieder da." verließ er das Auto. Mittlerweile war er schon über 10 Minuten weg und das Auto und somit auch meine heißgeliebte Heizung waren aus. Ich fror also wieder so vor mich hin und hoffte einfach, dass Younes so schnell wie möglich zurück ist.
Ich checkte grade meine Nachrichten und war erleichtert, dass keine von Kadeen dabei war, als sich die Tür öffnet und Younes mitsamt dem Essen einsteigt. Ich war gerade total am Zittern, was er anscheinend auch bemerkte, als er das Licht einschaltet. "Oh scheisse, ich habe voll vergessen, dass die Heizung ausgeht und du voll die Frostbeule bist.", fiel ihm ein. "Ey, ich bin keine Frostbeule", protestiere ich während ich versuche mein Zittern zu unterdrücken. "Huda, du frierst sogar an einem schönen Sommerabend, sowas hab ich bis jetzt noch nie gesehen.", gibt er nur lachend zurück und überreicht mir meinen Döner. "Danke", gebe ich nur lächelnd zurück und er sagt, dass es nichts zu danken gäbe.
Ich esse gerade, als Younes mir seine Jacke über die Schultern legt, "Ich hoffe dir wird wärmer.". "Nein, das geht nicht, dir wird kalt. Nimm deine Jacke, Younes.", erwidere ich und will ihm die Jacke zurückgeben, doch er legt sie mir wieder um die Schultern, "Mir gehts gut, keine Sorge Huda.". Wir essen schweigend weiter und ich versuche nicht ständig seinen Geruch einzuziehen, doch er riecht wirklich gut. Zu gut.
Wir hatten mittlerweile aufgegessen und unterhielten uns, die Autositze hatten wir etwas nach hinten gelehnt und ich saß im Schneidersitz zu ihm gedreht. Seine Jacke hatte ich immer noch an und am Liebsten würde ich sie für immer behalten. Es war bestimmt schon mehr als eine Stunde vergangen, in der wir auf diesem Parkplatz standen und uns einfach unterhielten. Ich hatte mir ein Treffen mit ihm nicht so ausgemalt, aber ich würde nichts auf dieser Welt gegen diesen Moment eintauschen. Es war einfach schön und wir verstanden uns gut. Wir hatten den gleichen Humor, interessierten uns für ähnliche Dinge und ich erfuhr, dass Younes Medizin studierte. Er war im 6. Semester und wollte sich später auf Neurochirurgie spezialisieren. Wir würden also an der gleichen Uni studieren.
Es war schon fast 12 Uhr und wir redeten immer noch, es wurde einfach nicht langweilig. Ich wollte so viel wie möglich über ihn herausfinden und er war anscheinend auch interessiert an mir, er stellte mir die verschiedensten Fragen. Mal redeten wir über unnötiges Zeug, aber auch viel über ernstere Dinge, der Wechsel zwischen den Themen ging ganz schnell. Younes verließ den Wagen kurz um den Müll wegzuschmeißen, diese Gelegenheit nutzte ich um Luana zu schreiben, dass sie mein Alibi ist. Kadeen schrieb ich also, dass ich bei Luana schlafe, damit er sich keine Sorgen macht.
Younes kam mit 2 Bechern zurück, dem Geruch nach zu urteilen war es heiße Schokolade. "Ich dachte du hast genug von Kaffee.", sagte dieser und reichte mir einen Becher. Der Junge war zuckersüß, aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Wie konnte man so witzig, intelligent, gutaussehend und süß zugleich sein? Er ist nicht von dieser Welt, definitiv nicht. In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass Younes mich ebenfalls die ganze Zeit ansah, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Aww, würde ich sagen, wenn ich heute nur nicht so scheiße aussehen würde. Ich hatte meine Haare zu einem unordentlichen Dutt gebunden und hatte Schlabberklamotten an. Ich fühlte mich wohl, keine Frage, aber besonders attraktiv sah ich wohl nicht aus, dem war ich mir bewusst.
"Dankeschön, für den Kakao", ich lächelte ihn an. "Hör auf dich ständig zu bedanken, würde ich es nicht machen wollen, würde ich es auch nicht tun.", gab Younes mit einem leicht strengen Unterton zurück. Ich lehnte mich zurück und kuschelte mich in seine Jacke, ich war gerade einfach nur glücklich mit ihm. Ohne die ganze Situation zu analysieren, von allen anderen Menschen abgeschirmt in diesem Auto.
"So, was machen wir jetzt?", fragte er mich. "Ich weiß es nicht.", gab ich nur zurück und die Müdigkeit übermannte mich langsam. Ich hörte nur noch, wie Younes "Ich weiß es schon, lass dich überraschen", sagte.
Hey Leute, ich hoffe euch gefällt das Kapitel.
irem
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Hayati | Huda & Younes
Teen Fiction"Ich hab schon gedacht du schreibst nie, hayati, war Younes' Antwort. Und schon wieder nannte er mich Hayati." Huda und Younes lernen sich durch eine Reihe von Zufällen kennen und obwohl Berlin so groß ist, treffen sie immer wieder aufeinander. Werd...