SeChS

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Ich lasse mich fallen.

Tief.
Tiefer.
Bis in das schwärzte Tief.
Ins Nichts.
Und ins Nirgendwo.
Da war ich.

Es war dunkel draußen, dennoch war es Tag.
Tiefschwarze Wolken verdeckten die ansonsten hell strahlende Sonne.
Ein Gewitter zog auf, die Luft war dick und nicht gut zu atmen.
Doch sie war auf eine besondere Art und Weise befreiend.
Ich zündete mir eine Zigaretten ein und sog den erzeugten Rauch gemeinsam mit der trocken-warmen Luft ein.
Die Hitze schien mich zu erdrücken.
Lange hatten wir geredet.
Sehr lange.
Beinahe zu lange.
Aber das war okay, ich redete gerne mit ihr.
Es herrschte absolute Ruhe, außer mir wagte niemand sich aus den trockenen und gut belüfteten Wohnungen hinaus.
Und in meinem Kopf herrschte ungewohnte Leere.
Es war beinahe zu schön, um wirklich wahr zu sein.
Noch ein Zug.
Wo sollte das mit mir bloß hinführen?
Eine Frage, die sich schon lange in meinem Kopf eingenistet hatte.
Ich war alleine, sehr alleine.
Ganz alleine.
Komplett.
Ich lebte alleine, aß alleine und schlief alleine.
Ich sprach mit keinem, doch ich hörte allen zu.
An Tagen wie diesen, an denen meine Maske standhielt, an denen sie mir beinahe wortwörtlich den Arsch rettete.
Es waren einige Tage seit dem Gespräch vergangen und ich hatte seitdem nichts von ihr gehört.
Wann immer ich an der Schule vorbei kam, fühlte es sich so merkwürdig an.
Einerseits wie zuhause, doch andererseits so weit weg und fremd.
Wieder einmal liefen Tränen meine Wange herunter.

"Du gottverdammte Heulsuse!",

schienen sie mir zuzurufen.
Als wäre es ihr Verlangen, mir deutlich zu machen, wie wenig ich doch wert war, wie schwach und zerbrechlich.
Doch ich hielt stand, ich musste standhalten.
Ich hatte es ihr versprochen, ganz fest hatte ich es ihr versprochen und Versprechen brach man nicht.
In mir zog mein Herz sich zusammen, wie jedes Mal, wenn ich an etwas dachte, was mich traurig machte.
Es war so schön damals, so sorglos und unbeschwert zu sein, als ich noch kleiner war.
Aber mit der Zeit wuchs nicht nur ich, sondern auch das Monster in mir drinnen entwickelte sich zu einem Monstrum, zu einem Monsun, der mich tagtäglich innerlich ertränkte.
Es war nicht einfach, zu kämpfen, doch ich tat es.
Früher, als ich selber noch Schülerin war, hatte ich sie.
Sie tat mir gut, sie hörte mir zu, brachte mich zum Lachen und trocknete meine Tränen.
Doch als ich ging, war sie weg.
Ich gehörte nun nicht mehr zu den Kindern, auf die sie Acht gab, die sie beschützte, wenn sie es brauchten.
Wann immer ich sie nun sah, musste ich so tun, als ginge es mir besser, als hätte ich die letzten Wochen damit verbracht, 'gesund' zu werden.
Wenn sie nur wüsste, wie oft ich mich alleine und gequält betrank...
Das dürfte sie niemals erfahren, niemals.
Trotz allem versuchte ich immer wieder, festen Halt unter meinen Füßen zu finden, mich wieder hinzustellen, weiterzugehen und das alles hinter mir zu lassen.
Eine Weile hatte das auch funktioniert, für eine ganz kurze Zeit...
Dann kamst du.
Ja, genau du!
Die kleine Theatermaus mit der wahnsinnig bezaubernden Stimme, die leidenschaftliche Sängerin, die Talentierte eben.
Du kamst in meine Welt und hast alles auf den Kopf gestellt und mir eben diesen verdreht.
Einfach so.
Wir waren ein gutes Team, du und ich.
Du hast mir zugehört und ich dir.
Tag und Nacht, jederzeit.
Aber mein Herz musste mir einen Strich durch die Rechnung machen, musste mir beweisen, wer die Oberhand hat.
Du hast mir Hoffnungen gemacht, weißt du?
Hast mich glauben lassen, ich bedeutete dir so viel, wie du mir.
Aber welch eine Überraschung, dass du mich hast fallen gelassen.
Unsere Gespräche wurden seltener und kürzer, wir verloren uns mit der Zeit.
Und warum das?
Weil du jetzt mit ihm zusammen warst.
Weil du ihn die ganze Zeit geliebt hast.
Und ich?
Mir ging es beschissen.
Sehr sogar.
Doch ich wollte, dass DU glücklich bist, weil ich dich liebe.
Auch heute noch.
Und das ist es, was mich kaputt macht.

Liebe tut weh.

SinkingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt