Von Gedanken, Ängsten und Achterbahnen

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Herzrasen, übersprudelnde freudige Erwartung, ständigstes Aufgeregt-sein,...so hab ich mir meine letzte Woche in deutschland vorgestellt. Doch eigentlich sieht sie ganz anders aus...ich fange an, Dinge zu vermissen, die noch gar nicht weg sind, ich bekomme vor Situationen Angst, die vollkommen irrational sind, mein kopf ist total wirr, ich kann an nichts mehr denken und fühle mich als säße ich in einem Achterbahn Wagon aus dem ich unbedingt aussteigen will. Doch es ist zu spät, ich bin angeschnallt und es geht schon den Berg hoch. Die letzten Tage habe ich mit der Person neben mir im Wagon unterhalten, und mir eingeredet nur nicht nach unten zu sehen oder daran zu denken, was passiert wenn die Achterbahn einstürzt. Aber jetzt sehe ich den Abgrund und habe Angst, dass die gesamte Fahrt unerträglich wird. Es könnte aber auch die beste Zeit meines Lebens werden. Während ich anstand, habe ich immer mal wieder Teile der Bahn gesehen, wie sie auf und abgeht, höhen und tiefen hat, Leute die schon gefahren sind, gaben mir ein paar Tips, wie man alles unbeschadet überstehen kann, und meine Angst vor der Achterbahn sank. Doch jetzt stehe ich kurz davor hinab zu stürzen, und habe Schreckensgedanken. Was wenn der Wagon entgleist? Was wenn alles einstürzt? Was wenn es wirklich schrecklich wird? Was wenn, was wenn, was wenn,...
Ich glaube jeder, der kurz vor dem Flug steht macht sich ähnliche Gedanken. Was wenn ich mich mit meiner Familie nicht verstehe? Was wenn ich keine Freunde finde? Was wenn ich so starke Probleme mit der Sprache habe, dass niemand etwas mit mir zu tun haben möchte?

Und ich weiß genau, dass niemand einen von diesen Gedanken beruhigen kann. Man muss es auf sich zu kommen lassen und schauen was draus wird. Wenn man sich mit der Familie nicht versteht, gibt es Ansprechpartner, die einem weiter helfen können. Wenn man keine Freunde findet, hat mehr Zeit mit der Gastfamilie. Mit der Zeit, wenn sich alles ein bisschen beruhigt hat, fällt es bestimmt auch einfacher neue Leute kennenzulernen.

Aber die Sprache ist beispielsweise mein Horror-Thema. Ich kann nämlich nicht viel mehr als „hola" und „adiós". Ich muss mir die ganze zeit einreden „das wird schon. Mit der Zeit werde ich schon noch alles lernen". Allerdings habe ich Angst, dass ich eine total falsche Entscheidung getroffen habe und es super schlimm wird, weil ich Anfang überhaupt nichts verstehen werde. In einem Albtraum habe ich meine Familie zum ersten mal persönlich getroffen. Sie haben mit mir geredet, natürlich auf spanisch, und ich stand nur da und habe nichts gesagt. Ich habe nichts verstanden, aber gemerkt, dass sie sich über mich lustig machen.
Ich weiß dass das nur eine Horror-Vision ist, die hoffentlich nicht eintrifft.

Ich kann momentan nur hoffen, dass alles gut wird und ich nicht komplett untergehe.

Ich muss auch ständig daran denken, was ich zurücklassen werde. Meine Familie, meine Freunde, mein Zimmer, und noch viel mehr. Das mag für den ein oder anderen vielleicht komisch klingen, aber ich werde den Winter wahnsinnig vermissen. Keine Hoodies tragen, nicht eingekuschelt vor dem Kamin sitzen und Kakao schlürfen, keine Schneeballschlacht, keine schönen Spaziergänge im mit Schnee bepuderten Wald... ein Jahr Sommer, eine Durchschnittstemperatur von ca. 27 Grad, Weihnachten in kurzer Hose und T-shirt, für viele nicht vorstellbar, für mich bald Realität.
Ich weiß noch nicht genau ob ich mich darauf freuen soll. Vor einem halben Jahr war es noch ein „Au ja, die ganze Zeit in der Sonne liegen, nicht mehr diesen blöden Sommer in Deutschland der sich nicht entscheiden kann" aber jetzt will ich auf einmal wieder Herbst und Winter. Aber so ist das Leben immer wieder, man weiß erst was man hat, wenn man es verliert.

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Mit diesem Satz würde ich gerne den Teil hier beenden. Ich hoffe euch gefällt der kleine Einblick in meine Gefühlswelt auch wenn dieser Teil vielleicht ein bissen depressiv klingt. Natürlich gibt es auch schöne Vorstellungen und viele positive Gedanken, aber eben nicht nur.
Und euch muss klar sein, dass das meine Gedanken sind, meine Gefühle, meine Ängste. Und nur weil ich so fühle, heißt das nicht, dass andere vor ihrem Auslandsjahr genau so fühlen. Ich wünsche auf jeden Fall allen eine schöne Reise, die auch ins Ausland gehen.

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