Kapitel 12

1 0 0
                                    

Ich wollte ihn anrufen. Ich wollte es wirklich, doch jedes Mal, wenn ich die Nummer gerade gewählt hatte, machte ich eine Rückzieher und löschte sie schnell wieder. Kaum eine Minute später versuchte ich es erneut, doch wieder traute ich mich im letzten Moment nicht. Nach etwa fünfzehn missglückten versuchten, stöhnte ich genervt auf. Das war doch zum Verrücktwerden. 

Ich stand auf und ging in meinem Zimmer hin und her. Was sollte schon groß passieren? Es war nur ein verdammtes Telefonat. Doch was, wenn er sich über mich lustig machen würde? Er hätte mir nicht seine verdammte Handynummer gegeben, um mich auszulachen. Was, wenn er mich nur verarschen wollte, und mir eine falsche Nummer gegeben hatte? Tja, dann musste ich mich wenigstens nicht mit ihm unterhalten. Was, wenn er tatsächlich eine andere hatte und mich nur als Affäre hinzuziehen wollte? Dann hätte er nicht direkt vor ihren Augen mit mir geflirtet. Aber was wenn...

Bevor mir noch weitere Argumente gegen mich selbst und gegen dieses Telefonat einfallen konnten, sprang ich zu meinem Smartphone. Ich tippte die Nummer ein, welche ich nach den ganzen gescheiterten Versuchen bereits beinahe auswendig konnte und drückte auf den grünen Knopf. Meine Hand zitterte, als ich den Hörer an mein Ohr hielt. Ich wartete. Es piepte und...

Ich legte so schnell auf wie meine Finger tippen konnten. Fassungslos starrte ich auf meine Hände und fragte mich, was gerade passiert war. Ich setzte und ließ mich auf mein Bett fallen. Das konnte noch einige Zeit so weiter gehen.

Nach weiteren zwanzig Versuchen, etwa fünfzig in meinem Zimmer gedrehten Runden, drei frustrierten Schreikämpfen und ein Mal Mum erklären, dass alles in Ordnung sei und ich nur zu blöd zum telefonieren wäre, hatte ich es endlich geschafft bis zum dritten Piepton durchzudringen. Ich war ganz kurz davor, wieder aufzulegen, als ich plötzlich ein Knacken vernahm. 

Mein Herz setzte aus. Die Hand, mit welcher ich das Handy umklammerte, zitterte unkontrollierbar. Mit lief kalter Schweiß den Rücken runter.

Ich hörte ein Raunen. Unverständliches Gemurmel und dazu ein Rascheln.

Ich schluckte "H-hallo?", stammelte ich und wartete. Zunächst hörte ich nur ein weiteres Raunen, dann ein Stöhnen und dann: "Mhh...hallo? Wer...wer ist denn da?"

Mein Herz setzte erneut aus. Er war es. Seine Stimme war unverkennbar. Doch sie hörte sich durch das Telefon irgendwie anders an. So rau so... verschlafen?

"Hey Taylor. Du... du bist doch Taylor, oder? Ich bin es Mary." Meine Stimme zitterte. Ich konnte meine Nervosität nicht verstecken. Oh man wenn schon dieses Telefonat so schlimm war, wie sollte es dann erst bei einem Date sein? 

"Oh fuck... Moment." Es wurde kurz leise. Dann raschelte es erneut, diesmal deutlich lauter. Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, wie verdammt sexy seine Stimme klang.

Er räusperte sich. "Hey Mary. Entschuldige ich... ich habe noch... oh man wie peinlich ich habe bis eben noch geschlafen. Entschuldige, hast du öfter anrufen müssen? Ich schlafe sehr tief es ist ein Wunder, wenn ich von diesem Klingeln aufwache."

Mein Herz rutschte mir in die Hose. Wenn er wüsste, wie oft ich angerufen hatte. "Nein alles gut ich..." Ich wusste nicht was ich daraufhin sagen sollte. Ich wollte nur schnell das Thema wechseln. "Sag mal, warum hast du denn noch geschlafen es ist doch schon nach 16 Uhr." 

Er räusperte sich erneut. Es schien ihm unangenehm zu sein und ich biss mir vor Scham auf die Zunge. Warum musste ich auch nur so blöde Fragen stellen?

"Ich habe gestern noch lange gearbeitet ich kam erst heute morgen um zehn nach hause."

"Oh", sagte ich nur ich hätte mich gerne dafür geschlagen. Warum fiel mir denn nichts besseres ein, was ich sagen könnte? "Du arbeitest du lange in dem Eiscafé?"

Er lachte. "Nein das hat natürlich nicht so lange geöffnet. Ich habe... noch mehr Jobs." Er machte eine Pause.

"Also du...hast dich entschieden anzurufen." Er klang nun heiter. Mir schoss wieder die Hitze in die Wangen. 

"Ja du hattest ja gesagt ich könnte anrufen wenn...also wenn ich Lust hätte..."

Er half mir auf die Sprünge. "Wenn du Lust auf ein Treffen hättest?"

"Ja... ja genau. Ich... ich hätte... Lust"

"Das freut mich sehr, Mary. Und darf ich fragen, welche Art von Treffen dir so vorschwebt?"

Das war der Moment, in welchem ich sprachlos war. Welche Art von Treffen? Was sollte das denn nun bedeuten? Männerlogik, dass kann doch kein Mensch verstehen. 

"Äh... ich äh... ich weiß auch nicht so genau." Unbeholfen druckste ich herum. Genau vor dieser Art unangenehmem Gespräch hatte ich mich gefürchtet. 

Erneut half er mir auf die Sprünge. "Hast du vielleicht Lust, ins Maisey's zu gehen und einen Kaffee zu trinken?" Seine Stimme klang so freundlich. Ich hatte solch eine Sehnsucht nach seiner Berührung, dass es mir beinahe körperliche Schmerzen bereitete. 

"Ja das... das klingt sehr schön." Ich atmete einmal tief ein und aus. "Wenn ich auch Eisschokolade statt Kaffee trinken darf."

Er lachte amüsiert, Bei diesem Geräusch fiel plötzlich alle Anspannung einfach von mir ab. 

"Gerne auch Eisschokolade natürlich.  Ich lade dich ein. Hättest du morgen Abend Zeit? So gegen 19 Uhr?" 

Ich schluckte. Natürlich hatte ich Zeit. Ich hatte immer Zeit. Immerhin hatte ich keine Regelmäßigkeiten in meinem Alltag wie Schule, Arbeit, Hobbys oder Freunde. Aber das wollte ich selbstverständlich nicht sagen. "Klar", sagte ich stattdessen. "Morgen klingt super."

"Toll ehrlich, das freut mich Mary. Dann bis morgen!" 

"Bis Morgen", sagte ich noch, da hatte er bereits aufgelegt. Ich senkte mein Handy wie in Zeitlupe von meinem Ohr. Ich starrte darauf hinab, der Bildschirm zeigte doch die Anrufliste an, bei welcher seine Nummer ganz oben stand. Langsam sickerte die Gewissheit durch mich. Ich hatte ein Date. Ich hatte tatsächlich ein Date mit einem sehr attraktiven Mann. Und ich freute mich darauf.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 10, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

not yet decidedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt