Ackerbond

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Es war eine einfache Entscheidung. So simple, so alltäglich fast schon. Und doch sind es meist die einfachsten Entscheidungen, die den größten Unterschied machen in unserem Leben.

Levi erinnerte sich noch genau an den heutigen Morgen. Ihm war fast so, als könnte er noch Erwins Lachen hören, und dennoch hatte sich alles so anders entwickelt als er vermutet hatte. Sie hatten es tatsächlich geschafft, Mauer Maria war endlich wieder ein Teil des Hoheitsgebiets der Menschen. Doch zu welchem Preis? Er blickte auf den Leichnam neben sich. Er blickte auf die Schuld, die er nun mit sich trug. Sein Gewissen schrie ihn vorwurfsvoll an, jedes Mal wenn sein Blick auf dem Leichnam des Blonden landete.

Deine Schuld. Schrie es in seinem Kopf. Deine,deine, deine Schuld! Deine ganz allein!

Der Schwarzhaarige wusste, dass es seine Schuld war, das er alleine Schuld trug an dem Tod des Blonden. Er schien verloren, alleine.

Alles war so schnell passiert. Eine simple Geste, ein einzelnes Wort, eine geflüsterte Bitte und Levi hatte losgelassen. Wenn man nicht wusste was passiert war hätte man meinen können er wäre nur in einen tiefen und ruhigen Schlaf gefallen. Wenn es doch nur so wäre. Es war immer noch schwer zu begreifen für Levi, schmerzhaft sogar, er wollte es nicht wahrhaben. All die Male die sie sich gestritten hatten, all die Male in denen er nicht Erwins Meinung gewesen war.All die dinge, die er gesagt aber nicht gemeint hatte. Und jetzt war die Zeit vorbei sie zurück zu nehmen. Keine Entschuldigungen mehr,kein Bedauern, keine Tränen. Nichts als Reue und Bitterkeit blieb zurück. Es fühlte sich so leer, so furchtbar an. Als hätte er nie wirklich gesagt was er in Wahrheit meinte. „Leb wohl, wo auch immer du jetzt bist, Erwin." Levi stand auf und ließ seinen Kameraden zurück.

Leb wohl ungebrochenes Herz.


Er hatte ihm noch so viel sagen wollen

Er hatte noch so viel tun wollen

Er wollte nicht loslassen

Er wollte wieder aufwachen zu diesem Lachen.


Immer wieder, wenn sie kamen, diese heißen, brennenden Tränen, wenn er alleine war, versuchte Levi sich klar zu machen, das Erwin immer noch da war. Dass sein Licht immer noch hier brannte, hier irgendwo in seinen Erinnerungen, wie das von so vieler anderer. Es schien heller und kräftiger und es würde ihn nicht verlassen.

Und dieses Licht hatte auch damals noch gebrannt und gefunkelt. Jedes Mal wenn er in seine Augen gesehen hatte hatte er sich gewundert was dieses Funkeln, dieses Strahlen vor ihm wohl versteckte. Worüber hatte er nur nachgedacht?

Fragen über Fragen, doch keine Antworten.

Levi erinnerte sich dann immer zurück an die Zeit in der er geglaubt hatte dass sie beide zusammen alles erreichen konnten und auch würde.Das alles gut werden würde, so lange er seine Hand nehmen konnte und die Wärme spürte. Alles würde gut werden. Seine Hand war immer dagewesen für ihn, immer da um sie zu ergreifen und er hätte sie jedes Mal ohne zu zögern ergriffen, immer und immer wieder. Solange Levi seine Hand halten konnte würde er sich nicht auf diesem dunklen Pfad verlieren sondern seinen Weg finden. Auch wenn er vielleicht niemals seine stummen Blicke oder Gesten erwidert hatte, und es nie würde tun können, so hatte er ihn doch immer angelächelt mit dieser sanften Anmut, dieser Ehrlichkeit die ihn erscheinen ließ wie einen Engel.

Es verblüffte Levi selber, dass er so poetisch sein konnte.

Doch er musste sich eingestehen dass er mit Erwin auch ein Stück von sich begraben hatte. Die Zeit schien für ihn nicht weiter zu laufen wie es für die anderen der Fall war. Es war wie ein grauer Dunst,unsichtbar und doch präsent, der sich über sein Leben legte und immer bedrohlich in seinem Kopf lungerte, darauf wartend zuzuschlagen. Es war ein lebender Albtraum aus dem er bestimmt bald erwachen würde und dann wäre dieser Schleier gelüftet. Dann wäre er bestimmt wieder bei Erwin und könnte ihm all das sagen, was ihn noch immer belastete. Auch wenn es selbstsüchtig war.

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