Kapitel 5

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Draußen angekommen schaute ich mich zunächst in alle Richtungen um. Glücklicherweise war ich die Einzige, die auf meiner Straße zu sehen war. Somit lief ihr schnurstracks los. 

Ich hatte kein Ziel vor Augen, fand mich jedoch trotzdem nach einiger Zeit vor einer beliebten Einkaufsstraße wieder. Mir wurde heiß. Es waren sehr viele Menschen auf der Straße. Sie drängten sich dich an einander gepresst nach vorne, alle auf dem Weg zum nächsten Schnäppchen. Früher war ich auch oft zum Frustshopping hergekommen. Das letzte Mal musste jedoch schon einige Jahre her sein. 

Alles in mir wandte sich dagegen, die Straße zu betreten. Ich wollte nicht unter die Menschen. Ich sehnte mich nach meinem Zimmer und meinem Bett. Ich wollte in diesem Moment nichts lieber, als mich einfach nur zu verkriechen, doch ich ging trotzdem einige zögerliche Schritte voraus. 

Ich wollte es meiner Mum beweisen. Es ging mir besser. Es soll mir besser gehen. Es war schließlich nur eine Straße, was sollte schon groß passieren? 

Kaum war ich auf der Straße angekommen, begann mein Herz zu rasen. Ich atmete und atmete, doch hatte trotzdem das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Ich blickte mich um und wollte nach den Läden Ausschau halten, doch meine Sicht verschwamm. Überall um mich herum waren Leute. Eltern mit ihren Kindern, Hunde und jede Menge Einkaufstüten rangen um mich herum. 

Plötzlich wurde ich von hinten angerempelt. 

Ich verlor das Gleichgewicht und die Person, welche in mich gelaufen war, konnte sich ebenfalls nicht mehr halten. Ich landete auf meinen Händen und Knien und der Mann neben mir auf dem Hintern. Doch es war nicht irgendein Mann - es war dieser Mann. Dieser Taylor. Das Schicksal wollte mir doch nun wirklich einen Streich spielen.

"Sorry man, ehrlich ich habe dich gar nicht gesehen.", sagte er und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Durch seine Sonnenbrille hindurch schien er mich nicht zu erkennen. Als ich jedoch seine Hand griff, um mich hochzuziehen, erschauderte ich. Es war, als wäre ein Blitz durch mich hindurch gefahren. Ich war super nervös. Dieser Mann machte mich fertig, dabei kannte ich ihn nichtmal richtig. Ich blickte ihn an und auch wenn ich seine Augen nicht sehen konnte, hätte ich schwören können, dass sie verführerisch blinkten. Dieses Grübchen war zurück auf seine Wange gekehrt und ich hätte bei diesen perfekten, strahlend weißen Zähnen seufzen können.

Langsam verschwand sein Lächeln und Erkenntnis trat in seine Züge.

"Moment mal, du bist doch dieses Mädchen. Diese...Mary! Du warst Eis essen mit deinem Mum! Und jetzt weiß ich auch, woher ich dich kannte. Ich habe dich gesehen, wie du in diesem Garten standest. Sag nicht, du wohnst in der Baker Street!"

Während er sprach, stahl sich das Lächeln zurück auf sein Gesicht. Wow, dieses Taylor hatte eine wahnsinnige Ausstrahlung. Ich fühlte mich wie magisch von ihm angezogen. Erst nach einiger Zeit bemerkte ich, wie erwartungsvoll er mich anschaute. Hatte er mir wirklich eine Frage gestellt? Ich war zu abgelenkt gewesen, auf seinen perfekten Oberkörper zu schauen und auf seinen Arm, wobei ich bemerkte, dass er noch immer meine Hand hielt.

Schnell zog ich meine Hand weg. Stirnrunzelnd ließ auch er seine Hand sinken. Dafür legte er sie im nächsten Moment auf meine Schulter.

"Hey, ist alle in Ordnung mit dir? Du bist ganz blass. Als hättest du einen Geist gesehen."

Ich konnte ihm nicht antworten. Zu sehr konzentrierte ich mich auf das Gefühl seines Arms auf mir. Es war merkwürdig. Ich war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr in der Nähe eines Mannes gewesen. Eines so attraktiven Mannes erst recht nicht. Es fühlte sich...gut an. Es fühlte sich richtig an.

"I...ich bin Mary",flüsterte ich. Im nächsten Moment hätte ich mich dafür Ohrfeigen können. Er hielt mich sicher für vollkommen bescheuert, wenn ich nicht einmal einen so einfachen Satz herausbringen konnte, ohne heiser herumzustottern. Doch warum genau war es mir plötzlich so wichtig, was er von mir hielt?

Er lächelte mich erneut an. Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. 

"Hallo Mary. Ich bin Taylor."

Ich lächelte zurück. Vergessen war all der Schmerz und meine düsteren Gedanken. Gerade zählt nur, wie dieser Mann mich anschaute. Ich wollte, dass dieser Moment nie verging. 

"Ich würde mich ja gerne noch weiter mit dir unterhalten, doch leider muss ich jetzt schnell zur Arbeit. Ich hoffe, wir sehen uns nochmal Mary. Vielleicht, wenn du das nächste Mal Eis essen gehst?" Er zwinkerte mir zu. Er wartete meine Antwort nicht ab und war im nächsten Moment bereits in der Menge verschwunden. 

Ich konnte mich nicht rühren. Meine Schulter fühlte sich seltsam kalt und...leer an. Er hatte mich nur angezwinkert, doch in mir waren etwa tausend Sterne explodiert. Oh man, ich war echt erbärmlich. Taylor hatte nicht einmal mit mir geflirtet und ich stand schon ganz unter Strom. 

Ich versuchte, den Gedanken an ihn abzuschütteln, doch sein Lächeln ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Während ich an den Einkaufsläden vorbei zog und überlegte, wo ich vielleicht etwas für Mum und Dad mitbringen konnte, schweiften meine Gedanken immer wieder zu ihm hinüber. Plötzlich blieb ich stehen. Hatte er gesagt, er würde zur Arbeit gehen? Das Eiscafé lag jedoch mehr als zehn Kilometer entfernt. Außerdem war er gar nicht entsprechend gekleidet gewesen. Er hatte eine dunkle Jeans und ein schwarzes Shirt angehabt. Im Café trugen alle immer weiße Hosen und hellblaue Hemden. Ich runzelte die Stirn . Hatte er gelogen? Aber wieso sollte er?

Kopfschüttelnd ging ich weiter die Straße entlang. Als ich schließlich an eine Sachgasse geriet, staunte ich nicht schlecht. So weit war ich noch gelaufen. Wie lange ich wohl schon unterwegs gewesen war? 

Ich musterte eine kleine Boutique in der hintersten Ecke. Aus Neugier ging ich näher heran und bemerkte, dass sie im Schaufenster nicht nur ausgefallene und farbenfrohe Kleidung, sondern auch Tücher und Schmuck ausgestellt hatten. Kurzerhand betrat ich den Laden. Ich wusste sofort, dass ich nicht mit leeren Händen rausgehen würde und lächelte. Damit konnte ich Mum und Dad beweisen, dass ich mich verändert hatte.


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